Schluss mit Schloss

Warum das Berliner Schloss im Augenblick ziemlich nackt aussieht; und wo man sich noch eine originale Schlosstapete kaufen könnte

Das Schloss kommt, leider möchte man sagen, und es schwingt neben allem Ärger über den Trotz, mit welchem hier ein unsinniges, ja völlig blödes Gebäude in die Welt gedrückt wird, auch ein wenig Traurigkeit mit. Traurigkeit, weil die Architektur, die das Volk sich wünscht, immer den Hauch von Rosamunde Pilcher haben muss. Weil die Architektur die Kunstwerke der immer schon ausgebeuteten Welt auf der Südhalbkugel in einem imperialen Gebäude ausgestellt, sie dort gleichsam zum Begaffen zur Verfügung stellt … wobei sich das Imperiale des ansich doch eher nur großgeblähten und ziemlich verbastelten Schlosskastens eventuell doch nackter darstellen muss, als sich das die Riege der Fassadenfetischisten immer heftigst gewünscht hat.
 
So kommt wahrscheinlich die Schlossreplika, doch möglicherweise erst einmal ohne die historisch anmutenden Fassaden. Also nicht mehr nur ohne Kuppel, ohne die, so die selbsternannten Schlossexperten, das Schloss kein Schloss sein könne. Der oberste Bauherrenvertreter, der Bundesbauminister jedenfalls möchte hier pragmatisch sein: Wenn Geld gespendet wird, gerne eine Kuppel, wenn nicht, dann doch lieber Infrastrukturmaßnahmen auf dem Lande. Und dann das jetzt: Auf eine Anfrage der Fraktion der Linkspartei, welche Pläne die Bundesregierung für den Fall habe, dass die Spendensammler um Herrn Wilhelm von Boddien das gesteckte Ziel von rund 80 Mio. € für die Fassadenrekonstruktionen nicht erreichen, antwortete der Baustaatssekretär Enak Ferlemann lapidar: „Eine gewisse Entkopplung zur Wiedererrichtung der historischen Fassaden gegenüber dem übrigen Baukörper ist machbar.“

Was nichts anderes hieße, als genau das zu machen, was die im Wettbewerb unterlegenen Kuehn Malvezzi Architekten, Berlin, mit ihrem allerdings sonderpreisgelobtem Vorschlag der sukzessiven (Re)Konstruktion vorgeschlagen hatten: Auf eine rohe Ziegelkonstruktion sollten, je nach finanzieller Lage und damit dem Vorhandensein originaler Fassadennachbildungen diese über das rohe Skelett gehängt werden. So hätten die Berliner und all seine Gäste miterleben können, wie die Leerstelle im Herzen Berlins über Jahre, vielleicht Jahrzehnte von einem Gebäude gefüllt wird, das nicht seit immer hier steht und nicht seit immer Teil der deutschen Geschichte ist (Schlösser stehen, egal wie jung sie sind, für jahrhundertealte Kontinuität der nationalen oder regionalen Geschichte; Nachbauten leider auch).
 
Wenn jetzt der Architekt der Replika, Franco Stella, gezwungen wäre, nicht bloß auf den Fassadenschmuck der Portale zu verzichten, sondern auch auf die alles legitimierende Hülle, dann wäre sein Entwurf nicht mehr sein Entwurf; ob nun Stella allerdings bessere Aussichten hätte, wegen Urheberrechtsverletzung zu klagen oder Kuehn Malvezzi Architekten … auszuschließen ist bei dem Schlosswahnsinn inzwischen nichts mehr. Wem der Fassadenbetrug nun zu weit geht, wer es jetzt nicht mehr aushält, mit der Nacktheit der Tatsache des Scheiterns in Häppchen konfrontiert zu sein, dem bleibt nur noch, am 14. April zu „LiveAuctioneers“ zu gehen und dort zwei Fassadenstiche zu ersteigern; Einstiegsgebot für die „Fassaden des Königlichen Berliner Stadtschlosses“: 5000 €. Viel Glück! Be. K.

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