Architektur ist nie neutral

Was bedeuten die aktuellen politischen Entwicklungen für Gleichstellungsthemen in Architektur und Planung? Wie kann Architektur innerhalb der Disziplin demokratische Teilhabe etablieren und fördern? Inwieweit können Paradigmenwechsel wie eine (feministische) Bauwende dazu beitragen, die Branche im Innern zu reformieren, so dass neue Ansätze im Äußeren und sichtbar für alle entstehen? Diese Fragen standen im Zentrum des Symposiums „Room at the Top!“ am 22./23. Mai 2025 an der Hochschule Düsseldorf. Medienpartner der Veranstaltung war die DBZ.

Vernetzen, austauschen, Allianzen schmieden, bestärken, aber auch Strukturen infrage stellen und Räume beanspruchen – das alles bot die zweitägige Veranstaltung, die sich (nicht nur) an Frauen in der Architektur richtete. Der Titel der Veranstaltung bezog sich auf den Essay „Room at the Top? Sexism and the Star System in Architecture“ der Architektin Denise Scott Brown. Als bedeutende Vertreterin der postmodernen Architektur gehörte sie mit ihrem Mann, dem Pritzker Preisträger Robert Venturi, zu den einflussreichsten Architektinnen des 20. Jahrhunderts und wurde dennoch einst erstaunt von Reportern gefragt, ob sie denn auch Architektin sei.

Initiiert und geplant wurde das Symposium an der PBSA/Hochschule Düsseldorf von Prof. Barbara Holzer und Prof. Tanja Kullack, in der Konzept- und Realisierungphase zudem von der Architektin Karin Hartmann. Dem aktuellen gesellschaftspolitischen Rollback etwas entgegenzusetzen – auch das war Ziel der Veranstaltung. Denn Räume zu gestalten heißt immer auch Gesellschaft mitzugestalten, dazu wurden zahlreiche Projekte vorgestellt. Und genau deshalb ist Architektur nie neutral, vielmehr spiegele, so die Organisatorinnen, die gebaute Umwelt immer auch die gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Aus diversen Gründen fehle Frauen, ob als Planerin, Entscheiderin oder Nutzerin, noch zu häufig der Platz darin. Denn auch das Eigentum gehöre selten Frauen allein: ca. 80 % des weltweiten Bodens sei im Besitz von Männern, nur 15–20 % der Immobilien in Paarhaushalten sei allein im Besitz von Frauen, hieß es auf dem Symposium. Als Gesellschaft bräuchten wir ein neues Narrativ vom Raum und eine Praxis, die Frauen und ihre Bedürfnisse mitdenke und Care-Arbeit sichtbar mache. Die Keynote „Wie bist Du aufgestellt?“ von Annabelle von Reutern und Dr. Katharina Neubauer begann deshalb auch mit einer systemischen Aufstellung und einem lebendigen Diskurs mit den Zuhörerinnen über Eigentum und Immobilien – gedacht auch als Plädoyer dafür, dass Eigentum letztlich Macht und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Städte müssten so gebaut werden, dass Care-Arbeit, Kollaboration und ehrenamtliches Engagement für das Zusammenleben im Stadtteil erleichtert würden. Es sei ermüdend, dass anscheinend jede Generation die Sichtbarkeit und Teilhabe von Frauen in der Stadt aufs Neue verhandeln müsse, kritisierte die kanadische Autorin Leslie Kern. Regula Lüscher, „Stadtmacherin“ aus Winterthur und langjährige Berliner Senatsbaudirektorin, fasste das so zusammen: „Wir wollen nicht nur Häuser bauen, sondern auch Strukturen!“ Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie sei eine Architekturfrage und keine Privatsache. Dazu müssten die Frauen vom Individuellen ins Allgemeine kommen und auch einmal die Komfortzone verlassen. Angelika Fitz vom Architekturzentrum Wien betonte, wir müssten mehr „Sorge tragen für das, was da ist“, und betonte: „Bauen ist maximal invasiv.“

Das Aufkommen von antifeministischen Tendenzen in der Gesellschaft zeige die Bedeutung eines solchen Symposiums, fasst Tanja Kullack abschließend zusammen. Wird es also 2026 eine Neuauflage geben? Das sei letztlich auch eine Frage der Finanzierung. Doch unabhängig vom Format wäre es wichtig, auf unterschiedlichen Ebenen am Ball zu bleiben, so Barbara Holzer. Übrigens: In den USA wäre eine solche Veranstaltung heute schon nicht mehr möglich. Denn dort stehen Wörter wie „Feminismus“, „Gleichheit“, aber auch „Frauen“ auf einer immer länger werdenden Liste der Trump-Regierung („banned words“). Regula Lüscher dazu: „Wenn ein Staat Wörter verbietet, dann ist es ein kleiner Schritt, die Menschen, die diese Wörter nutzen, zu verbieten.“ Heide Teschner/ DBZ

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