Studierende im Interview

Wir wünschen uns mehr Offenheit

Nexture+ ist ein unabhängiges Nachwuchsnetzwerk von jungen Planerinnen und Planern, das 2019 aus den Fachschaften an Architektur- und Innenarchitektur-Hochschulen hervorging. Wir unterhielten uns mit Teresa Immler und Johanna Ziebart vom nexture+ Präsidium über die Zukunft der Lehre und notwendige Änderungen in der Architektur- und Innenarchitekturausbildung aus Studierendensicht. Teresa Immler (25) arbeitet bei nexture+ im Präsidium sowie in der Arbeitsgruppe Nachhaltige Lehre mit. Sie studiert im Masterstudien­gang Architektur an der TU Berlin. Johanna Ziebart (28) hat einen Master in Innenarchitektur (TH OWL) und arbeitet seit einem halben Jahr in einem Architekturbüro in Aachen.

Johanna Ziebart und Teresa Immler, Sie sind überzeugt, dass der hochschulübergreifende Austausch unter Studierenden jedem Standort guttut. Was muss sich in Zukunft aus Sicht der Studierenden in der Lehre ändern?

Johanna Ziebart: Es ist sicher sinnvoll, erstmal die Grundlagen zu lernen und stärker an die Hand genommen zu werden. Was mir aber fehlt, ist, dazu angehalten zu werden, eine eigene Haltung zu entwickeln. Da steht immer noch zu oft der Professor oder die Professorin vorne und geben die Richtung vor.

Teresa Immler: Ich wünsche mir auch mehr Offenheit, sich im Studium auszuprobieren. Dieses eigene, freie Denken und Reflektieren wird manchmal beim Studieren nicht unterstützt oder ist gar nicht erst möglich.

Ihr fordert mehr projektbezogene Interdisziplinarität im Studium, um früh auf die Interdisziplinarität im Berufsalltag vorbereitet zu sein. Wie genau stellt Ihr Euch das vor?

JZ: Ich fände es schön, wenn Hochschulen mehr eine Lernlandschaft wären und nicht separate Lehrstühle nebeneinander, die alle ihren eigenen Unterricht machen. Ich stell mir das so vor, dass Studierende von Professor zu Professorin gehen und um Rat, Meinung oder Input fragen.

TI: Wir wollen bestehende Strukturen hinterfragen. Interdisziplinärer Austausch ist für uns sehr wichtig für ein zukunftsorientiertes Studium. Grenzen der Interdisziplinarität gibt es dabei kaum, nur Chancen!

JZ: Wobei richtige Interdisziplinarität erst da anfängt, wo man die Baubranche verlässt und auch mal mit Soziologen oder Juristen spricht.

Welche Themen in der Architekturlehre sind für Euch als Nachwuchs besonders wichtig?

TI: Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Mental Health spielen auf unseren Treffen immer eine große Rolle.

JZ: Wir haben nexture+ auch gegründet vor dem Hintergrund, dass Architektur und Innenarchitektur künftig viel mehr zusammen passieren müssen, weil wir einfach weniger Boden zum Bauen haben werden. Und deshalb wollen wir uns viel mehr auf das Umbauen fokussieren. Der Nachwuchs, obwohl immer noch reges Interesse an der Architektur herrscht, will gar nicht mehr so viel selberbauen und kritisiert das sehr. Die Architektur wird ihren Fokus in der Zukunft mehr aufs Umbauen legen müssen und vielleicht auch aufs temporäre Bauen im Hinblick auf Klimakatastrophen, Hochwasserereignisse oder auf Geflüchtete. Nachhaltige, nachwachsende, alternative Baustoffe, vielleicht gar keine neuen Baustoffe – das wäre wünschenswert.

TI: Genau! Als ressourcenverwendende, ressourcenverschwendende, raumgestaltende Planer und Planerinnen haben wir eine Verantwortung für sämtliche dieser Themen. Zumindest muss man sich damit beschäftigen. Da spielt unsere Branche eine große Rolle, da wir mit Ressourcen und mit Räumen für Menschen unter veränderten klimatischen und sozialen Bedingungen umgehen.

JZ: Ich könnte mir auch vorstellen, dass zu diesen ganzen Aufgaben künftig auch Aufklärungsarbeit gehört. Es kann sein, dass mal etwas abgerissen werden muss, auch wenn man es gar nicht möchte und dass Kontakt mit dem sozialen Umfeld hergestellt werden muss, um die Architektur zu erklären und warum sie überhaupt stattfindet.

Im Moment findet noch meist der rasche Abriss ohne Recycling der Baustoffe statt und der Neubau steht dann in kürzester Zeit …

JZ: Recycling bedingt vielleicht auch, dass man die Anforderungen an Architektur zurückstellt oder neu schreibt. Es kann nicht sein, dass ein Gebäude gut durchdacht sein soll und übermorgen schon stehen muss, wenn man zusätzlich noch gucken muss, wo man verfügbare gebrauchte Materialien herkriegt. Das ist mit Verzug im zeitlichen Prozess verbunden.

TI: Zusätzlich kann es auch nicht sein, dass das „gut durchdachte“ Gebäude nach zehn Jahren wieder komplett neu gedämmt werden muss. Da sind wir wieder beim System hinterfragen: Wir müssen den Architekturbergriff vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen neu denken.

Ihr hattet vorhin auch kurz Mental Health als zukunftsweisendes Thema der Lehre genannt – was habt Ihr damit gemeint?

JZ: Mental Health ist ein Thema, das nicht nur im Studium, sondern auch darüber hinaus wichtig ist und worunter diese Branche wirklich leidet, da im Berufsalltag und im Studium auch schon Leute ausgebrannt werden. Und man gewöhnt sich ja direkt daran. Man lernt keinen guten Umgang mit Workload und Stress und auch mal Nein sagen.

TI: Abschließend ist uns in der AG Nachhaltige Lehre auch wichtig, dass man sich das Thema Nachhaltigkeit nicht nur auf die Fahnen schreibt, sondern dass das ein Thema ist, dass immer überall dabei ist und nicht eine Auszeichnung für eine Uni oder einen Lehrstuhl. Das Thema Nachhaltigkeit spannt sich dann nicht nur über das Thema Baustoffe, sondern betrifft auch soziale Themen und Interdisziplinarität oder Diversität.

Interview: Heide Teschner/DBZ

Ziel von nexture + ist die bundesweite Vernetzung sowie die Verkörperung der Standpunkte von Studierenden und Berufseinsteigerinnen. Nexture+ möchte zwischen Berufspolitik, Lehre, Praxis und dem beruflichen Nachwuchs vermitteln. Zweimal im Jahr finden Vernetzungstreffen an wechselnden Standorten statt ebenso wie ein Nachwuchsarchitektentag. Inzwischen zählt die Organisation Mitglieder aus 40 Hochschulstandorten aus dem deutschsprachigen Raum.

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