Aus der Rechtsprechung

Und wieder: Bauzeitverlängerung = zusätzliche Vergütung

Landgericht Berlin, Urteil vom 26.06.2025 – 12 O 74/22

Die Frage der Fragen im Architekten/Ingenieurhonorarrecht, ob bei einer Bauzeitverlängerung der Architekt eine zusätzliche Vergütung geltend machen kann, wurde mit Urteil vom 26.06.2025 vom Landgericht Berlin positiv entschieden.

Ein mit Leistungen der Leistungsphasen 5 bis 9 der Objektplanung zur Sanierung eines Museums beauftragter Architekt machte mit einer Abschlagsrechnung Ansprüche aus der bisher eingetretenen Bauzeitverlängerung in Höhe von 350.000,00 EUR geltend. Hierzu beruft er sich auf eine Klausel im Architektenvertrag – die den meisten Lesern aus der Vertragspraxis mit öffentlichen Auftraggebern wahrscheinlich hinreichend bekannt sein dürfte:

„Verzögert sich die Bauzeit durch Umstände, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, wesentlich, so ist für die nachweislich erforderlichen Mehraufwendungen eine zusätzliche Vergütung zu vereinbaren. Eine Überschreitung bis zu 20 v. H. der festgelegten Ausführungszeit, maximal jedoch sechs Monate, ist durch das Honorar abgegolten.“

Der Architekt machte geltend, dass sich die Bauzeit aus unvorhersehbaren Störungen, wie unvorhersehbare Probleme im Baugrund, Kündigungen von Fachplanern und Planungsänderungen, verlängert hat. Der Auftraggeber versuchte sich dagegen mit Schlechtleistungen des Architekten zu verteidigen.

Der Architekt leistet weiter, klagte aber auf Zahlung seiner geltend gemachten Abschlagsrechnung.

Das Landgericht Berlin stellt zunächst fest, dass sich die Bauzeit wesentlich und im Sinne der oben zitierten Klausel verlängert hatte. Anschließend hat das Landgericht festgestellt, dass sich die Bauzeit aus Gründen verlängert hat, die der Architekt nicht zu vertreten hatte – insoweit unterlag der Auftraggeber mit seiner Argumentation.

Bis hierhin klingt der Fall einfach? In der gerichtlichen Praxis musste der Architekt für die Geltendmachung dieses Anspruchs mit einer konkreten bauablaufbezogenen Darstellung aufzeigen, dass die jeweilige Behinderung zu einer Verzögerung von konkreten zeitlich vorgesehenen Bauarbeiten geführt hat und diese aufgrund der Behinderung nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden konnten. Ein solches baubetriebliches Gutachten ist teuer aber nach der Rechtsprechung zwingend erforderlich. Die darauf spezialisierten Büros schaffen es dann aber den vom Gericht geforderten Nachweis zu erbringen, sodass sich dann Nachträge in der hier geltend gemachten Größenordnung auszahlen.

Der Architekt konnte den Mehraufwand mittels einer Stundenaufstellung berechnen. Als Mehraufwendungen werden solche Ausgaben berücksichtigt, die der Architekt für die geschuldete Leistung tatsächlich hatte und die er ohne die Bauzeitverzögerung nicht gehabt hätte (vgl. auch Kammergericht, IBR 2006, 683). Angesetzt werden können demnach die tatsächlich angefallen Personalkosten zuzüglich der Kosten für den Arbeitgeberanteil zu den gesetzlichen Sozialversicherungen und einen Zuschlag für die Gemeinkosten. Dagegen kann nicht auf die vertraglich vereinbarten Stundensätze für die Erbringung zusätzlicher Leistungen abgestellt werden. Zwischen zeitabhängigen und nicht zeitabhängigen Leistungen muss indes nicht unterschieden werden. Es geht allein um die Mehrkosten (Ausgaben) die nach dem vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung anfallen. Dies gilt nach dem Landgericht Berlin nicht nur für die Bauüberwachung, sondern auch für die Leistungsphase 5.

Ein erfreuliches Urteil, welches die Rechte aller Architekten und Ingenieure stärkt, vor allem in Projekten, wo Auftraggeber sich mit Entscheidungen schwertun und dadurch die Projektabläufe unangemessen verzögern. Die hierfür erforderlichen baubetrieblichen Gutachten sind jeden Cent wert.


Foto: Privat

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