Vom Züchten, Kultivieren,
Säen und Ernten biologischer Baumaterialien

Klimawandel und Ressourcenknappheit machen deutlich, dass wir unsere Städte in Zukunft nicht mehr so bauen können wie heute. Am 4. Dezember 2020 stellte das Fachgebiet Nachhaltiges Bauen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit dem Sympo­sium „grow.built.repeat“ Pioniere einer zukünftigen Bauwirtschaft vor, deren Forschungsprojekte und erste Anwendungsbeispiele. Ob in Form von Rest- oder Abfallstoffen aus der bodengebundenen Landwirtschaft oder aus anderen ­Arten der Kultivierung – beispielsweise in Form von Bakterien und Pilzen: Biologische Ressourcen stehen mannigfaltig und quasi unbegrenzt oder zumindest nachwachsend zur Verfügung.

Forschungsprojekt Biomat

Im Rahmen ihrer Juniorprofessur leitete Hanaa Dahy die Abteilung „Biomaterialien und Stoffkreisläufe in der Architektur“, kurz Biomat, am Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen der Universität Stuttgart. Architekturstudierende und IngenieurInnen arbeiten zusammen mit der Industrie an Möglichkeiten, verschiedene Fertigungs- und computergestützte Technologien anzuwenden und zu entwickeln, um biobasierte Produkte in der Bauindustrie zu etablieren.

In ihrer Doktorarbeit entwickelte Dahy Biokomposit-Bauelemente, die aus nachwachsenden Naturfasern bestehen, die bei der Getreideernte als Abfall entstehen. „Bioflexi“ beispielsweise ist eine flexible, hochverdichtete Faserplatte, die aus jährlich nachwachsenden Naturfasern wie Weizen-, Mais-, Reis-, Hafer-, Gersten- oder Roggenstroh besteht. Aus Stroh und Biokunststoffen hat Hanaa Dahy mit ihrem Team biegsame und zudem recyclingfähige Faserplatten entwickelt. Viele Anwendungsmöglichkeiten sind mit dem Material möglich, wie gekrümmte Trennwände, Sandwich-Elemente zur Wärmedämmung oder auch Akustikpanels.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts entstand an der Stuttgarter Universität ein Pavillon mit einer Fläche von 55 m². Die dafür eingesetzten Biokompositplatten waren doppelt gekrümmt und parametrisch gestaltet. Den Kern bildeten flexible Platten aus Naturfasern. Diese wurden beidseitig mit 3D-Furnierplatten mit Hilfe eines Vakuumpressverfahrens verbunden. Als Bindemittel wurde ein umweltfreundliches, thermoplastisches Elastomer verwendet. Rund 40 Studierende hatten zwei Semester lang verschiedene Entwürfe erarbeitet. Der ausgewählte Entwurf bestach vor allem durch seine Umsetzbarkeit und die reversiblen Verbindungen. Das Material wird aus Lignocellulosefasern hergestellt und mit Hilfe digitaler Fertigungstechniken gefertigt. In vielen Fällen ist es schwierig, eine zuverlässige Qualität von Bauelementen mit elastischen oder flexiblen Materialien zu erreichen, insbesondere, wenn sie biobasiert sind. In dieser 1 : 1-Anwendung wurden hochwertige Bauplatten mit struktureller Leistung aus 90 – 100 % erneuerbaren Ressourcen erreicht.


Forschungsprojekt: Biomat, Jun. Prof. Dr. Hanaa Dahy

Universität Stuttgart Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE)

www.hanaadahy.com


Auf den folgenden Seiten werden weitere Projekte des Symposiums vorgestellt:

Forschungsprojekt RE4 - Bauen mit Altholz

Betonverbund mit hochfesten Bambusfasern

Pilz-Myzeliumgebundene Baumaterialien


x

Thematisch passende Artikel:

Behnisch Architekten

Das Energy Lab 2.0 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Das Energy Lab 2.0 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine intelligente Plattform, um dasZusammenspiel der Komponenten künftiger Energiesysteme zu erforschen und insbesondere mit der...

mehr
Ausgabe 06/2015

KIT koordiniert Helmholtz-Stadtforschungs-Initiative www.helmholtz.de, www.kit.edu

Städte müssen sich angesichts von demografischem Wandel, Digitalisierung und globaler Erwärmung ganz neu erfinden. Doch bei den bislang ins Leben gerufenen forschungspolitischen Initiativen stehen...

mehr
Ausgabe 07/08/2021 Biokomposite in der Architektur

Biokomposite in der Architektur

Biokomposite, auch Bioverbundwerkstoffe genannt, bestehen aus Naturfasern und Harz. Die Fasern sorgen für Festigkeit, das biobasierte Harz schafft den Verbund untereinander. Die hohe Fes-tigkeit und...

mehr
Ausgabe 03/2016

Postgradual: Altbauinstandsetzung mai.ieb.kit.edu

„Postgradual und berufsbegleitend“ kommt immer stärker. So auch der Masterstudiengang Altbauinstandsetzung (M. Sc.) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der ist für ausgebildete...

mehr
Ausgabe 08/2011

Werkarchiv Frei Otto www.saai.kit.edu

Bereits im Februar dieses Jahres kamen 429 Architekturmodelle aus dem Atelier Frei Otto in Warm­bronn an das Südwestdeutsches Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai) am Karlsruher Institut...

mehr