Mehr als nur das eine

„Mehr als nur der eine“ – Gio Ponti (1891–1979) war mehr als nur der Architekt des Pirelli-Hochhauses in seiner Heimatstadt Mailand. Dass er dieses ikonische Gebäude u. a. mit Pier Luigi Nervi plante, deutet möglicherweise auf den Haken, an den ich den „More than one“ immer hängte: Architekt mit Hang zur Technoeleganz.

Der wunderbare „Superleggero“ ist sofort vor Augen, fällt der Name seines Entwerfers und nicht zuletzt die DOMUS, vielleicht die Architekturzeitschrift des vergangenen Jahrhunderts. Die hatte Ponti 1928 gegründet. Gianni Mazzocchi haben wir es zu verdanken, dass sie 1929 ihre Zukunft neu startete und heute noch ist.

Dass der Mailänder Ponti allein nicht der geworden wäre, der er heute in der westeuropäischen Architektur- und Designgeschichte ist, das beschreibt sehr dicht und detailliert die vorliegende Publikation. Womit der „More then One“ nochmals eine Bedeutung erhält. In drei Kapitel geteilt – Schreiben und Grafik, Architektur, Produktdesign – gehen verschiedene Autorinnen dem Werk auf den Grund, meist mit deutlichem Bezug auf das Biografische – so im Gespräch zwischen dem Fotografen Paolo Rosseli und dem Historiker Joseph Rykwert. Die Artikel, sämtlich reich bebildert, beschreiben Ponti als in der Mailänder bourgeoisen Gesellschaft fest verankerten Konservativen, dessen Forschen und kreatives Suchen nach Form und Funktion über alles Alltägliche hinauswies. Seine Begabung, effizient zu netzwerken einerseits wie der Kompass des Zeitgeistigen zu sein, dessen Missweisung Avantgardeversprechen war - das alles manifestiert sich in dem schier unübersichtlichen Werk.

Dass er als Mitgründer sowie lebenslanger Herausgeber von DOMUS auch die internationale Architektur- und Designdiskussion beeinflusste, erhält in dieser Monografie nicht die Aufmerksamkeit, die ihr gebührte. Die Möbelentwürfe – längst teure Sammlerstücke –, seine Rolle als Richtungsgeber im zeitgenössichen italienischen Design, seine im wesentlichen drei großen und großartigen Bauten (alle Mailand) oder der hier etwas zu ausführlich besprochene Entwurf einer Automobilkarosserie („Linea Diamante“), das alles macht den Mailänder zu einem wichtigen Exponenten des sublim eleganten Razionalismo.

Was wir haben: gutgeschriebene Geschichten, sehr gutes Abbildungsmaterial, Sekundärliteratur, Biografisches und ein Namensregister. Ponti? Jetzt fällt die Antwort breiter aus! Be. K.

Gio Ponti. More than One. Critic, Editor, Graphic Artist, Architect, Product Designer. Hrsg. v. Manfredo di Robilant, Manuel Orazi. Lars Müller Publishers, Zürich 2025, 288 S., 294 meist farb. Abb., 45 €,
ISBN 978-3-03778-763-2

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