Architekt haftet trotz "Delegation" der Bauüberwachung für Tod zweier Arbeiter
LG Düsseldorf, Urteil vom 03.04.2025 – Az.: 020 KLs 17/22Ein tragischer Einsturz eines Altbaus führte zur Verurteilung eines Architekten wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Das Landgericht Düsseldorf nahm den Fall zum Anlass, die bauordnungsrechtliche Verantwortung von Architekt:innen bei umfassender Beauftragung nach der HOAI zu präzisieren – mit weitreichenden Konsequenzen für die Berufspraxis.
Ein Bauherr beauftragte einen Architekten mit den Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß § 34 Abs. 3 HOAI für die Sanierung eines über 100 Jahre alten Gebäudes. Für u.a. die Objektüberwachung (Leistungsphase 8) schaltete der Architekt einen Nachunternehmer ein, mit dem er bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte.
Der Nachunternehmer war zwar erfahren in der Bauleitung, verfügte jedoch nur über eine Ausbildung als Elektrikergeselle – ohne bauphysikalische oder statische Fachkenntnisse. Im Rahmen der Bauausführung wies der Nachunternehmer dann ein Abbruchunternehmen an, tragende Wanddurchbrüche vorzunehmen. Wenige Stunden nach den Arbeiten stürzte das Gebäude ein; zwei Arbeiter kamen dabei ums Leben.
Das Landgericht Düsseldorf (Strafgericht) musste klären, ob der Architekt pflichtwidrig gehandelt hatte, obwohl er die Bauüberwachung faktisch delegiert hatte.
Das Gericht bejahte eine Pflichtverletzung des Architekten und sah in seinem Verhalten eine fahrlässige Tötung durch Unterlassen (§ 222 StGB).
Nach Auffassung der Kammer hatte der Architekt durch die umfassende Beauftragung mit den Leistungsphasen 1–8 auch die Funktion des verantwortlichen Bauleiters im Sinne von § 56 Abs. 1 BauO-NW übernommen. Diese Rolle könne nicht allein durch die Beauftragung eines Nachunternehmers abgegeben werden.
Der Architekt hätte daher:
- die fachliche Qualifikation des Nachunternehmers überprüfen müssen,
- für die sorgfältige Auswahl und Überwachung der bauausführenden Unternehmen sorgen müssen,
- den Nachunternehmer zu den Anforderungen des Gefahrenschutzes und der Verkehrssicherungspflichten instruieren müssen,
- und die Baustelle stichprobenartig kontrollieren sollen.
Da der Nachunternehmer für die Bauleitung in statisch sensiblen Bereichen nicht ausreichend qualifiziert war, hätte der Architekt selbst oder ein weiterer qualifizierter Fachbauleiter hinzugezogen werden müssen.
Zudem erkannte das Gericht weitere, wenn auch nicht todesursächliche Pflichtverletzungen: Der Architekt habe keine Substanzerkundung veranlasst und nicht auf die Notwendigkeit eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators (SiGeKo) hingewiesen.
Der Architekt wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.
Besonders hervorzuheben ist der Ansatz des Gerichtes, dass die Beauftragung der Leistungsphasen 1 bis 8 nach § 34 Abs. 3 HOAI automatisch zur Übernahme der bauordnungsrechtlichen Bauleiterverantwortung führt. Diese Gleichsetzung ist in der Fachliteratur umstritten, da sich die HOAI auf das zivilrechtliche Innenverhältnis und dann auch nur auf das Preisrecht zwischen Architekt und Bauherr bezieht, während die BauO-NW öffentlich-rechtliche Pflichten normiert.
Trotzdem macht das Urteil deutlich:
Die Delegation der Bauüberwachung entbindet Architekt:innen nicht von der eigenen Verantwortung. Wer Nachunternehmer einschaltet, muss deren Sachkunde prüfen, anleiten und kontrollieren – auch bei langjähriger Zusammenarbeit.