Pauschalhonorar trotz Planungsänderung – wo liegen die Grenzen?
OLG Koblenz, Beschluss vom 02.10.2024 - 3 U 350/24 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)Die Geltendmachung der HOAI-Mindestsätze ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit einer (Pauschalpreis-) Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.
Der Sachverhalt
Im März 2019 wurde ein Architektenvertrag für die Sanierung und den Umbau eines Einfamilienhauses geschlossen – inklusive einer formwirksamen Pauschalhonorarvereinbarung über 39.000 Euro brutto. Während der Planung wurde die ursprünglich vorgesehene Ausführung mit Dachgauben zugunsten eines Flachdachs verworfen. Der Architekt bestätigte mehrfach, dass die geänderte Planung vom vereinbarten Pauschalhonorar gedeckt sei.
Später machte er dennoch ein zusätzliches Honorar in Höhe von rund 363.000 Euro geltend – basierend auf den Mindestsätzen der HOAI. Begründung: Die Flachdachlösung stelle eine wesentliche Umplanung dar, die vom Pauschalhonorar nicht mehr erfasst sei. Der Bauherr wies die Nachforderung zurück und berief sich auf die ursprüngliche Honorarvereinbarung – eine zusätzliche Vergütung sei treuwidrig (§ 242 BGB).
Zu Recht?
Die Entscheidung
Das OLG Koblenz wies die Nachforderung des Architektenhonorars auf Basis der HOAI-Mindestsätze als treuwidrig zurück. Der Architekt hatte trotz bestehender Pauschalhonorarvereinbarung ein Zusatzhonorar von rund 363.000 Euro geltend gemacht – über das Neunfache des ursprünglich vereinbarten Pauschalbetrags.
Das Gericht sah darin einen klaren Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben: Der Architekt hatte gegenüber dem privaten Bauherrn wiederholt bestätigt, dass auch Planänderungen – etwa die Umstellung von Dachgauben auf ein Flachdach – durch das Pauschalhonorar abgedeckt seien. Damit habe er beim Auftraggeber ein berechtigtes Vertrauen geschaffen.
Besonders schwer wog für das Gericht, dass der Bauherr auf diese Aussagen vertraute, das vereinbarte Honorar vollständig bezahlte und keine Rücklagen für mögliche Nachforderungen bildete. Eine späte, erhebliche Mehrforderung sei für den selbstfinanzierenden Bauherrn unzumutbar – zumal die zusätzliche Forderung rund 21 % der vom Architekten kalkulierten Gesamtumbaukosten ausmachte und erhebliche finanzielle Dispositionen erfordert hätte.
Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG Koblenz reiht sich in eine jüngere Tendenz obergerichtlicher Rechtsprechung ein: Ein nachträgliches Verlangen von Mindestsatzhonorar kann nach § 242 BGB treuwidrig und damit ausgeschlossen sein – insbesondere dann, wenn der Auftraggeber berechtigterweise auf die Gültigkeit einer Pauschalhonorarvereinbarung vertraut und keine Hinweise auf eine spätere Abweichung erkennbar waren.
Auffällig ist, dass die Gerichte zunehmend von der bislang strengen Linie des BGH abweichen. Das vom BGH geforderte Kriterium, wonach sich der Auftraggeber in schutzwürdiger Weise auf die ursprüngliche Honorarvereinbarung eingerichtet haben muss, wird mittlerweile deutlich großzügiger ausgelegt. Zwar hätte dieses Kriterium hier wohl unproblematisch bejaht werden können. Das OLG Koblenz sah hierfür aber offenbar keine Notwendigkeit (mehr): Ihm genügte bereits eine gravierende Diskrepanz zwischen Pauschalhonorar und Nachforderung – verbunden mit dem fehlenden Hinweis des Architekten während der Bauphase.
Gleichwohl bleibt der konkrete Fall ein Ausnahmefall: Ein privater Bauherr sah sich überraschend mit einer mehr als neunfachen Honorarforderung konfrontiert – ohne vertragliche Grundlage oder frühzeitigen Hinweis. Diese besondere Konstellation schränkt die Übertragbarkeit des Urteils auf andere Fälle ein.
Für Architekt:innen gilt daher: Frühzeitige und dokumentierte Kommunikation über mögliche Honoraranpassungen ist essenziell – nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus vertrauensbildender Sicht.