Henry van de Velde online
Kataloge eines Gesamtwerks, auch „Catalogue raisonné“, sind – weil als Referenzwerke angelegt – immer kostspielige Projekte, an denen nicht selten über Jahrzehnte gearbeitet wird. Die dann sehr teuren Printprodukte liegen bei Sammlern, Auktionshäusern oder Wissenschaftlern, die Verlässliches für ihre Arbeit brauchen. Der Nachteil dieser Werke: Da naturgemäß niemals vollständig, also abgeschlossen, sind nachfolgende Einträge nur in folgenden Auflagen oder eigenständigen Supplementbänden möglich.
Diesem Mangel hilft die Online-Archivierung ab, die zahllose Vorteile hat, insbesondere den, dass sie öffentlich, also – häufig, aber nicht immer – allen zugänglich ist. Das vor Augen, hat sich die Direktion Museen der Klassik Stiftung Weimar entschieden, die schon vorliegenden drei Bände zum Werk Henry van de Veldes inhaltlich digital zu verarbeiten und Inhalte – zurzeit rund 1 600 Objekte des belgischen Designers – als digitales Werkverzeichnis der kunstgewerblichen und raumkünstlerischen Arbeiten van de Veldes kos-tenlos und weltweit abrufbar zu machen.
Das digitale Werkverzeichnis, das jetzt online gegangen ist, erschließt sämtliche bislang identifizierbaren Entwürfe van de Veldes aus Metall, Textil, Keramik und Holz. Die Einträge enthalten Informationen zum Entwurfsjahr, zu Maßen, zur Technik, zu Materialien, Herstellern, Auftraggebern, Provenienzen und noch erhaltenen Exemplaren. Hochauflösende Abbildungen mit Zoomfunktion ergänzen die Objektdokumentation.
Ein besonderer Mehrwert der Online-Edition liegt in der erstmaligen Publikation von 377 Sitz-, Ruhe- und Korbmöbelmodellen. Die zugehörige Bild- und Quellenbasis umfasst rund 800 Abbildungen: historische Fotografien der Möbel zum Teil aus dem Nachlass des Künstlers, Kataloge und ein Auftragsbuch für Korbmöbel. Diese Quellen sind für die häufig komplizierte Zuschreibung ausschlaggebend. Einführende Texte über die Möbel beantworten Fragen zu Material und Herstellung.
Das Projekt setzt, wie schon gesagt, das zwischen 2009 und 2016 im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar in drei Buchbänden publizierte Werkverzeichnis von Thomas Föhl und Antje Neumann fort. Die in Buchform vorliegenden Katalogeinträge umfassen 825 Metallmodelle, 196 Textilarbeiten und 256 Keramiken mit insgesamt über 2 700 Abbildungen. 2022 wagte die Direktion Museen der Klassik Stiftung Weimar einen Neuanfang mit der Umstellung auf eine Online-Edition. Die digitale Neufassung ist eine Fortsetzung des Projekts in völlig neuer Form. Die Direktion Museen entschied sich für die vorläufige Einstellung der Printversion, um den Abschluss im finanzierten Rahmen zu garantieren und Ergänzungen auch nach der Publikation aufnehmen zu können. Die Fördermittelgeber trugen die Neuorientierung solidarisch mit. Auf dem gedruckten Werk basierend, wurde die digitale Publikation umfassend überarbeitet und erweitert. Die IT-Experten Marc Blechschmidt und Christiane Kümpel setzten das von Museumsmitarbeitenden entwickelte Layout im Rahmen der digitalen Transformation der Klassik Stiftung Weimar um.
Die Kontextualisierung des Werks erfolgt über vier ergänzende Verzeichnisse zu Personen (419 Einträge), Körperschaften (121), Aufträgen (243) und Ausstellungen (87), die mit insgesamt über 1 400 Abbildungen illustriert sind. Damit werden zentrale Akteurinnen, Institutionen und Netzwerke sichtbar, die van de Veldes Arbeit prägten. Berühmte Kundinnen sind hier ebenso zu finden wie die Kunstgewerblichen Werkstätten des Korbflechters Ernst Schmiedeknecht in Tannroda oder die bekannte Möbeltischlerei H. Scheidemantel in Weimar.
Die von Bea Maybach und Manuel Schwarz erarbeitete Online-Edition versteht sich als dynamische Plattform, die die Recherche zu Henry van de Velde erleichtert und um neue Inhalte erweitert. Bis 2027 ist die Veröffentlichung weiterer ca. 700 Einträge zu Tischen, Aufbewahrungsmöbeln und Kleinmöbeln sowie von ergänzendem Quellenmaterial geplant. Ob die Architektur (im Print mit Nr. 6 der letzte Band der Reihe) auch noch aufgenommen wird, müssen wir abwarten. Dauern wird das Projekt in jedem Fall noch Jahre, wahrscheinlich ist es nie zuende. Be. K.