Bebauungspläne – Fluch oder Segen?

An der Schnittstelle zwischen Architektur und Städtebau vermitteln B-Pläne die Interessen von Gesellschaft und Individuum. Planende können das Instrument nutzen, um die Interessen ihrer Auftraggeber zu schützen. Doch es gibt auch Fallstricke.

Ein Bebauungsplan wird entweder als Satzung oder Rechtsverordnung festgesetzt und regelt verbindlich die möglichen Nutzungen der Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans entsprechend den städtebaulichen Zielen. Der Bebauungsplan regelt Art und Maß der möglichen Grundstücksnutzung. So kann der Bebauungsplan Festlegungen von Wohngebieten, Mischgebieten und/oder Gewerbe-/Industriegebiete enthalten. Der Bebauungsplan kann aber auch regeln, dass gar nichts gebaut werden darf, indem Grünflächen festgesetzt werden. Üblich sind auch die Bebauung einschränkende Festsetzungen wie Baugrenzen, Baulinien oder Bebauungstiefe, Anzahl der Vollgeschosse, Bauweise, die Versiegelungsqualität und Versiegelungsdichte, vgl. § 9 BauGB. Ein guter Bebauungsplan hilft dem Planer bei der Beratung des Bauherrn zu seinem Bauprojekt und der anschließenden genehmigungsfähigen Planung. Es gibt zudem die Möglichkeit, von Festsetzungen des Bebauungsplans Ausnahmen oder Befreiungen zu beantragen, vgl. § 31 BauGB.

Es lassen sich drei Arten von Bebauungsplänen unterscheiden. Der einfache Bebauungsplan, der qualifizierte Bebauungsplan und der vorhabenbezogene Bebauungsplan. Bei einem einfachen Bebauungsplan wird die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nicht vollständig geregelt. Dort wo Festsetzungen fehlen, richtet sich die Zulässigkeit nach § 34 BauGB für den Innenbereich und nach § 35 BauGB nach dem Außenbereich. Ein qualifizierter Bebauungsplan liegt dagegen vor, wenn der Bebauungsplan mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält.

Der Planer kommt demnach spätestens im Zuge seiner Planung mit einem vorhandenen Bebauungsplan in Berührung. Er kann aber auch auf „der anderen Seite“ stehen, in dem er im Auftrag einer Gemeinde oder Stadt einen Bebauungsplan entwirft und damit aktiv gestaltet, was städtebaulich in Zukunft gebaut werden darf.

In beiden Varianten muss sich der Planer mit einer Vielzahl an rechtlichen Regelungen befassen, um nicht eine mangelhafte Planung oder einen unwirksamen Bebauungsplan zu riskieren. Dies vor allem, weil sowohl der erlassene Bebauungsplan als auch die auf dessen Basis erlassene Baugenehmigung später wieder revidiert und zurückgenommen werden können, mit der Folge, dass sich die Planung dann ggf. als nicht genehmigungsfähig herausstellt.

Der Planer als städtebaulicher Planer

Wenn der Planer – beauftragt z.B. durch die Gemeinde oder Stadt – die Aufgabe der städtebaulichen Planung übernimmt und einen Bebauungsplan entwerfen soll, so muss (je nach beauftragtem Leistungsumfang) der Planer das Plangebiet analysieren (Bestandserhebung, Nutzung, Topografie, Erschließung, städtebauliche Mängel etc.) städtebauliche Entwürfe erarbeiten (Nutzungskonzepte, Erschließung, Grünflächen, Maß der baulichen Nutzung (GFZ, GRZ, Bauweise), sich mit Behörden abstimmen (Beteiligung der Träger öffentlicher Belange - § 4 BauGB) sowie die Öffentlichkeit frühzeitig beteiligen (§ 3 BauGB). Anschließend müssen Planunterlagen erstellt (zeichnerischer Teil des B-Plans, textliche Festsetzungen, Begründung, Umweltbericht) und das Planverfahren begleitet werden (Mitwirkung bei Offenlage, Abwägung der Stellungnahmen, ggf. Plananpassungen).

Wenn der Planer diese städteplanerischen Aufgaben übernimmt, kann er nach der derzeit geltenden Fassung der HOAI (2021) ein Honorar frei vereinbaren oder nach dem Leistungsbild „Bebauungsplan“ gemäß § 19 HOAI abrechnen. Das Leistungsbild ist in drei Leistungsphasen (Vorentwurf, Entwurf zur öffentlichen Auslegung, Planfassung) unterteilt, die wiederum in Grund- und besondere Leistungen untergliedert sind.

Die Haftung des städtebaulich tätig gewordenen Planers ist vielfältig und kompliziert. Stellt sich heraus, dass der Bebauungsplan unwirksam ist und erfolgreich angefochten wurde, entsteht der Gemeinde oder Stadt nicht nur ein Schaden durch das erneute Durchführen eines Bebauungsplanverfahrens, sondern auch eine Inanspruchnahme von Grundstückseigentümern wegen z.B. einem enteignungsgleichen Eingriff.

Eingriffe in das Eigentum

Nehmen wir an, der Bebauungsplan setzt rechtswidrig eine Fläche als Grünfläche, anstatt Bauland fest. Der von der Festsetzung betroffene Eigentümer verkauft das Grundstück nur zu einem äußerst niedrigen Preis, da er mit einer Grünfläche nicht viel anfangen kann. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass die Festsetzung als Grünfläche fehlerhaft, der gesamte Bebauungsplan gar unwirksam war und das Grundstück wieder als Bauland einzustufen ist. Dann wäre mit dieser Festsetzung ein erheblicher Eingriff in das Eigentum verbunden gewesen, der unter Umständen auch zu Amtshaftungsansprüchen der Gemeinde/Stadt führen kann. Die Gemeinde/Stadt kann dann beim Planer Regress nehmen, wenn der Fehler, bzw. der Mangel des Bebauungsplans auf seinen erbrachten Leistungen beruht. Ein weiterer Schaden und damit Regress droht von den Eigentümern, die aufgrund ihres Vertrauens in die Wirksamkeit des Bebauungsplans Vermögensdispositionen getroffen haben, die sich nach der Unwirksamkeit des Bebauungsplans als nutzlos herausstellen. Wegen dieser Schäden wird die Gemeinde/Stadt üblicherweise versuchen sich beim Planer schadlos zu halten.

Besonders schadensintensiv gestalten sich auch konkrete vorhabenbezogene Bebauungspläne die z.B. eine umfangreiche Produktionsstätte auf einem Grundstück ausweisen und sich dann, wenn von dem Grundstückseigentümer mit der Planung und dem Bau der Produktionsstätte begonnen worden ist, der Bebauungsplan erfolgreich angegriffen und vom Gericht für unwirksam erklärt wird, mit der Folge, dass eine Produktionsstätte baurechtlich gar nicht zulässig ist. Ein bedeutender Schaden würde auch schon dann entstehen, wenn die Planungs- oder Bauarbeiten einstweilen eingestellt werden müssen, bis ggf. ein neuer wirksamer Bebauungsplan aufgestellt worden ist.

Haftung des Planers

Ist der Planer z.B. mit der Entwurfs- und Genehmigungsplanung beauftragt, schuldet er eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung, anderenfalls wäre die Planung mangelhaft und der Architekt haftet den Bauherrn gegenüber für den entstandenen Schaden. In Bezug auf die Genehmigungsfähigkeit muss der Planer daher auch einen für das Vorhabengrundstück geltenden Bebauungsplan beachten. Dies gilt auch, wenn die Bauaufsicht trotzdem eine Baugenehmigung erteilt. Die Planung muss dauerhaft genehmigungsfähig und darf nicht z.B. durch die Rücknahme einer rechtswidrigen Baugenehmigung gefährdet sein. So auch in einem schon älteren, aber immer noch aktuellem Fall, den das Oberlandesgericht München zu entscheiden hatte (OLG München , Urt. v. 02.07.1990 – 28 U 6783/89). Dort wurde einem Bauherrn nach der Genehmigungsplanung seines Architekten für ein Einfamilienwohnhaus mit Einliegerwohnung die Baugenehmigung erteilt, woraufhin mit dem Bau begonnen wurde. Die Bauaufsicht nahm später die rechtswidrige Baugenehmigung zurück, da diese gegen die Festsetzungen des dort geltenden Bebauungsplanes verstieß. Der Bau durfte in der beantragten Form nicht fortgeführt werden. Die Bauleistungen wurden wieder abgebrochen und das Grundstück verkauft. Der Schaden, der entstand ,betrug immerhin 200 000,00 DM.

Es ist daher eine Fehlvorstellung, wenn Architekten die Auffassung vertreten, dass sie bei Erteilung der Baugenehmigung durch die Bauaufsicht von jeglicher Verantwortung befreit wären. Eine weit verbreitete Konstellation kann zu gleichen Ergebnissen führen: ein Nachbarwiderspruch gegen die Baugenehmigung führt zu deren Aufhebung.

Die ständige Rechtsprechung stellt fest, dass der mit der Entwurfs- oder Genehmigungsplanung beauftragte Architekt die zur Lösung dieser Aufgabe notwendigen Kenntnisse auf dem Gebiet des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts besitzen muss (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 17. April 1980 – III ZR 167/78, vom 25. Oktober 1984 – III ZR 80/83, vom 19. März 1992 – III ZR 117/90). Hierbei muss der Architekt insbesondere beachten, ob während der Planungsphase ggf. ein Bebauungsplan in Kraft tritt, der dem Bauvorhaben entgegensteht. Der Architekt muss im laufenden Planungsverfahren dann – grundsätzlich bei gleichbleibendem Honorar – eine alternative Planung anbieten, die dem geltenden Baurecht entspricht (vgl. z.B. OLG Stuttgart, Urteil vom 28. November 2017 – 10 U 68/17). Besondere Vorsicht muss der Architekt daher walten lassen, wenn es einen öffentlich bekanntgemachten Aufstellungsbeschluss über einen zukünftigen Bebauungsplan gibt. Dann kann das Bauvorhaben nicht einfach ohne die zukünftig geplanten Festsetzungen geplant werden (vgl. z.B. OLG Celle, Urteil vom 7. Februar 2024 – 14 U 12/23).

Von der Verantwortung, eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung zu erstellen, kann sich der Architekt vom Bauherrn zwar befreien lassen. Die Anforderungen hieran sind allerdings sehr hoch. Notwendig hierfür ist eine ordnungsgemäße (nachweisbare) Bedenkenanzeige des Architekten, die den Bauherrn in die Lage versetzt, tatsächlich, rechtlich und wirtschaftlich die Folgen einer nicht genehmigungsfähigen Planung sowie deren bauliche Umsetzung zu erfassen und zu verstehen. Insbesondere, dass eine von der Bauaufsicht ausgestellte Baugenehmigung nicht unumstößlich ist. Sodann muss der Architekt aus dem Verhalten des Bauherrn den Schluss ziehen dürfen, dass dieser an der aus Sicht des Architekten bedenklichen Leistung festhalten will (Beweislast trägt der Architekt!). Dies nachzuweisen ist in der Praxis schwierig, da vom Bauherrn hierzu meist nie eine schriftliche Stellungnahme abverlangt wird.

Fazit: Prüfen ist besser als Vertrauen

Im Ergebnis kann ein Bebauungsplan Fluch und Segen zu gleich sein. Auf der einen Seite konkretisiert er die zulässigen Bauvorhaben im Geltungsbereich, schränkt aber die planerische Gestaltungsfreiheit auch erheblich ein. Planer müssen stets im Blick haben, ob es Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen oder gar Überprüfungsverfahren gibt, sogenannte Normenkontrollverfahren, die den Bebauungsplan wieder für unwirksam erklären könnten. Schließlich darf sich auch nicht blind auf eine Baugenehmigung der Bauaufsicht verlassen werden, da diese von der Bauaufsicht selbst oder vom Gericht auch wieder beseitigt werden kann. In Zweifelsfällen sollte der Planer daher zwingend nachweisbar einen klar verständlichen Bedenkenhinweis an seinen Auftraggeber versenden und um eine entsprechende Entscheidung bitten.

----------------Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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