Militärhistorisches Museum Dresden
www.mhmbw.de, daniel-libeskind.com

Ach, was muss dieses Museum alles schultern! Gewehre sowieso, Säbel auch, ja Bomben und Raketen zeigt es in seinem, von einem Beton-Keil mit Stahlspitzen-Applika­tionen zerschossenen Bau. Kinderspielzeug gibt es hier zu sehen, Kriegsspielzeug, das eine oder andere davon selbst Opfer eines Krieges, zerschmurgelt von Brandbomben-abwürfen über der Stadt, in welcher der Altneubau nun eröffnet wurde: Dresden.

Am nördlichen Stadtrand steht das gerade eröffnete Museum gut bewacht auf Bundeswehrgelände. Und dennoch von dem schon angesprochenen Keil massakriert; scheinbar, denn nähme man die fliegende Keilspitze auf der Süd- und Eingangsseite eines Tages wieder herunter, wäre keine Wunde in der Altbaufassade zu sehen. Den also hinter der Fassade lauernden Keil pflanzte der Architekt Daniel Libeskind in Nord-Süd-Richtung, und die eigentlich fein gestrebte Spitze des betonharten Spaltwerkzeuges zeigt mit großer Geste auf den Punkt in der Stadt, den die alliierten Streitkräfte im Februar 1945 anvisierten zur Orientierung ihrer verheerenden Luftangriffe.

Sieben Jahre hat die Umbau- und Baugeschichte des neuen Militärhistorischen Museums gedauert, statt 35 Mio. hat er 62,5 Mio. € gekostet. Die ursprünglich Königliche Arsenal-Sammlung (1897), die ab 1972 das „Armeemuseum der DDR“ war, wurde 1994 zum Leitmuseum im Museums- und Sammlungsverbund der Bundeswehr. Mit der Einberufung eines wissenschaftlichen Beirats 1998 begann der Prozess der inhaltlichen-gestalterischen und im Anschluss auch der architektonischen Neugestaltung. Und die soll, so jedenfalls die Planer, nicht nur für sich stehen, sondern auch dem heute urbanen Niemandsland Albertstadt neue Impulse verleihen.

Mit mehr als 13 000 m² Ausstellungsfläche ist das MHM das größte militärhistorische Museum Deutschlands; was nichts heißen soll, worauf aber auch in den Eröffnungsreden am 14. Oktober immer wieder hinge­wiesen wurde. Das Museum soll, so der Bundesminister der Verteidigung de Maizière, provozieren und „im besten Sinne des Wortes anstößig“ sein. Was der scheinbar gewaltsam in die Gebäudesymmetrien und Gebäudehierarchien getrieben Keil nicht allein leisten kann, es geht um Neukonzeption und damit Perspektivwechsel. Der Mensch, so de Maizière, rücke im MHM in den Fokus, „als Beobachter und Chronist, als Täter und Opfer.“ Und Krieg solle als das gezeigt werden, was er „eigentlich“ ist: „Eine ins Extreme gesteigerte Form menschlicher Gewalt.“ Das Museum soll auch Bildungsstätte für seine Soldaten sein, und er zitiert den preußischen General von Scharnhorst, der anmerkte, dass Bildung das Militär verfeinere. Damit kann im besten Falle die Verflüchtigung alles Militärischen gemeint sein; wenn Bildung auch Erkenntniszugewinn ist.

Doch des Ministers gewundene Ausführungen zur Tradition (die passend am Ende der Veranstaltung mit dem Absingen der Nationalhymne untermalt wurden) zielten auf anderes, die nicht bloß unkritische sondern meliorative Verwendung des Begriffes „esprit de corps“ (nichts anderes als der unselige Korpsgeist), seine These von der den Frieden erzwingenden (Staats)Gewalt als letztes Mittel etc. deuten auf die im ganzen „Unternehmen Neukonzeption/neue Perspektiven“ angelegt Schwäche der reinen Nabelschau. Was Krieg ist kann kein Museum vermitteln. Wir Besucher werden als glückliche Kinder innerdeutscher Friedensjahrzehnte am Ende des von oben nach unten kreiselnden Rundganges aufgeklärt und gesund an Körper und mit verfeinertem Geist das Museum wieder verlassen können; das ist im Krieg anders.

Die Architektur, insbesondere seine große Geste, die Daniel Libeskind deutlich abstrakter beim Jüdischen Museum in Architektur umgesetzt hatte, realisierte mit mehr Glaubwürdigkeit der Österreicher Günther Domenig 1998 mit seinem „Pfahl“ im ehemaligen NS-Kongresszentrum in Nürnberg (eröffnet 2001). Denn was Libeskind in Dresden räumlich durchexerziert, ist eben nicht die in Beton gegossene Gewaltgeschichte, sie ist Ausdruck eines Entwurfsrepertoires, das der Architekt für seine höchst elaborierte wie reflexive Betroffenheitsarchitektur entwickelt hat; die im Dresdner Ausstellungshaus allerdings funktioniert, dem chronologischen Abarbeiten von über 10 000 Exponaten dienenden, weitläufigem Altbau sei es gedankt. Bis Anfang 2012 ist der Eintritt frei.

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