Aus der Rechtsprechung

Schaden (nur) mitverursacht = Haftung in voller Höhe!

OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2023 – 14 U 1551/22

Der Auftraggeber hat bei ungewissem Verursachungsbeitrag des Auftragnehmers gegen diesen gemäß § 830 Absatz 1 Satz 2 BGB Anspruch auf Ausgleich des vollen Schadens. Bei ungewissem Verursachungsbeitrag trägt der Auftragnehmer die Beweislast dafür, dass sein Verhalten für den Verletzungserfolg nicht ursächlich ist.

Der Sachverhalt:

Der Auftragnehmer führte eine Schweißmuffe in der Regenfallleitung oberhalb der Dachterrasse nicht fachgerecht aus. Bei Starkniederschlag trat in das vom Auftraggeber betriebene Schulgebäude Wasser nach außen und verlief in den Dachaufbau der Dachterrasse und schädigte damit die Dämmung. Der Auftragnehmer ist der Auffassung, dass er nicht allein für die gesamten für die Beseitigung der Feuchtigkeit notwendigen Kosten hafte. Andere Gewerke hätten den Wasserschaden mitverursacht. Er zahlte deshalb nur einen Teilbetrag. Ohne näher zu seinem eigenen Verursachungsanteil vorzutragen bleibt der Auftragnehmer im Prozess beim Bestreiten seiner vollen Einstandspflicht. Das Landgericht Leipzig folgte der Argumentation des Auftragnehmers nicht und verurteilte ihn zur Zahlung des Restbetrags. Hiergegen legte der Auftragnehmer Berufung ein. Er war der Ansicht, das Landgericht habe seinen Vortrag - einfaches Bestreiten - mindestens weiter nachgehen und seinen Verursachungsanteil aufklären müssen.

 

Die Entscheidung:

Ohne Erfolg! Der Auftragnehmer hafte in vollem Umfang für die auch auf seine Schlechtleistung zurückgehenden Feuchteschäden. In entsprechender Anwendung des § 830 Absatz 1 Satz 2 BGB könne sich der Auftragnehmer nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er den Umfang der seitens des Auftraggebers geltend gemachten Feuchtebelastung bestritten habe, namentlich, dass deren Umfang gerade auf seine mangelhafte Leistung zurückgeführt werden könne und infolgedessen der Sachverhalt weiter habe aufgeklärt werden müssen. Den ihm obliegenden Gegenbeweis der fehlenden Ursächlichkeit seiner Fehlleistung habe er bereits nicht in hinreichendem Maße angetreten.

Es stehe fest, dass die Wasserschäden am Gebäude durch das aus der Fallrohrmuffe ausgetretene Wasser verursacht worden seien. Offen sei lediglich, ob das Wasser dorthin seinen Weg gerade über den von dem Auftragnehmer fehlerhaft geschweißten Spalt etwa entlang dem Fallrohr genommen habe oder auf eine andere, vom Auftragnehmer nicht zu verantwortende Weise über die Dachterrassenabdichtungen in die Räumlichkeiten gelangt sei. Zugleich stehe fest, dass das den Schaden auslösende Wasser auf einem der beiden Wege eingedrungen sein müsse, wobei nicht zu klären sei, ob der Schaden jeweils ausschließlich direkt vom Fallrohr aus verlaufenden Wasser oder über die Dachabdichtung bzw. den Aufzugsschacht verursacht wurde.

Damit liege beim Auftraggeber eine Lage vor, zu deren Vermeidung Maßnahmen von ihm nicht zu erwarten waren. Der Auftraggeber war - nach Aktenlage - weder bei den Dachabdichtungen noch bei dem Verschweißen der Muffe anwesend. Er habe die jeweiligen Schadensquellen weder beherrscht noch den zu seiner Schädigung führenden Geschehensablauf im Einzelnen übersehen.

Gerade dieser Beweisnot trage § 830 Absatz 1 BGB Rechnung. Diese Regelung überträgt die Beweislast demjenigen, der für diese Schadensquelle verantwortlich sei und von dem deshalb ihre Kontrolle erwartet werden könne. Das sei jedenfalls auch der Auftragnehmer. Zwar vermag sich jeder der Beteiligten - so auch der Auftragnehmer - durch den Nachweis zu entlasten, dass sein Verhalten für den Verletzungserfolg nicht ursächlich sei, wobei für einen solchen Beweis des Gegenteils keine erleichternden Beweisregeln gelten. Der Beweis sei nur geführt, wenn das Gericht die Überzeugung gewonnen habe, dass der in Anspruch Genommene als Verursacher nicht in Betracht gezogen werden könne.

Gemessen hieran reiche es nicht aus, wenn der Auftragnehmer lediglich bestreite, nicht für den gesamten Umfang des Schadens verantwortlich gewesen zu sein. Infolgedessen habe weder für das Landgericht noch für das Oberlandesgericht Anlass zu weiterer Aufklärung des Sachverhalts durch Beweisaufnahme bestanden. Hierzu hätte es gerade vor dem Hintergrund der Tatsachenfeststellung des Parteigutachtens der Behauptung bedurft, der Gesamtschaden sei allein und/oder ganz überwiegend durch einen Wassereinbruch in die Deckendurchdringung verursacht worden. Anders ausgedrückt: Der muffenbedingte Wassereintritt sei zwar in dem unmittelbaren Fallrohrbereich der Umkofferung wirksam geworden, aber dort auch zum Stillstand gekommen, so dass für den darüber hinausgehenden abgrenzbaren weiteren Schaden ein unabhängig davon stattgefundener Wassereintritt verantwortlich gewesen sei. An einem solchen Vortrag fehlt es. Dass das Wasser überhaupt bis zur Dampfsperre hat vordringen und danach unter diese hat laufen können, beruht allein auf dem Erstschaden (Wasseraustritt aus dem Spalt). Der Auftragnehmer benenne keine andere Ursache. Alles Wasser, das sich im Gebäude verteilen konnte, beruhe auf diesem Mangel. Es gebe keinen einzigen Schadensbereich, den der Sachverständige nicht dem Wasseraustritt bzw. -eintritt aus dem Spalt zugeordnet habe.

Praxishinweis:

Gerade bei Anteilszweifeln trägt § 830 BGB der Beweisnot des Gegners Rechnung. Dieser kann weder die Schadensquellen beherrschen noch den zu seiner Schädigung führenden Geschehensablauf im Einzelnen überschauen. Er weist dem Schädiger die Beweislast zu. Dieser muss darlegen, dass er den Schaden nicht herbeigeführt hat. Lässt sich nicht ermitteln, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch eine Handlung herbeigeführt hat, aber feststeht, dass der Tatbeitrag des Schädigers geeignet war, den ganzen Schaden herbeizuführen, mildert § 830 BGB in der Regel die dem Geschädigten obliegende Beweislast ab.

Eine andere Entscheidung des Falls wäre auch mit Gerechtigkeitserwägungen nur schwer vereinbar. Denn dies hätte zur Folge, dass dem am eigentlichen Mangelgeschehen unbeteiligten Geschädigten zugemutet werden müsse, von seinem Vertragspartner nur einen Teil des Gesamtschadens fordern zu können, für den Rest aber weitere am Bau Beteiligte in Anspruch nehmen zu müssen.

Dem Auftragnehmer als Schädiger steht wiederum die Möglichkeit offen, im Falle einer Gesamtschuld bei den übrigen Beteiligten einen teilweisen Ausgleich nach den Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung gemäß §§ 421, 426 BGB zu erlangen.

Die vorgestellte Entscheidung zeigt auch, dass § 830 BGB nicht nur auf das Deliktsrecht beschränkt ist, sondern einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält, der ebenso bei vertraglicher Haftung greift. Letztlich wird somit deutlich, dass bei einer von mehreren herbeigeführten Schädigung der Einzelne Schädiger so haftet, als wäre er Gesamtschuldner gemeinsam mit allen (!) weiteren Schädigern, es sei denn, er kann nachweisen, dass sein Verschulden nur zu einem Teil des Schadens geführt habe. Nur dann haftet er nicht für den gesamten Schaden. Bei den am Bau häufig komplexen und unübersichtlichen Schadensverläufen wird so zwar der Auftraggeber nachvollziehbar geschützt, dem einzelnen Teilauftragnehmer aber ein Risko übertragen, das er kaum beherrschen kann. Ob und inwieweit der Teilschädiger nämlich andere Teilschädiger tatsächlich in Regress nehmen kann, steht im Zweifel in den Sternen.


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