KI-Tools für Transformation im Innenraum

Michael Schuster: Bauen im Bestand beziehungsweise Transformation ist heute unser Thema. Dazu sind wir zu Gast beim bdia, dem Bund Deutscher Innenarchitektinnen und Innenarchitekten in Berlin. Wie kann man Gebäude von einer Nutzungsart in eine andere überführen? Und welche KI-Tools gibt es dafür?

Jan R. Krause: Innenarchitektinnen und Innenarchitekten sind für mich die wahren Experten für das Thema Bauen im Bestand. Denn auch ein Neubau ist für sie im Grunde ein Bestandsbau. Immer befassen sie sich mit gebauten Rahmenbedingungen, unabhängig davon, ob das Haus gerade neu erstellt wurde oder ob es schon 250 Jahre steht. Und wenn wir überlegen, welche weiteren Expertisen sie für den Innenraum mitbringen, dann sind dies Themen wie Licht, Farbe, Raumklang, Akustik und Raumklima. Für all diese Aspekte gibt es spezielle KI-Tools. Ein Thema gewinnt aber besonders an Bedeutung: das ist die Frage der Materialität und die Herausforderung des kreislauffähigen Gestaltens und Bauens.

Michael Schuster:  Welche Rolle spielen denn die Erneuerungszyklen im Innenraum im Vergleich zum Hochbau?

Jan R. Krause: Das ist von Bauaufgabe zu Bauaufgabe unterschiedlich. Die kürzeste Lebensdauer haben Messe- und Markenauftritte. Oft werden diese projektbezogen neu konzipiert oder jährlich modifiziert. Wiederverwendbare Systemelemente kommen in der Regel drei bis fünf Jahre zum Einsatz. Hier ist eine Trendwende erkennbar. Immer häufiger wird über Nachnutzungen nachgedacht. In Ladenbau, Gastronomie, Hotellerie erleben wir Erneuerungszyklen von fünf bis fünfzehn Jahren. In Büro-, Gesundheits-, Wohnungsbau sind es zehn bis zwanzig Jahre. Auch nach dieser Zeit sind eingebaute Materialien und Elemente oft noch wiederverwendbar. Insofern entwickelt sich die Disziplin des Innenausbaus vielleicht noch schneller zur Expertendisziplin für kreislauffähiges Bauen als der Hochbau, wo wir bei Fenstern und Fassaden mit 30 bis 70 Jahren und im Tragwerk mit 50 bis 120 Jahren Lebensdauer rechnen.

Michael Schuster: Sind die Zeiten früherer Materialschlachten, wie wir sie in manchen Hotels empfinden, also vorbei?

Jan R. Krause: Materialschlacht und Materialverschwendung können wir uns nicht mehr leisten. Es gibt einen Bewusstseinswandel und ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein dafür, die Dinge mehrfach zu nutzen, auszubauen und woanders wieder einzusetzen. Schon 2010 wendete die Berliner Architektin Astrid Bornheim das Prinzip des Urban Mining auf einen großen Messestand in München an. Alle Materialien und Elemente für Boden, Tresen, Wände, Beleuchtung und Medientechnik überführte sie nach fünf Messetagen in den Neubau der Eternit Akademie in Heidelberg. Und ganz aktuell beschreibt bdia-Präsident Carsten Wiewiorra im bdia-Handbuch 2025/26 zur „UmBauwende“ neue Planungstools für die Innenarchitektur: „Die Grüne Planungsebene kennzeichnet ­wiederverwertete Bauteile und Materialien in den Plan­­zei­ch­nungen“. Die Innenarchitektur hat die große Chance vor­zumachen, was auch in der Gebäudehülle oder im Rohbau eine Rolle spielen wird. Hier kann Künstliche Intelligenz unterstützen. Mit KI-Tools wie dem Building Circularity Tool von One Click LCA lassen sich Bauteile und Konstruktionen hinsichtlich der Kreislauffähigkeit bewerten.

Michael Schuster:  Bräuchte man dann nicht eine Datenbank, wie beispielsweise Concular speziell für Innenarchitektur, eine Bauteil-Datenbank für Trennwände, Tische, Möbel und Licht?

Jan R. Krause: Concular kann schon heute eine relevante Rolle im Kontext der Innenarchitektur spielen, insbesondere dort, wo Innenräume im Bestand umgebaut, saniert oder mit einem zirkulären Anspruch gestaltet werden sollen. Mit dem Tool ­Gebäuderessourcenpass/CircularLCA lassen sich Materialbestände erfassen und Rückbau- und Wiederverwendungspotenziale dokumentieren. Bereits im Entwurf bzw. Umbauprozess eines Innenraums lässt sich so systematisch analysieren, welche Materialien demontierbar sind, welche wiederverwendbar und welche recycelbar sind. Im Rahmen einer Pilot-Kooperation mit dem Green‑AI Hub Mittelstand wurde ein System zur Wiederverwendung von Bauelementen entwickelt, das KI-gestützt vorhandene Komponenten aus Bestands- oder Rückbauprojekten mit neuen Bauprojekten matcht. Auch Madaster lässt sich in der Entwurfsphase einsetzen, um Materialien und Gestaltung in Varianten mit Blick auf Kreislaufpotenzial, Umwelt- und Kostenwirkungen zu vergleichen.

Michael Schuster:  Gerade die Kombination von Umwelt- und Kostenauswirkungen ist bei der Planung von besonderer Bedeutung. Muss man dafür immer spezielle KI-Tools hintereinanderschalten?

Jan R. Krause: Ein KI-Tool, das bereits Varianten-, Betriebs- und Lebenszyklus­kosten mit der Ökobilanzierung eines Entwurfs verbindet, ist keeValue. Diese Kombination von ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeitsbetrachtung ist eine große Besonderheit in der KI-Landschaft. In der aktuellen Phase der KI-Entwicklungen erleben wir meist spezialisierte Tools, die für eine spezielle Aufgabe mit Algorithmen programmiert und mit Daten trainiert sind. Wir brauchen ein gutes Workflow-Management, um solche Tools sinnfällig hintereinander zu schalten oder KI-Agenten, die dies eigenständig für uns übernehmen.

Michael Schuster: Das klingt nach einer neuen Form „interdisziplinärer Zusammenarbeit mit KIs“. Grundsätzlich scheint diese Arbeitsweise Architekten und Ingenieuren vertraut zu sein: Prozessmanagement in der Planung bedeutet immer, verschiedene Expertisen im Dialog und im digitalen Modell zusammenführen: Hochbauarchitekten, Tragwerksplaner, TGA-Planer, Brandschutzplaner, Fassadenfachplaner. Seltener wird davon gesprochen, wie Hochbauarchitekten und Innenarchitekten zusammenwirken. Wieso eigentlich?

Jan R. Krause: Ich glaube, es ist ein veraltetes Klischee, dass Architekt und Innenarchitekt sich widersprechen: Der Architekt kam mit der Idee „Rohbau gleich Ausbau“ und der Innenarchitekt machte es anschließend „gemütlich“. Das ist ein Dilemma, das der Vergangenheit angehört. Alle großen Architekturbüros haben Innenarchitektinnen und Innenarchitekten in ihren eigenen Reihen. Da gibt es eine enge Verzahnung und Zusammenarbeit zwischen denen, die die große, konstruktive Raumidee formulieren und denen, die den Raum dann im Detail definieren und in Materialität, Farbe, Akustik und Licht übersetzen. Ich erlebe auch, dass in Bauaufgaben, bei denen Innenarchitektinnen bisher selten beteiligt werden, wie im Schulbau, ganz neue Qualitäten geschaffen werden, wenn Innenarchitekten beteiligt sind, wie zum Beispiel in der Maria Ward Schule in Nürnberg von Anna Morphs und der Bürogemeinschaft Aggensteiner, Kahl, Innenarchitektinnen.

Michael Schuster:  Oft sind es Innenarchitekten, denen in den großen Büros die Materialbibliothek anvertraut wird. Sind sie die wahren Materialexperten?

Jan R. Krause: In solchen Fällen geht die Materialexpertise natürlich weit über den Innenraum hinaus. Da wird ganzheitlich gedacht. Das ist gefragtes Nachhaltigkeitsknow-how für das ganze Büro. Eine interessante KI, die bei der Materialbewertung unterstützt, ist Revalu. Hier finden sich mehr als 25 000 Materialien mit ihrer ökologischen Bewertung, darunter auch zahlreiche Biobased Materials und Recycling-Werkstoffe, für die es keine EPDs gibt. Interessant ist auch der Community-Charakter dieser Plattform. Architekturbüros präsentieren und tauschen hier ihre Materialkataloge. Für Revalu gilt: geteiltes Wissen ist verdoppeltes Wissen.

Michael Schuster:  Neben der Materialwahl geht es dann um die Komposition. Wie verändern Transformation und kreislauffähiges Bauen das Entwerfen?

Jan R. Krause: Tobias Nolte, Professor für mediale Architekturdarstellung an der Leibniz Universität Hannover, hat diese Idee der Transformation mit seinem Atelier certain measures schon relativ früh in experimentellen Projekten untersucht. Bekannt geworden ist das Projekt CloudFill, in dem aus Materialien einer zerlegten Hütte eine neue Behausung komponiert wurde. Form follows availability ist das Prinzip. Das war noch vor KI. Das war machine learning. Aber mit KI-Tools und den Möglichkeiten, riesige Datenmengen in kürzester Zeit miteinander abzugleichen, eröffnen sich für diese Methode ganz andere Perspektiven. Concular beispielsweise verfügt über eine direkte Schnittstelle zu BIM-Modellen, um relevante Gebäudedaten zu importieren. Innerhalb der Plattform werden Algorithmen eingesetzt, um die Bauteile aus dem BIM-Modell mit vorhandenen Materialien im Concular-Netzwerk abzugleichen.

Michael Schuster: Welche weiteren KI-Tools eignen sich insbesondere für den innenarchitektonischen Entwurfsprozess?

Jan R. Krause: Es gibt einige KI-Tools, die relativ spielerisch und einfach zu bedienen sind: Interior AI, Canva, Spacely AI sind Tools, bei denen man das Bild eines Raums hochladen, ausräumen und dann neu gestalten und möblieren kann. Verlockende Tools, die vielfach von Auftraggebern genutzt werden, um uns als Architekten und Innenarchitekten ihre Raumvorstellungen zu präsentieren. Jedoch ist das Ergebnis in der Regel kein Konzept. Meist ist es lediglich das Abbild eines Einrichtungsstils. Selbst universelle KI-Tools wie ChatGPT sind hier erstaunlich leistungsfähig und bieten neben Bildern gleich einen ganzen Katalog von Bezugsquellen und Preisen für Möbel, Leuchten, Farben, Bodenbeläge.

Michael Schuster:  Werden diese KI-Tools die Innenarchitekten ersetzen?

Jan R. Krause: Das glaube ich nicht. Denn zwei Dinge können diese Tools nicht: Konzept und Komplexität. Es scheint mir sinnvoll, sich den Einsatz solcher KI-Tools als Dialoginstrumente anzueignen und für die Gesprächsführung zu nutzen. Im Prozess des partizipativen Entwerfens und Verwerfens kann das nützlich sein, um Anschaulichkeit zu erzeugen – vielleicht auch um zu visualisieren, was wir nicht empfehlen. Doch dann geht es darum, die eigene Expertise für Konzept und Komplexität ins Spiel zu bringen. Gelungene Transformation ist keine Ansammlung von Einzelmaßnahmen, sondern Teil einer größeren Idee für ein Gesamtkonzept, das sich über mehrere Funktionen, Abteilungen, Etagen erstreckt. Dafür kann ein einzelnes KI-generiertes Bild einen Impuls geben. Aber für das Denken in größeren Zusammenhängen und die Übersetzung in präzise Details wird es das Know-how von Innenarchitekten und Architekten brauchen.

Michael Schuster: Ein einzelnes Bild vermittelt noch keine ­Atmosphäre. Wie kann das gelingen?

Jan R. Krause: Atmosphäre berührt alle Sinne. Wie fühlt es sich an, wenn es Holz ist, wenn es lackiert ist, wenn es laminiert ist, oder wenn es gar kein Holz ist, sondern ein Kunststoffimitat mit Holzstrukturen? Im KI-Bild sieht das alles gleich aus. Erst in der analogen Realität werden die unterschiedlichen Qualitäten spürbar. Zum KI-generierten Bild gehört immer auch die Materialisierung, die Bemusterung, das Mock-up, vielleicht auch die Exkursion, der Besuch in ähnlichen Räumen.

Michael Schuster: Bleibt der Entwurfsprozess also hybrid – eine Kombination aus digitaler und analoger Welt?

Jan R. Krause: Ich übersetze KI gern als „Kollaborative Intelligenz“. Es geht nicht um das Gegeneinander von Mensch und Maschine, sondern um das sinnfällige Miteinander. Wenn wir KIs nutzen, um mit möglichst kreativem und präzisem Prompting eine illustrierte Gesprächsgrundlage für den Nutzerdialog zu schaffen, ist das eine tolle Chance. Lasst uns diese neuen Dialoginstrumente mit der Expertise aus Studium und Berufserfahrung verbinden. Insbesondere bei Transformationsprozessen im Bestand mit seinen Ungewissheiten und Anforderungen an kurzfristige, individuelle Anpassungen und Entscheidungen, wird die menschliche Expertise im Planungsprozess eine neue Wertschätzung erfahren.

Michael Schuster: Meinst Du damit auch die Expertise für Licht und Akustik?

Jan R. Krause: Genau. Das ist Fachwissen. Das ist nicht in schönen Abziehbildern von einem schnellen KI-generierten Raum enthalten. Licht ist ein komplexes Thema. Hier kann KI in einer frühen Entwurfsphase unterstützten, wie zum Beispiel Light Stanza. Für technisch präzise Lichtberechnungen auf Basis von IES-Daten und Normen braucht man jedoch spezialisierte Lichtplanungssoftware wie Dialux und Fachwissen von Lichtplanern oder Herstellern. Das Gleiche gilt für die Raumakustik. Webbasierte, KI-assistierte Systeme für Raumakustik und Schalldämmpfung wie Ulysses oder Comsol können Orientierung geben, aber die professionelle Berechnung nicht ersetzen.

Michael Schuster:  Wie lassen sich Raumklima und Energieverbrauch im Gebäudebetrieb KI-gestützt ermitteln?

Jan R. Krause: Calaa ist ein KI-Tool für Lebenszyklus-Analysen (LCA), CO₂-Emissionen, Energiebedarf und graue Energie über den gesamten Lebenszyklus, das sich auch für Innenarchitektur nutzen lässt. Für Transformationsprozesse lassen sich damit Sanierungsszenarien gut vergleichen. Mit dem Thema Energieverbrauch im Betrieb kommen wir zu TGA-Planung und Facility Management. Hohe Verbräuche, Emissionen und Betriebskosten schwächen die Bewertung, Finanzierung und Vermietbarkeit von Immobilien. Der größte Anteil des Energieverbrauchs entfällt auf Heizen, Lüften und Klimatisieren. Energy Control von Recogizer ist beispielsweise ein selbstlernendes Tool zur Analyse, Konfiguration und wirkungsvollen Regelung im Betrieb.

Michael Schuster:  Wenn wir über Energieverbräuche sprechen, müssen wir auch den Energieverbrauch von KIs reflektieren. Aktuellen Schätzungen zufolge verbraucht eine KI-Anfrage etwa zehnmal soviel Energie wie eine Google Suche. Wie sind diese Werte einzuordnen und was bedeutet das für den Umgang in der Praxis?

Jan R. Krause: Die Internationale Energieagentur (IEA) prog-nostiziert, dass sich der weltweite Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2030 verdoppeln wird. Betreiber wie OpenAI oder Google veröffentlichen kaum offizielle, detaillierte Zahlen für den Energieverbrauch pro Anfrage. Derzeit wird 2,9 Wh als Referenzwert angenommen, das entspricht 0,0029 kWh pro KI-Anfrage. Verglichen damit wird für eine normale Websuche wird mit 0,0003 kWh angegeben. Die KI-Anfrage ist dieser Abschätzung zufolge etwa zehnmal so energieaufwendig wie eine Websuche. Andere Studien kommen auf geringere Werte für moderne LLMs mit 0,3 Wh pro Anfrage, das wäre also direkt auf dem Niveau einer Webanfrage. Nicht enthalten ist in diesen Berechnungen jedoch der Energieaufwand für das KI-Training. Ich fürchte jedoch, dieser direkte Vergleich mit Webanfragen lässt sich nicht mehr lange aufrechterhalten. Denn Google hat inzwischen in 200 Ländern den KI-Modus eingeführt, im Oktober auch in Deutschland. Google übernimmt jetzt das googlen für Dich. Das heißt der Weg führt nicht mehr über die Websuche zu 237 Mio. Treffern, sondern direkt über die KI zum Ergebnis.

Michael Schuster: Wird Künstliche Intelligenz damit jetzt wirklich zum Game Changer?

Jan R. Krause: Wenn sich diese Methode durchsetzt, dann erleben wir mit Künstlicher Intelligenz einen elementaren Paradigmenwechsel. KI verändert unsere Prozesse radikal: vom Suchen zum Finden. Wir kommen direkt von der Frage zum Ergebnis. Ohne eigene Recherche, ohne eigene Analyse.­ Erst danach beginnt die Plausibilitätsprüfung, die nachträgliche Verifizierung. Wie weit das Prinzip AI First schon fortgeschritten ist, zeigt der Fünf-Punkte-Plan eines der größten Medienhäuser: Axel-Springer-Vorstandsmitglied Claudius Senst, CEO der Premiumgruppe, zu der Politico, Business Insider und Welt gehören, hat im August alle Journalistinnen und Journalisten, aber auch die nicht-redaktionellen Gewerke zum massiven und vorrangigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei nahezu allen täglichen Arbeitsroutinen verpflichtet. Suchmaschinen sollten erst genutzt werden, wenn die Ergebnisse von ChatGPT nicht überzeugend ausfielen. Immerhin appelliert er im fünften Punkt seines Plans an die menschliche Intelligenz: Die KI solle „keine Content-Wüsten erzeugen“. Senst betont: „Es sind unsere Inhalte. Es ist unsere Arbeit.“

Michael Schuster: In unserer Redaktion bei der DBZ wird noch eigenständig recherchiert und formuliert. Ich bin jeden Tag froh über diesen Qualitätsjournalismus. Was bedeutet diese AI First Methode für die Architektur?

Jan R. Krause: Für Architektinnen und Architekten gilt das Gleiche wie für Redakteure. Beide Berufsgruppen tragen eine e­norme Verantwortung. Täglich erleben wir, welcher Schaden durch versehentlich oder absichtlich verbreitete Fake News angerichtet wird. Auch in der Architektur können Planungsfehler und Fehlentscheidungen von großer Tragweite sein. Ich plädiere für eine verantwortungsbewusste Kollaboration von Mensch und Maschine und vor allem für den persönlichen Dia-log. Das Gespräch, die Begegnung, der soziale Austausch ist durch nichts zu ersetzen und für die Gestaltung von zukunftsfähigen Städten und Räumen von elementarer Bedeutung. Deswegen glaube ich fest an diesen Berufsstand, der die Dinge infrage stellt und in einen größeren Zusammenhang einordnet. Wir müssen in Zeiten von KI die Dialogfähigkeit stärken.

Michael Schuster:  Diese Befähigung ist gerade in Transformationsprozessen von wesentlicher Bedeutung. Denn beim ­Ba­uen im Bestand geht es nicht nur um Funktionalität und Atmosphäre, sondern in besonderem Maße um Identität und Identi­fikation.

Jan R. Krause: Wenn wir damit zum Abschluss wieder auf das Thema Transformation zurückkommen, ist der gerade verliehene Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften an Philipp Agion, Peter Howard und Joel Mockier erwähnenswert. Die Wissenschaftler wurden für ihre Forschung zu innovationsgetriebenem Wachstum und den Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ ausgezeichnet. Wir müssen damit rechnen, dass auch KI – wie zuvor schon die Digitalfotografie – zu dieser Form schöpferischer Zerstörung beiträgt und zugleich innovationsgetriebenes Wachstum bewirkt.

Michael Schuster: Übertragen auf die Architektur müssen wir allerdings immer wieder dazu aufrufen, dass nicht zerstört, sondern ergänzt wird. Vor wenigen Jahren hätte man es nicht nur schöpferisch zerstört, sondern komplett zerstört. Durch behutsame Transformation bekommen Häuser, Orte, Räume einen anderen Sinn und einen neuen Zweck. In der Substanz wird die Idee und die Geschichte fortgeführt. Das ist die Transformation, an die ich denke.

Jan R. Krause: Das ist eine schöne Fortsetzung dieses Gedankens bezogen auf Architektur. Statt von schöpferischer Zerstörung sollten wir lieber von schöpferischer Bewahrung sprechen.

Der Bund Deutscher Innenarchitektinnen und Innenarchitekten (bdia) ist bundesweit der einzige Berufsverband für Innenarchitektinnen und Innenarchitekten. Dabei setzt er sich als Berufsvertretung seiner Mitglieder für deren Belange in der Öffentlichkeit und gegenüber Wirtschaft und Politik ein. Der bdia engagiert sich für die Innenarchitektur als eigenständiges, geschütztes Berufsbild im Portfolio der planenden, freien Berufe und für mehr Wettbewerbe und Vergabeverfahren für Innenarchitekt*innen.
Weiterhin bündelt der Verband Aktivitäten und Themen – für die Innenarchitektur als integraler Teil der Baukultur. Im Jahr 2025 beschäftigte sich der bdia mit dem Thema „Umbauwende“ und der Transformation von Bestand im Sinne des klimaverträglichen, ressourcen- und kosteneffizienten Bauens. Im nächsten Jahr richtet der Verband seinen Fokus auf das Thema „Ästhetik, Gesundheit und Wohlbefinden“ und greift dies u. a. mit dem Innenarchitektur-Summit im November 2026 auf.
Innenarchitekt*innen sind Planer*innen mit ökologischer, ökonomischer und sozialer Verantwortung, die Räume mit gesellschaftlicher Relevanz und gestalterischer Qualität schaffen. Künstliche Intelligenz kann Planungsprozesse beschleunigen, Gestaltung erweitern und Ressourcen schonen, etwa durch präzisere Simulationen oder automatisierte Analysen. „KI kann innenarchitektonische Planung nicht ersetzen, sondern sollte als unterstützendes Instrument mit Sensibilität und Reflexion eingesetzt werden. KI ist in der gesamten Branche nicht mehr wegzudenken und darf auch nicht ignoriert werden. Um unsere Mitglieder bestmöglich entlang dieser Entwicklungen zu begleiten, setzen wir auf kontinuierliche Fortbildung und fördern den smarten Umgang mit KI, etwa durch gezielte Seminare und Workshops im Rahmen der bdia Akademie, unserem Fortbildungsprogramm.“
Ausblick
DBZ 12-2025: KI für die Grundrissplanung
Rückblick
DBZ 10-2025: KI-Tools für Marken im Raum
DBZ 09-2025: KI-Tools für die Gebäudehülle
DBZ 07/08-2025: KI-Tools für die Resiliente Stadt
DBZ 06-2025: KI-Tools für Nachhaltiges Bauen
DBZ 05-2025: KI im Engineering
DBZ 04-2025: KI-Einsatz beim Bauen im Bestand
DBZ 03-2025: KI-Innovationen
DBZ 01/02-2025: KI International
DBZ 12-2024: KI Einstieg in den Dialog
Sonderteil
DBZ 01/02-2025: Der große KI-Überblick mit Glossar
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