Heinrich Lee. Heute: Der Bundesbauminister bekommt Geld

150 Mio. € für Schutz und Pflege, und warum nicht für Wiederaufbau?

Schade, dass das alte Schloss inmitten Berlins nicht mehr steht, man hätte es sicherlich zum Weltkulturerbe ausrufen können und dann … nein, so geht das ja nicht, wäre das Schloss noch, bräuchten wir alle ja nicht die 552 Mio. € für seine Wiedergeburt zahlen. Doch einmal angenommen, es hätte diesen Status schon vor seiner gar nicht so willkürlichen Sprengung gehabt, die Wiederaufbauler würden jetzt jubilieren. Denn: Der sonst so strenge Haushaltsausschuss des Bundes hat aktuell beschlossen, 150 Mio. € für Schutz und Pflege der Welterbestätten in Deutschland bereit zu stellen. Das ist deutlich weniger als für die lebenserhaltenden Maßnahmen für eine völlig veraltete (Automobil)Branche, aber immerhin ein Viertel dessen, wovon man zur Zeit für die Resurrektion in Berlin-Mitte auszugehen hat.
 
Zugegeben, die 150 Mio.€ – verteilt auf fünf Jahre, also schon für den realistischen Aufbauzeitraum Schlossattrappe – kämen auch noch dem wackligen Schlosshügel in Quedlinburg zugute (eben auch ein Schloss), doch vielleicht ließen sich wenigstens die 80 Mio. € realisieren, die Optimisten immer noch für die Nachschöpfung der barocken Fassaden für nötig und zum schon eingesammelten Steuergroschen zusätzlich einsammelbar halten. Herr von Boddien wären damit aus der Pflicht und könnte sich anderen Dingen widmen; dem Wiederaufbau der Hammaburg in seiner Wahlheimatstadt Hamburg beispielsweise und der Einreichung weiterer einstweiliger Verfügungen gegen Pressefalschberichte.

Was auch für eine Finanzierung der Schlossfassadenrekonstruktion durch die gerade bewilligten Millionen spräche, findet sich an der Stelle in Tiefensees Verlautbarung im Rahmen der Leipziger Denkmal Messe, in welcher es um das geht, womit jeder Politiker alles am Markt durchzusetzen in der Lage ist: Arbeitsplätze: „Ich freue mich,“ so der Minister, „dass der Haushaltsausschuss beschlossen hat, 150 Millionen für Schutz und Pflege der Welterbestätten in Deutschland bereit zu stellen. […] Ein erheblicher Teil der Mittel wird in die neuen Länder fließen, denn dort sind sehr viele Welterbestätten. Das wird nicht zuletzt dem Tourismus und Handwerk vor Ort helfen."

So dürfen wir gespannt warten, ob sich die Bundesregierung, die bereits die Bemühungen des Herrn von Boddien durch die Schaffung einer privaten Stiftung in sicherere Hände legen möchte, demnächst dazu entschließt, das Antragsformular auf Erhebung des Stadtschlosses in spe in den Welterbestatus abzusenden. Die Chancen dazu sind gar nicht schlecht, man müsste das Schloss lediglich als das anpreisen, was es ist: der unverwechselbare Ausdruck einer Gesellschaft, die sich mit Verve authentisch im gemütlichen Gestern einrichtet, weil das Heute so betonkalt geworden ist. Und diese massenkonsensuale Bewegung ist der Ausdruck selten gewordener Harmonie zwischen Legislative (Bundestag) und Souverän (Volk) und daher absolut schützenswert!

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