Zaha Hadids MAXXI vor dem Aus?

Nicht nur in Rom fehlt das nötige Kleingeld für die hochsubventionierte Kunst der Gegenwart; dort aber mit aktuellen Folgen

Die Wände fliessend, die Wände schief, Architektur wie ein Traum?! Oder ein Alptraum für den, der hier Dauerausstellungen unterzubringen hat? Vielleicht kleinteilige Sammlungen oder licht- und raumempfindliche Preziosen? Mancher, der 2010 über den Neubau des „Museo nazionale delle arti del XXI secolo“, kurz und prägnant, MAXXI, gejubelt hatte, ist mittlerweile zurückhaltender darüber, ob Architektur einfach nur sich selbst genügen darf, oder zuerst einem Zweck zu dienen hat und dann erst sich selber feiern kann. Das MAXXI glänzte in allen Gazetten, doch jetzt könnte damit Schluss sein! Wirklich?

Der Entwurf kam 1999 von Zaha Hadid, er geht direkt, ja ohne große Umwege auf ihre frühen Zeichnungen zurück, also bautenlose Zeit, in der die Theorie, die Kunst, das Zeichnen im Zentrum ihres Arbeitens standen. Das sinnlich-künstlerische GesamtMarketingKonzept ging allerdings auf, das Museum tat das, was Museen heute offenbar tun müssen: es zog. Besucher. Es erfüllte seine Quote. Und wahrscheinlich kamen viele der 450.000 Besucher in 2011 wegen Zaha Hadid, wegen der Kurvenlandschaft zwischen schiefen Wände, wegen der Ausblicke, wegen der Treppenlandschaften.

Jetzt könnte damit erstmal Schluss sein, vor wenigen Tagen hat der Präsident der Fondazione MAXXI, der Trägergesellschaft des Museums, Pio Baldi, hat seinen Rücktritt eingereicht. Er ziehe, so ist auf der Internetseite des Museums zu lesen, damit die Konsequenzen aus den Finanzquerelen der letzten Wochen. Anfang April kam es jedenfalls zum Streit über den geplanten Haushalt 2012, der aus Sicht des zuständigen Ministero per i Beni e Attività Culturali (MiBAC) nicht genehmigungsfähig sei; zu große Löcher, die darauf hindeuteten, dass das Defizit 2011 in Höhe von rund 800.000 € in diesem Jahr noch übertroffen werde. Das Ministerium geht von mehreren Millionen Euro aus, und sieht hier auch keine Abhilfe. Und offenbar auch keine eigene Strategie, im schwindelerregenden Gesundsparenmüssen über eine Etatumschichtung das MAXXI zumindest auf Sparflamme weiter zu betreiben. Jetzt hat es das MAXXI unter kommissarische Aufsicht gestellt und Baldi hat seinen Rücktritt bekannt gegeben. Nach italienischen Pressemitteilungen reichten auch Baldis Vize Roberto Grossi sowie Vorstandmitglied Stefano Zecchi ihre Demission ein.

Hadids Resumee in 2011, dass das Museum ein außerordentlicher Erfolg sei und die Stadt Rom zu einer der "wichtigsten Städte der Welt für zeitgenössische Kunst" gemacht habe, könnte sich als fataler Irrtum herausstellen, denn was ist ein Zentrum für internationale Kunst, das einen Jahresetat von 12 Millionen Euro benötigt und damit zu den höchst subventionierten Kunststädten in der Welt gehört, die in Zeiten wie diesen höchst anfällig sind für Etatkürzungen durch die Politik? Mitte Mai soll entschieden werden, wie es mit dem Museum weitergeht, vielleicht kann man es ja umnutzen und Rom damit zu dem machen, was die ewige Stadt wirklich noch nicht ist: eine internationale Messestadt?! Be. K.

Baudaten

Objekt: MAXXI Museo Nazionale delle Arti XXI Secolo, Rom

Standort: Via Guido Reni 10

Bauherr/Nutzer: Ministerium für Kultur, Minister Sandro Bondi, Stiftung MAXXI, President Pio Baldi, Direktor MAXXI Architektur: Margherita Guccione, Direktor MAXXI Kunst: Anna Mattirolo

Architekten: Zaha Hadid Architects, Entwurf: Zaha Hadid und Patrik Schumacher

Projektleitung: Gianluca Racana (Zaha Hadid Architects)

Bauleitung: Paolo Matteuzzi, Anja Simons, Mario Mattia

Bauzeit: 1998-2010

Kontaktarchitekt in Rom: ABT, Rom

 

Fachplaner

Tragwerksplanung: Anthony Hunt Associates, London, OK Design Group, Rom

Akustik: Paul Gilleron Acoustic, London

Lichtplanung: Equation Lighting, London

 

Projektdaten

Grundstücksgröße: 29 000 m²

Ausstellungsfläche: 10 000 m²

MAXXI Kunstmuseum: 4 000 m²

MAXXI Architekturmuseum: 1 935 m²

Flächen für Auditorium, Bibliothek, Mediathek, Café, Restaurant etc.: 6 000 m²

Maximale Höhe: 22,90 m

Stahl für das Tragwerk: 6 000 t/

Stahl für die Dachkonstruktion: 7 000 t

Beton: 50 000 m³

Sichtbetonflächen: 20 000 m²

Dachglaspaneele: 2 600 m² 

Brutto-Geschossfläche BGF: 21 200 m²

Brutto-Rauminhalt BRI: 113 000 m³

Baukosten: 150 Millionen €

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