Prognose der Baukosten

Ohne eine Prognose der Baukosten bis zum Zeitpunkt der Kostenfeststellung können leicht Missverständnisse aufkommen oder unerwartete Mehrkosten auftreten. Wie kann eine realistische Kostenplanung nach DIN 276 aussehen?

Investitionen nach DIN 276

Die Finanzierung eines Bauvorhabens obliegt dem Bauherrn. Um die Finanzierbarkeit – und gegebenenfalls die Wirtschaftlichkeit – einer Maßnahme einschätzen zu können, benötigt er frühzeitig eine erste nachvollziehbare und belastbare Aussage über die Höhe der zu erwartenden Kosten (Investition).

Hierfür definiert die DIN 276 als erste Stufe der Kostenermittlungen den Kostenrahmen. Dieser soll auf der Grundlage quantitativer und qualitativer Bedarfsangaben aufgestellt werden. Angaben zum Grundstück, soweit vorhanden, und zur Erschließung, Angaben zur Organisation und zum terminlichen Ablauf sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Das Aufstellen des Kostenrahmens ist keine Grundleistung nach HOAI. Der Objektplaner – Architekt oder Ingenieur – darf einen Kostenrahmen oder vergleichbare Vorgaben vom Auftraggeber erwarten. Er ist zudem verpflichtet, die finanziellen Rahmenbedingungen des Projekts zu erfragen.

Der Kostenrahmen soll – wie alle anderen Kostenermittlungen auch – die Gesamtkosten (KG 100 – 800 nach DIN 276:2018-12) umfassen. Angaben zur Umsatzsteuer (Brutto- oder Netto-Angabe) sowie des Kostenstands, z. B. 4. Quartal 2019, sind unverzichtbar. Zum Zeitpunkt des Kostenanschlags liegen in der Regel noch keine Skizzen, Modelle oder genauen Berechnungen vor. Diese sind Ergebnis der Vorplanung einschließlich der Kostenschätzung und dem Vergleich mit den finanziellen Rahmenbedingungen oder dem Kostenrahmen. Bei größeren Projekten und einer längeren Planungszeit kann die Kostenschätzung zu einem anderen Kostenstand aufgestellt werden als der Kostenrahmen. Das gilt für die weiteren Planungen und die Ausführung ebenso.

Kostenplanung mit Kalkulation der Preissteigerungen

Vor etwa zehn Jahren waren die Preissteigerungen auf dem Markt für Bauleistungen noch verhältnismäßig gering. Sie machten wenige Prozentpunkte pro Jahr aus. Deswegen wurde ihnen bei der Kostenplanung in den frühen Leistungsphasen häufig nur geringe Beachtung geschenkt. Seit knapp drei Jahren steigen dagegen die Baupreise überproportional stark. Derartige Preisentwicklungen sind seit den 1950er-Jahren noch nicht vorgekommen. Preiserhöhungen im zweistelligen Bereich nicht nur bei Elektro- oder Klimatechnik sind an der Tagesordnung. Vielfach werden von den ausführenden Unternehmen auf Anfragen oder Ausschreibungen gar keine Angebote mehr abgegeben.

Baumaßnahmen dauern überwiegend mehrere Jahre. Bei einer länger anhaltenden überdurchschnittlichen Teuerung der Bauleistungen entstehen – nominal betrachtet – Mehrkosten, die als erhebliche Kostenüberschreitungen wahrgenommen werden. Auch wenn die am Projekt Beteiligten diese nicht verursacht haben, steht doch nicht selten die Frage nach einem Schuldigen im Raum.

Wie kalkuliere ich Preissteigerungen bei Bauprojekten?

Wie sich Preissteigerungen über mehrere Jahre „aufschaukeln“ können, lässt sich mit Hilfe der Zinseszinsrechnung anschaulich darstellen (vgl. Tabelle 01).

Tabelle 01: Preissteigerungen in Prozent (%), Betrachtungszeiträme in Jahren (n) und Teuerungsfaktoren (Zinseszinsfaktor)
Abb.: Wolfdietrich Kalusche

Tabelle 01: Preissteigerungen in Prozent (%), Betrachtungszeiträme in Jahren (n) und Teuerungsfaktoren (Zinseszinsfaktor)
Abb.: Wolfdietrich Kalusche

Es werden Beispiele erläutert. Eine jährliche Preissteigerung von 2 bis 3 % in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren führt zu einer Preissteigerung zwischen rund 4 bis 9 %. Das war lange Zeit der Normalfall. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Preissteigerung von 6 % steigt der Preis innerhalb von drei Jahren um den Faktor 1,191 oder knapp 20 %. Bei 7 % in sechs Jahren steigt er um den Faktor 1,501 oder rund 50 % und bei 8 % in neun Jahren steigt er sogar um den Faktor 1,999 oder rund 100 % auf das Doppelte.

Auch bei geringen Preissteigerungen müssen sich Bauherr, Architekt und Ingenieure mit diesem Thema befassen, indem sie bei Projektbeginn entweder einen Preissteigerungsfaktor annehmen oder einen angemessenen Mehrkostenbetrag für die Planung – Kostenplanung, Finanzierung, Wirtschaftlichkeitsrechnung – ansetzen.

Unabhängig davon werden die Kostenermittlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erstellt und erhalten eine Angabe zum Kostenstand. Insofern ist es konsequent, die Kostenwerte entsprechend der Preissteigerung auf dem Markt für Bauleistungen zu indexieren. Hierfür bietet sich zunächst einmal der Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes (destatis.de) an. Zurzeit drängt sich jedoch die Vermutung auf, dass der amtliche Baupreisindex die tatsächliche Entwicklung in der Bauwirtschaft angemessen abbildet.

Indexierung der Kostengruppen

Wenn ein Grundstück (KG 100 n. DIN 276) Eigentum des Bauherrn ist, wird es nicht indexiert. Alle Planung-, Beratungs- und Bauleistungen (KG 300–700 n. DIN 276) werden bis zum Zeitpunkt der Beauftragung indexiert und dann nicht mehr. Die Vergütung von Architekten- und Ingenieurleistungen wird in der Regel auf Grundlage der anrechenbaren Kosten der Kostenberechnung ermittelt. Bei den Bauleistungen erstreckt sich die Beauftragung der jeweiligen Fachlose – außer bei einer GU-Vergabe – über mehrere Wochen oder Monate. Entsprechendes gilt für die Ausstattung.

Tabelle 02: Stufen der Kostenermittlung und Kostenstand
Abb.: Wolfdietrich Kalusche

Tabelle 02: Stufen der Kostenermittlung und Kostenstand
Abb.: Wolfdietrich Kalusche

Die Bauzeitzinsen (KG 800 n. DIN 276) unterliegen nicht der Indexierung. Sie werden aus der Verzinsung des im Projekt gebundenen Kapitals in Grundstück und Bauprojekt ermittelt. Die Projektdauer und der Zinssatz sind die entscheidenden Variablen der Berechnung.

Fazit

Mit Hilfe von Kostenstand, Preisindexierung und Prognose kann eine Kostensteigerung von Vornherein eingeschätzt und im Nachhinein erklärt werden. Bei den inflationsbedingten Kostensteigerungen handelt es sich um nominale Wertänderungen. Wenn gleichzeitig der Wert der Immobilie (Verkauf, Vermietung) in etwa gleichem Maße steigt, entsteht dem Bauherrn kein Schaden. Voraussetzung ist, dass der Bauherr die gestiegenen Kosten seines Bauvorhabens finanzieren kann.

Bei der Kostenplanung ist für jeden Kostenwert und jede Kostenermittlung immer der Kostenstand anzugeben. Preisentwicklungen müssen jederzeit beobachtet werden. Bei einem Bauvorhaben darf eine Kostenprognose in keinem Fall fehlen. Das gilt umso mehr in Zeiten stark steigender oder schwankender Baupreise.


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