Atelier Fanelsa

Atelier Fanelsa ist ein internationales Team von Architekt*innen mit Standorten in Berlin und Gerswalde (Brandenburg). Das Atelier untersucht zeitgenössische Formen des Wohnens, Arbeitens und Gemeinschaffens auf dem Land, in der Peripherie und in der Stadt und realisiert private Bauprojekte, öffentliche Gebäude, Workshops und Ausstellungen.
Warum brauchen wir eine Experten-Laien-Kommunikation in der Architektur?
Wir vom Atelier Fanelsa denken, dass Baukultur wie jede kulturelle Praxis einer Vermittlung auf allen gesellschaftlichen Ebenen bedarf. Wir stützen uns dabei vor allem auf unsere Erfahrung aus unserer Tätigkeit im ländlichen Raum. Selbst kleine Projekte haben im Kontext eines Dorfes einen Einfluss auf die gesamte Struktur. Dabei wollen wir im Austausch hierüber gar nicht zwischen Experte und Laie differenzieren. Wir betrachten alle an der Baukultur beteiligten Protagonisten möglichst gleichwertig. Bewohner*in, Architekt*in, Auf­traggeber*in und Handwerker*in können ihre Kompetenzen einbringen und voneinander lernen. Für uns ist es wichtig, durch diesen Prozess weg von einer Konsumenten- und hin zu einer Produzentenhaltung zu kommen. Wir selbst versuchen, im ländlichen Raum durch Beteiligungsformate, wie anwendungsbezogene Workshops, niederschwellige Anreize für den Austausch über ­Architektur zu schaffen. Genauso wichtig ist es, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Kommunika­tion bei allen am Bau Beteiligten zu schaffen. Beispielsweise ein Zimmermann, der nicht mehr die umweltschädliche Mineralwolle verbauen möchte und dies auch selbstständig gegenüber dem Bauherrn vertritt. Wir denken, dass eine solche Kommunikation bereits ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Wie lässt sich Architektur vermitteln? Mit welchen Medien arbeitet ihr?
In der Workshop-Reihe Orte ländlicher Praxis untersuchen wir das Potential von Architekturen im ländlichen Raum hinsichtlich der Konstruktion, der Baustoffe und Textilien, aber auch anhand der lokalen Besonderheiten wie der Landschaft oder der Kulinarik. Sie finden über das Jahr verteilt in verschiedenen ländlichen Regionen Brandenburgs statt. In Workshops untersuchen Dozent*innen jedes dieser Themenfelder gesondert und in Beziehung zu einander. Die Dozent*innen setzten sich gemeinsam mit den Teilnehmer*innen aktiv mit der Umgebung, ihren lokalen Qualitäten und Ressourcen auseinander. Teil des ganzheitlichen Ansatzes ist, dass die Teil­nehmer*innen mehrere Tage vor Ort leben und arbeiten. Wir binden lokale „Experten des Alltags“, sowie internationale Gäste ein. Die Teilnehmer erlernen verschiedene technische Praktiken und setzen sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Kulturlandschaft und gebautem Raum auseinander. So erhalten sie auch Einblick in den Alltag und das Leben der Bevölkerung. In den Workshops erleben wir den ländlichen Raum und das gemeinschaftliche Zusammenleben. Rückzugsräume und private Flächen sind kleiner auf dem Land, dafür die Gemeinschaftsflächen, wie große Säale und Tafeln an denen täglich zusammen gegessen wird, größer.
Und welche Zielgruppe erreicht ihr?
Je nach Thema und Ort versuchen wir unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Allgemein sind es Personen, die ein Interesse an der Gestaltung ihrer unmittelbaren Umgebung haben. Dies können Hausbe­sit­zer*innen sein, die mehr über Kalkputz erfahren möchten, Stadtbewoh­ner*innen, die gerne aufs Land ziehen würden oder Handwerker*innen die ihr Netzwerk erweitern möchten. Dadurch ergeben sich oft sehr heterogene Teilnehmergruppen, die im Rahmen eines rein studentischen Seminars nicht zustande kämen. Durch die unterschiedlichen Hintergründe entwickeln sich im Verlauf des Workshops oft Gespräche zu Themen, die anfangs gar nicht vorgesehen waren.
Gemeinsam mit lokalen Koope­rationspartner*innen binden wir die Workshops in den jeweiligen Kontext ein. Den Parter*innen vor Ort bieten wir oft zwei Plätze im Workshop an, die sie an Personen aus der Region vermitteln sollen, wie Jugendliche, die sich nicht selbst angemeldet hätten. Weitere indirekte Teilneh­mer*innen sind Personen aus dem Ort, die wir über eine praktische Beteiligung in unser Projekt involvieren: wie Gartenbesitzer*innen, Förster*innen, oder Gasthausbetreiber*innen.
Zu jedem Ort, der die Beiträge der Dozent*innen und der internationalen Gäste einem größeren Kreis zugänglich macht, konzipieren wir gemeinsam mit bus.group eine Videoarbeit.
Welche Erfahrungen habt ihr in der interdisziplinären Zusammenarbeit bei euren Projekten gemacht?
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit funktioniert für uns gleichwertig auf internationaler wie lokaler Ebene. Wir versuchen internationale Perspektiven über unsere Dozenten*innen und Gastbeiträge in die Workshops einzubinden. So wollen wir universelle Muster im lokalen Kontext identifizieren, die auch an anderen Orten gültig sind. Städte und urbane Zentren sind oft gut international vernetzt. Wir sehen ein Potential, diese internationale Vernetzung auch auf einer ländlichen Ebene herzustellen.
Jeder Workshop findet an einem bestimmten Ort, in einem bestimmten Rahmen und mit einem Netzwerk bestimmter Personen statt. Ziel ist es, ein Verständnis für den ländlichen Raums aus dem ländlichen Raum selbst zu entwickeln. Die Workshops finden dank großzügiger Be­woh­ner*innen und lokaler Aktivist*innen statt, die ihre Gärten, Werkstätten und Wohnungen für die Teilnehmenden öffnen und ihr Wissen, ihre Ressourcen und ihre Werkstätten mit uns teilen.
Die Bilder wurden beauftragt vom Canadian Center for Architecture im Rahmen des Projektes Patterns of Rural Commoning für das 2019-2020 Emerging Curator Program.
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