Vom lokalen Atelier zum internationalen ­Unternehmen

Umfirmierungen und Büroübergaben an die nächste Generation können juristisch schwierig sein. Nicht, wenn man von vornherein diese Umstände mitdenkt. Wie gründe ich ein Architekturbüro, das zukünftigen Anforderungen gewachsen ist? Nickl & Partner Architekten berichten von ihren Erfahrungen.

Seit der Gründung der Nickl & Partner Architekten GmbH 1979 durch Prof. Hans Nickl ist unser Büro stetig gewachsen und hat sich vom Münchner Atelier mit regionalen Projekten zu einem international agierenden Unternehmen des Mittelstands entwickelt. Prof. Christine Nickl-Weller verstärkte das Architekturbüro nach einer er­­folgreichen Beamtenkarriere im Jahr 1989 und übernahm 2008 den Vorstandsvorsitz des inzwischen als AG firmierenden Büros. Die Marke „Nickl“ ist stark von diesen beiden Persönlichkeiten geprägt worden, mit einer intensiven Präsenz nicht nur in der Projektarbeit, sondern auch in Lehre und Forschung.

Der Bau des Krankenhauses Agatharied in Miesbach 1998 war ein Schlüsselprojekt für uns. Mit ihm haben wir uns eine Position unter den führenden deutschen Büros im Gesundheitswesen erarbeitet. Damals arbeiteten wir von einem Standort aus mit rund 20 Angestellten. Mit dem Erfolg im Inland, mit Folgeprojekten, wie den Universitätskliniken in Frankfurt am Main und Hamburg, kam auch das Interesse aus dem Ausland. Nach ersten Erfahrungen im noch recht unerschlossenen Dubai folgten erste Kontaktaufnahmen nach China und Russland. Inzwischen feiert das Pekinger Büro sein 15-jähriges Bestehen. 40 Jahre später, 2019, beschäftigen wir rund 190 Mitarbeitern an fünf Standorten in Deutschland, der Schweiz, Frankreich, China und Indonesien.

Es versteht sich, dass für ein solch international aufgestelltes Unternehmen das Korsett eines auf Einzelautorenschaft ausgerichtetes Firmenmodells schwer zu handhaben ist. Für uns war der Anlass des aktuell anstehenden Generationenwechsels auch Auslöser, die Führungsebene des Büros von einem auf einzelne Persönlichkeiten ausgerichteten Modell in gewissermaßen ein „Kollektivmodell“ umzuwandeln, in dem die Verantwortung der Geschäftsführung auf breitere Füße gestellt wird. Nicht allein ein Weiterreichen der Firma an die Söhne, die sich als Architekten, jeweils in unterschiedlichen Schwerpunkten profiliert haben, sondern der Aufbau einer starken Führungsgruppe um die neue Generation herum.

Dieser Wunsch nach Umstrukturierung fiel in eine Zeit, die zudem von stark veränderten Rahmenbedingungen im Vergleich zur Zeit der Firmengründung geprägt ist.

Marktumfeld im Wandel

Ein grundsätzlicher Wandel im Architekturmarkt ist momentan nicht nur in Deutschland bemerkbar. Das vormals stark ausgeprägte Wettbewerbswesen, durch das unser Büro seine Projekte akquiriert, wird durch das verstärkte Aufkommen von Vergabefahren marginalisiert. Um in diesen VgV-Verfahren erfolgreich bestehen zu können (lesen Sie dazu auch unsere Tipps und Tricks für VgV-Verfahren ab S. 96), müssen interne Strukturen angepasst werden. Die Kenntnisse im Vertragsmanagement, im Kostencontrolling und in der Projektabwicklung müssen gestärkt werden, während das Vorhandensein von starren Kosten­obergrenzen selbst bei hoch komplexen Bauvorhaben das Risiko für den Architekten stetig erhöhen. Zugleich sind Architekturhonorare stetigem Druck ausgesetzt und dienen oftmals als primäres Zuschlagskriterium bei solchen Verfahren. Nichtsdestotrotz steht vor allem in unserem Haus die architektonische Qualität weiterhin im Mittelpunkt, wobei die ausgeprägte Tendenz, den Architekten in ein starres Bau-Abwicklungskorsett zu zwängen, diesen Grundsatz zu einem anspruchsvollen Balanceakt macht. Zudem drängen verstärkt ausländische Gesamtdienstleister durch Zukäufe auf den deutschen Markt, der hierdurch eine Konsolidierung erfährt.

Virtuelle Planung und BIM

In den letzten Jahren vollzog sich in der Architektur eine grundlegende technische Revolution: Nach der Umstellung von der analogen Planung auf eine CAD-basierte Planung erfolgt nun die Transformation in die virtuelle Planung. An die Stelle der Zweidimensionalität tritt nun die Dreidimensionalität, die gleichzeitig durch die Verknüpfung mit Elementdatenbanken ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Die Zusammenarbeit mit anderen Planern, gerade im Bereich der Gesundheitsbauten handelt es sich meist um eine Vielzahl unterschiedlichster Beteiligter, wird vereinfacht und verbessert dadurch die Kommunikation, Transparenz und Präzision. Diese technischen Neuerungen erfordern jedoch eine Veränderung des Planungsprozesses, der sich dahin wandelt, dass bereits in frühen Phasen der Detaillierungsgrad steigt, gerade unter Einbezug von Themen wie Kosten, Terminen und Nachhaltigkeit bis zum späteren Betrieb des Bauwerks inklusive Unterhalt. Für ein Architekturbüro werden hohe Inves-titionen in die IT Infrastruktur, Schulung der Mitarbeiter, Verstärkung durch spezifische Mitarbeiterprofile wie zum Beispiel BIM-Verantwortliche und die Pflege und Verwaltung der gigantischen Datenmengen notwendig.

Global versus Lokal

Als international tätiges Unternehmen sind wir auf den unterschiedlichsten europäischen und asiatischen Märkten vertreten. Hier besteht die Herausforderung darin, dass vollständig zentralisierte Strukturen in der Architektur kaum nachhaltig betrieben werden können. Unterschiedliche legale Rahmenbedingungen, kulturelle, politische und soziale Unterschiede und Befindlichkeit sowie die Notwendigkeit einer räumlichen Nähe zum Kunden und zur Baustelle machen flexible, lokale Einheiten notwendig. Nun stellt sich schnell die Frage und Herausforderung, in welchen Umfang diese Niederlassungen betrieben werden sollen. Als reine, bedarfsorientierte Baustellenbüros oder als vollumfängliche Niederlassungen mit allen damit einhergehenden Herausforderungen? Dies sind primär die Rekrutierung und eine oftmals notwendige Ausbildung von geeintem Personal, notwendige Finanzinvestition, die Herausforderung, konstant genügend Projekte zu akquirieren und Fragen einer effizienten, standortübergreifenden Zusammenarbeit.

Wir haben vor dem Hintergrund der dargestellten Herausforderungen die wichtigsten Punkte, die wir für sinnvoll erachten und die es frühzeitig zu beachten gilt, für Sie aufgelistet.

Von der AG zur Gruppe

Um dem Wunsch entsprechen zu können, global zu agieren, dabei aber lokal stark präsent zu sein, wurde eine Unternehmensform gesucht, die den einzelnen Länderstandorten mehr Autonomie und Flexibilität ermöglicht. In der Konsequenz firmieren die Niederlassungen in Deutschland, der Schweiz und Asien nunmehr als eigenständige Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Versammelt werden sie in einer vom Mutterhaus in München geleiteten Holding, die ihrerseits als AG firmiert.

Das oftmals praktizierte Gegenmodell, nach dem Vorprojekt einem lokalen Partner die Projektarbeit zu übertragen und somit auf eine Präsenz vor Ort zu verzichten, weist gerade bei komplexen Bauaufgaben ein gewisses Risiko auf und ist für uns nicht immer praktikabel.

Management, Knowledge-Pool, Recruiting

Parallel zur wachsenden Autonomie der Standorte geht ein interner Umwandlungsprozess einher, der gänzlich unabhängig von räumlichen Gegebenheiten ist. Es ist der eingangs angesprochene Gedanke, die enormen Ressourcen eines verlässlichen Kreises langjähriger Mitarbeiter in einen Knowledge-Pool umzuwandeln, der der Gruppe standortübergreifend zur Verfügung steht. Um diesen Gedanken umzusetzen, haben wir Verantwortungsbereiche erarbeitet, die von führungsstarken Mitarbeitern als Geschäftsleiter besetzt sind.

Sonderbereiche, wie die Objektüberwachung oder das BIM- und Designstandards-Management, agieren ebenfalls als eigenständige Firmen im Rahmen der Holding. Damit erreichen wir eine gezielte Bündelung in diesen hochspezialisierten Bereichen und können das konzentrierte Wissen an alle Teilbereiche der Gruppe weiterreichen. Investitionen, Datensammlung und Recruiting können so zentral organisiert werden und kommen doch allen zugute.

Auch führen wir In-House-Lectures durch, in denen sehr spezifisches Fachwissen unserer Projekt- und Geschäftsleiter an die jungen Kolleginnen und Kollegen vermittelt wird. Das hat den doppelten Effekt, dass nicht nur Wissen weiterge-reicht wird, sondern dass auch ein intensiver Austausch über aktuelle Projekte stattfinden kann und neue Ideen entwickelt werden.

Signature Architecture trotz Kollektivität

In der Architektur liegt eine der größten Gefahren einer wachsenden Firma darin, dass die Architektursprache bei zu viel Kollektivität verwässert wird. Wird die Signatur der „Marke Nickl“ noch zu erkennen sein, wenn alle mitreden dürfen? Auch uns hat diese Sorge umgetrieben. Um unsere Handschrift, die Qualität unserer Architektur zu schützen und zu bewahren, haben wir daher einen Gestaltungsbeirat ins Leben gerufen. Dieses Gremium tourt regelmäßig durch die Standorte und diskutiert in offenen Kolloquien die aktuellen Projekte. So wird Wissen einerseits aus Senior-Generation an die Jungen weitergereicht, andererseits findet ein kreativer Austausch zwischen den Standorten statt. Natürlich darf dieser Beratungsprozess individuelle Architekturhandschriften von Kolleginnen und Kollegen nicht zerstören. Es ist ein wahrer Balanceakt zwischen Tradition und Innovation.

Change-Management = Reden, reden, reden!

Eine Umstrukturierung bedeutet immer, dass alte eingefahrene, vielleicht auch bequem gewordene Muster durchbrochen werden und durch Neues ersetzt werden. Das wirbelt ein bisschen Staub auf und es bedarf eines langen, intensiv begleiteten Kommunikationsprozesses. Dieser Prozess, der auf allen Ebenen intern und nach allen Seiten außerhalb des Büros geführt werden muss, ist auf keinen Fall zu unterschätzen. Eventuell sollte sogar das Einbinden eines professionellen Change-Managements erwogen werden, um Unsicherheiten der eigenen Mitarbeiter wie auch der Geschäftspartner gleich zu Beginn zu begegnen. Wichtig war uns, die internen Umstrukturierungen in keiner Weise auf die Projektarbeit einwirken zu lassen. Unserer Bauherrschaft konnten wir während des gesamten Umstrukturierungsprozesses absolute Kontinuität gewährleisten.

Wenn wir nun dieses Jahr das 40-jährige Bestehen von Nickl & Partner Architekten feiern, können wir das in dem guten Gewissen tun, die Weichen für eine zukunftsoffene und flexible Firmenstruktur gestellt zu haben, die einerseits traditionelle Werte weiterträgt und zum anderen die Verantwortung für die Herausforderungen der Zeit der neuen Generation übertragen hat.

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