Unaufdringliche Präsenz

Neubau des Bundesinnenministeriums (Müller Reimann Gesellschaft von Architekten, Berlin) ist beinahe bezugsfertig

Das Grundstück galt als schwierig und tatsächlich wirken die drei erstplatzierten Wettbewerbsentwürfe für einen Neubau des Bundesinnenministeriums in Berlin ein bischen ungelenk; so als wüssten sie nicht so recht, wie die rund 1400 MitarbeiterInnen auf 75.000 m² BGF unterzubringen wären.

Nicht zu hoch durfte der Bau werden (jedenfalls nicht höher als das benachbarte Kanzleramt), nicht zu niedrig (Nutzflächenbedarf). Ein bisschen Abstand zur im Norden eng anliegenden Hochbahntrasse des Fern- und S-Bahnverkehrs kurz vor dem Hauptbahnhof, Platz für eine repräsentative Protokollvorfahrt sollte auch sein. Die Gewinner des im November 2007 entschiedenen zweistufigen Realisierungswettbewerbs – Müller Reimann Gesellschaft von Architekten, Berlin – fügten auf dem trapezförmigen Grundstück entlang der Hochbahntrasse drei Z-förmige Baukörper so zusammen, das man den Eindruck haben könnte, ihre zunächst rektanguläre Verschneidung hätte das optimale Ergebnis nicht eingelöst. Und also hätten die Architekten das Modell mit den drei gelenkig verbundenen Teilen ein wenig in die Länge gezogen. Ein wenig gen Westen, ein wenig gen Osten. Fertig.

In der Höhe von Alt-Moabit (Haupteingang auf der Nord-Ostseite) hat der erste Baukörper eine Höhe von fünf, der Folgende sechs, der Dritte sieben Geschossen. Und einen neun Geschosse hohen Kopfbau, der die Protokollvorfahrt an der Ingeborg-Drewitz-Allee gegenüber dem Kanzlerinnengarten markiert. Damit steigt der Bau insgesamt über drei Stufen von 23 m über Gelände bis auf 36 m über Gelände.

Die Konstruktion des Ganzen aus drei Teilen ergab zwei Binnenhöfe, in dessen Einem eine großartige Außentreppe den Geländeniveausprung vermittelt und gleichzeitig ein sehr repräsentativer Standort für Gruppenfotos ist (vor und nach einer Innenministerkonferenz beispielsweise). Allerdings fehlt hier die Gebäudeaufschrift „Bundesinnenministerium“, wie sie über den Nord- und Südseiteneingängen hängt. Alle drei Bauteile stehen auf einer Art Sockelgeschoss, das sich in die Höfe wie auch nach außen über große Fensterflächen öffnet. Hier sind Besprechungsräume, die Bibliothek und die Cantine des Hauses beispielsweise untergebracht.

Die Fassade hat viele hundert Fenster, jedes ist gleich dem benachbarten. Aus porösem Kalkstein gefertigt, erlaubt die Vervielfachung der fensterweise asymmetrischen Leibungen einen hohen Grad an Vorfertigung und exakter Ausführung. Ebenso erlaubt die viel gekrittelte Monotonie im Ganzen eine große Flexibilität im Inneren: Je zwei Achsen bilden ein 15 m² großes Einraumbüro, das dann über vier, fünf und mehr Achsen für entsprechend größere Arbeitsplätze erweitert werden kann (der Minister wird sicherlich ein paar Achsen mehr für sich haben als die zwei oder drei).

Dennoch kann man sagen, dass der Vorwurf, hier zu eintönig geplant zu haben, zu sehr einer Bürokratietypologie erlegen zu sein (Monotonie durch rigide Exaktheit), berechtigt ist. Der Penetranz der Einheitlichkeit des zu einem Großen gefügten Einzelnen muss man zustimmen. Barkow Leibinger haben es mit ihrem gar nicht so weit entfernt stehenden Tour Total ja vorgemacht, wie subtil große Fassadenflächen gliedernd zu gestalten sind, trotz hohem Vorfertigungsgrad. Nun ja, andererseits zeichnet sich gerade das Bundesinnenministerium nicht als sonderlich erfindungsreich und schon gar nicht einer Avantgarde zugehörig aus. Also passt die auf Massivität und sorgfältige Detaillierung bauenden Natursteinfassade hier wohl perfekt hin.

Dennoch: Die den Bauteilen zugeordneten Foyers sind – von außen leider nicht zu sehen! – einmal spannende Treppenräume – hier scheint mancher Treppenlauf wie im Luftraum schwebend. Dann zweigen von ihnen klassisch edle, zum Foyerraum hin offene Nebentreppenhäuser rechtwinklig ab. Deren Farbigkeit findet sich im gesamten jeweiligen Baukörper wieder. Die Fenster, die diesen sich zum Zwischenpodest verjüngenden Treppenraum mit Tageslicht versorgen, sind die gleichen, wie wir sie in der Bürofensterreihe sehen; was auch als ein Hinweis auf exakte Planung von Anfang an zu werten ist.

Dass die Idee im Wettbewerb, den ersten (südlichen) Hof zu überglasen fallen gelassen wurde, kommt dem Innenhof zugute und dem Einhalten der Budgetgrenzen zudem. Insgesamt wurden rund 208 Mio. € verbaut.

Planungen, das Bundesinnenministerium in einem Bau unterzubringen, gab es schon lange. Das Ministerium, dass seit 1999 im Spree-Bogen Mieter war, wollte dort schon lange weg. Doch neben einer möglichen Kostenersparnis (in einigen Jahrzehnten) – das Baugrundstück gehörte dem Bund  – spielten vor allem Sicherheitsbedenken eine Rolle, „insbesondere seit den Anschlägen des 11. September 2001 genügt die kostenintensive Unterbringung des BMI in Berlin nicht den erhöhten Sicherheitsanforderungen des BMI, das als oberste Bundesbehörde zuständig für die Sicherheitsbehörden des Bundes ist und damit als beauftragte Nationale Sicherheitsbehörde verantwortlich für die innere Sicherheit Deutschlands.“ (BMI)

Kugelsicheres Glas werden nicht alle MitarbeiterInnen vor ihrem Schreibtisch haben, die für das Innere der Republik zuständigen MinisterInnen, die mit Blick auf das Kanzleramt im südlichen Kopfbau ihre Räume haben, ganz sicher. Der jetzt noch sympatisch baustellentypische Holzzaum wird ersetzt werden durch einen mehr als 2 m hohen Stahlzaun, wie er überall in Berlin vor zentralen Bundesgebäuden zu sehen ist. Ob der Grünstreifen zwischen KanzlerInnengarten und Innenministerium auch in Zukunft öffentlicher Weg bleiben wird? Unserem Verständnis von Demokratie wäre es zu wünschen. Be. K.

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