KI-Tools für Nachhaltiges Bauen

Michael Schuster: Welchen Beitrag leistet Künstliche Intelligenz für nachhaltige Architektur? 

Jan R. Krause: Wenn wir Nachhaltigkeit als Balance zwischen ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Qualitäten verstehen, kann Künstliche Intelligenz eine Menge leisten, denn neben der ökonomischen Nachhaltigkeit ist auch die ökologische Nachhaltigkeit messbar geworden. Wir können darstellen, was die Kostenauswirkungen und was die Umweltauswirkungen unserer Entwurfsentscheidungen sein werden. Zu diesen datenbasierten Kategorien können KI-Tools einen wesentlichen Beitrag leisten, um entwurfsbegleitend verschiedene Szenarien in Echtzeit zu bewerten. Was die soziokulturellen Qualitäten betrifft, brauchen wir immer noch den Dialog zwischen Menschen, um herauszufinden, was kulturell und gesellschaftlich an einem bestimmten Ort für die spezifischen Nutzerinnen und die Nachbarschaft das Beste sein wird.

Michael Schuster: Wann wird der Zeitpunkt kommen, wo die KI auch im soziokulturellen Bereich unterstützen kann?

Jan R. Krause: Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen erarbeitet gerade Kriterien für eine Auszeichnung, um die soziokulturellen Qualitäten zu bewerten. Das wird weniger quantitativ, sondern eher qualitativ darstellbar sein, zum Beispiel in Texten. KIs können helfen, Beschreibungen auszuwerten. Sicher wird das künftig auch den Planungsprozess begleiten, zum Beispiel in Partizipationsverfahren.

Michael Schuster: Kannst Du ein Beispiel nennen für eine KI, die Partizipationsprozesse unterstützt?

Jan R. Krause: In Hamburg wurde das Digitale Partizipationssystem DIPAS entwickelt. DIPAS verbindet ein Online-Beteiligungstool mit digitalen Planungstischen zu einem integrierten digitalen System zur Bürgerbeteiligung. Mit diesem System können Bürgerinnen und Bürger von zu Hause aus, mobil oder in Veranstaltungen digitale Karten, Luftbilder, Pläne, 3D-Modelle und Geodaten abrufen und ein genau lokalisiertes Feedback zu Planungsvorhaben geben. Seit 2023 wird in diesem Projekt daran gearbeitet, Beteiligungsprozesse intelligenter auszuwerten: mit Hilfe von KI und urbanen Daten. Ziel ist es, Projektverantwortliche bei der Begleitung ihres laufenden Verfahrens und bei der anschließenden Auswertung der Beteiligungsergebnisse effizient zu unterstützen: transparent, nachvollziehbar und anschlussfähig.

Michael Schuster: Wie darf man sich das konkret vorstellen?

Jan R. Krause: Während der Beteiligung hilft ein Live-Dashboard, den Überblick zu behalten, um gezielt zu moderieren. Nach Abschluss unterstützt das System DIPAS analytics Insights dabei, das Feedback vorzustrukturieren und eine schnelle, effiziente Auswertung zu ermöglichen. Indem Erfahrungen und Perspektiven aus der Stadtgesellschaft systematisch mit verwaltungsseitigen Daten verknüpft werden, sollen Entscheidungsprozesse besser an den Bedürfnissen der Menschen orientiert werden. In Kombination mit Übersetzungs-KIs wie DeepL lassen sich in Partizipationsverfahren auch Stimmen von Bürgern unterschiedlicher Herkunft einfacher integrieren, die zuvor nicht gehört wurden. Mit Videoprotokoll-KIs wie Fathom ist es möglich, Aussagen unterschiedlicher Interessengruppen gegenüberzustellen und Übereinstimmungen zu identifizieren, die zuvor übersehen wurden. Das kann am Anfang eines Planungsprozesses wertvolles Material für die Gestaltung soziokultureller Qualitäten sein.

Michael Schuster: Dann lass uns als Nächstes die ökonomischen und ökologischen Qualitäten betrachten. Wie lassen sich hierfür KI-Tools nutzen, um Entwurfsentscheidungen im Sinne einer nachhaltigeren Architektur zu beeinflussen?

Jan R. Krause: Wir können uns an zwei Normen orientieren. Die DIN EN 15643 „Nachhaltigkeit von Bauwerken” stellt die Grundsätze und Anforderungen für die Bewertung von Gebäuden hinsichtlich ihrer umweltbezogenen Qualitäten bereit. Die DIN EN 15804 legt Grundregeln für die Erstellung von Umweltproduktdeklarationen (EPD) für Bauprodukte fest. In beiden Regelwerken geht es darum, die Herstellungs-, Erstellungs- und Lebenszyklusphasen von Produkten und Gebäuden zu bewerten. Auf dieser Basis lassen sich mit KIs unterschiedliche Aspekte in den einzelnen Lebenszyklusphasen auswerten. Da die KI-Landschaft noch recht fragmentiert ist und KI-Tools meist auf Einzelaspekte ausgerichtet sind, müssen fallweise Workflows entwickelt werden, in denen mehrere KIs hintereinandergeschaltet werden. Die Tendenz geht aber dahin, immer mehr Funktionalitäten in einer KI zu integrieren. Ein gutes Beispiel dafür ist keeValue. Mit dieser KI lassen sich entwurfsbegleitend sowohl die Kosten als auch die Umweltauswirkungen über die Lebenszyklusphasen hinweg darstellen, beginnend mit der Erstellung des Gebäudes über den Betrieb bis zu Rückbau und Wiederverwendung.

Michael Schuster: Wie kann eine KI zu Beginn eines Entwurfs dazu beitragen, die Grundstücksfläche optimal zu nutzen?

Jan R. Krause: Hierfür gibt es eine gute Datengrundlage: Das Baurecht ist bekannt, die Flächen und die Ausrichtung sind bekannt, die demografischen Daten sind bekannt, Grundstückswerte und Mieterträge der Nachbarschaft lassen sich ermitteln, die Infrastruktur des Quartiers kann herangezogen werden, um die Lage zu bewerten. Verschiedene KIs verfolgen den Ansatz, auf dieser Datenbasis Szenarien zu entwickeln. Rehub, ein KI-Startup aus Köln, bietet automatisierte Machbarkeitsstudien und sogar einen individuellen Modulbaugenerator, um frühzeitig ein Bauvolumen für diese Bauweise zu optimieren. Ein anderes Start-up aus Münster, syte, bietet eine KI zur Potenzialermittlung für Neubau und Bestand und auch KI-Tools für die Potenzialermittlung solarer Energiegewinne über PV-Anlagen.

Michael Schuster: Du bezeichnest diese Unternehmen als Start-ups. Beide wurden 2021 gegründet. Wie lange bleibt ein Unternehmen eigentlich ein Start-up?

Jan R. Krause: Für ein Start-up gibt es keine verbindliche Definition. Oft werden Unternehmen, die jünger als fünf bis sieben Jahre sind und weniger als 100 Mitarbeiter haben, als Start-ups gesehen. Die Bezeichnung hängt wesentlich von der spezifischen Branche und der Innovationsorientierung des Unternehmens ab. Solange ein Unternehmen noch dabei ist, Neues zu entwickeln, seine Innovation zu skalieren und sich mit seiner Technologie und seinem Geschäftsmodell am Markt zu etablieren, kann man es als Start-up bezeichnen. Diese Merkmale treffen auf die beiden Unternehmen zu.

Michael Schuster: Neben dem Neubau ist das Bauen im Bestand von wachsender Bedeutung. Über KI-Tools für den Bestand hatten wir uns bereits in der DBZ 04 | 2025 unterhalten. Gibt es hier weitere interessante KIs, die helfen, den Bestand unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu bewerten?

Jan R. Krause: Viele Architekturbüros haben inzwischen den größeren Teil ihrer Aufträge im Bestand als im Neubau. Auch im Büro Caspar, bei dem wir heute zu Gast sind, liegt der Anteil an Bestandsplanungen bei über 70 Prozent. Insofern ist die Bewertung des Vorgefundenen eine wichtige Aufgabe, um möglichst schnell eine gute Einschätzung und Handlungsempfehlungen zu geben. Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt: Wie ist der Zustand des Bestands und was ist sein Potenzial? R3leaf, ein KI-Start-up aus Leipzig, liefert solche Zustandsbewertungen mit einer Einordnung zu Klimarisiken, Sanierungsbedarf und Kosten für einzelne Immobilien oder ein ganzes Portfolio.

Michael Schuster: Welche Nachhaltigkeitswerte lassen sich denn mit KIs überhaupt ermitteln?

Jan R. Krause: Wir können über die KIs die ökonomischen und ökologischen Kenndaten ermitteln und entwurfsbegleitend einschätzen. Bei der entwurfsbegleitenden Einschätzung der Ökobilanz geht es um den CO₂-Footprint, die wohl einflussreichste Kenngröße, die wir künftig zu jedem Gebäude mitliefern müssen. Hier geht es aber auch um Energieeffizienz im Gebäudebetrieb, um Simulationen und Variantendarstellungen von Belichtungssituationen im Raum und Arbeitsplatzqualität, es geht um Solarerträge und um unterschiedlichste Aspekte an Umweltauswirkungen, die aus den eingesetzten Materialien resultieren. Mit Revalu connect+ gibt es ein interessantes cloudbasiertes KI-Tool, das Materialien anhand ihrer Umweltperformance klassifizieren soll. Diese Datenbank bewertet Baustoffe nicht nur hinsichtlich ihres CO₂-Ausstoßes, sondern auch in Bezug auf ihren Energie- und Wasserverbrauch sowie ihre Wiederverwertbarkeit. Besonders interessant ist hier die große Übersicht biobasierter und regenerativer Materialien.

Michael Schuster: In welchen Phasen des Planungsprozesses bringen KI-Tools den größten Nutzen in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Jan R. Krause: Die KIs, über die wir hier sprechen, bringen einen großen Nutzen in der Entwurfsphase und in der Ausführungsplanung. Der Entwurf wird jetzt frühzeitig beeinflusst durch Entscheidungsparameter aus der entwurfsbegleitenden Ermittlung der Umweltauswirkungen.

Michael Schuster: Wie werden denn diese Werte eine Entwurfsentscheidung beeinflussen?

Jan R. Krause: Wir haben neue Parameter an der Hand, die wir bislang erst nach dem Entwurf ermitteln konnten. Die Berliner Architekten Christina Gresser und Philipp Eichstädt, die in den vergangenen zwei Jahren viele KIs untersucht haben, erläutern die Situation so: „Früher haben wir Nachhaltigkeit vorgegeben, dann Nachhaltigkeit simuliert und anschließend Nachhaltigkeit berechnet. Diese drei Prozesse verschmelzen jetzt miteinander. Der berechnete Zustand wird nicht erst erreicht, nachdem die meisten kritischen Designentscheidungen getroffen sind, sondern gleichzeitig.“ So können in Variantendarstellungen KI-gestützt messbare Nachhaltigkeitsdaten zu relevanten Kriterien für Entwurfsentscheidungen werden.

Michael Schuster: Es gilt also nicht mehr Form follows Function, sondern Form follows Fakten, der Entwurf folgt der KI?

Jan R. Krause: Die KI ist nur das Tool, der Entwurf folgt der Ökobilanz.

Michael Schuster: In der Regel spricht man von einem Nachweis. Was sagt man eigentlich zum Nachweis im Vorfeld?

Jan R. Krause: Der Tragwerksplaner Michael Maas hat in ­unserem letzten KI-Dialog (DBZ 05-2025) vom Vorweis gesprochen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Prozesse umzudrehen. Da gibt es interessante Parallelen zur Nachhaltigkeitsermittlung.

Michael Schuster: Welche KI-Tools gibt es für diese entwurfsbegleitende Nachhaltigkeitsbewertung?

Jan R. Krause: Für fast alle Aufgaben haben wir inzwischen mehrere KI-Tools an der Hand, die ähnliche Funktionen erfüllen. Neben R3leaf sind mir noch drei weitere aufgefallen: ­Metabuild, Caala und CoveTool. Jedes Architekturbüro muss prüfen, welche KIs so gut mit Daten trainiert sind, dass sie zu den entsprechenden Bauaufgaben passen und wie gut sie sich mit Daten abgeschlossener Bauvorhaben trainieren lassen, damit eine KI maßgeschneidert das leistet, was der eigenen Arbeitsweise entspricht.

Michael Schuster: Suchen nicht viele Architekten einfach einen ausgestatteten Werkzeugkoffer, in dem alles drin ist?

Jan R. Krause: Wer eine Universal KI-Toolbox mit 40-teiligem Werkzeug Set erwartet, wird wie beim analogen Werkzeugkoffer erleben, dass er davon am Ende nur drei Werkzeuge benutzt und sich anlassbezogen weitere Spezialwerkzeuge dazukauft. Ich empfehle daher umgekehrt vorzugehen. Kauf Dir eine leere Toolbox und fülle sie nach und nach mit den KI-Tools, die Du brauchst.

Michael Schuster: Dann betrachten wir mal den Gebäudebetrieb. Welche Informationen über die Nutzungsphase können wir unter Nachhaltigkeitsaspekten frühzeitig KI-gestützt heranziehen, um bessere Entwurfsentscheidungen zu treffen?

Jan R. Krause: Für den Betrieb gibt es zwei Ebenen, die interessant sind: die Kostenebene und die Wartungsebene. Welche Betriebskosten haben wir im Lebenszyklus einer Immobilie für Energie, Pflege, Erneuerung zu erwarten? Dafür ist keeValue ein interessantes Instrument, weil diese KI nicht nur die Erstellungskosten betrachtet, sondern alle zu erwartenden Kosten in einem Lebenzyklusrechner berücksichtigt. Das umfasst die Nutzung, mögliche Umbauten und Instandsetzungen bis hin zu End-of-Life-Kosten, wie Abbruch, Rückbau und Verwertung.

Michael Schuster: Und welche Rolle spielen KIs für die Wartung selbst?

Jan R. Krause: Seit wir miteinander verbundene Geräte, die über das Internet kommunizieren und Daten austauschen können, als Internet of Things (IoT) bezeichnen, gibt es die Idee der „predictive maintenance“, der vorausschauenden Wartung. Über KIs lassen sich die gesammelten Daten auswerten, Muster erkennen und darstellen, wann ein System voraussichtlich versagen wird. Ziel ist es, das Gerät vor Eintritt des Schadensfalls instandzusetzen, um einen Ausfall zu vermeiden. Ein anschauliches Beispiel sind Aufzugtüren, die nach einer bestimmten Zahl von Öffnungs- und Schließvorgängen nachjustiert oder bei denen Verschleißteile ausgetauscht werden müssen. Neben Komforteinbußen und eingeschränkter Barrierefreiheit ist der Ausfall von Aufzugsanlagen ein echter Kostenfaktor. Im Wohnungsbau hat das oft Mietminderung zur Folge. Im Bürohaus hat die Wartezeit vor Aufzügen ernstzunehmende betriebswirtschaftliche Auswirkungen durch Arbeitszeitverlust. Deswegen ist es so wichtig, wenige Tage bevor ein System versagt, einen Mechaniker zu schicken, statt einige Wochen danach.

Michael Schuster: Wie sieht es aus, wenn wir ans Ende vom Lebenszyklus eines Gebäudes kommen? Welche Orientierung können KIs bei Re-use und Recycling geben?

Jan R. Krause: Hier gibt es interessante neue Verbindungen: Madaster ist ein Kataster für Materialien, eine Plattform, die zirkuläres Bauen erleichtert. Die Kooperation mit dem KI-Start-up syte ermöglicht die Analyse von Bau- und Materialpotenzialen sowie die Bewertung von bestehenden Gebäuden, um CO₂-Emissionen zu reduzieren und Zirkularität zu fördern. Dazu werden Gebäudedaten wie Adresse, Baujahr, Nutzungsklasse und Rauminhalt mithilfe einer API-Schnittstelle von syte zu Madaster transferiert. Diese Daten werden zur Berechnung der verbauten Materialien und deren Massen verwendet, was die Grundlage für die Ermittlung der grauen Energie und des Zirkularitätsgrades sowie der Rohstoff-Restwerte darstellt.

Michael Schuster: Gibt es bereits Pilotprojekte dafür?

Jan R. Krause: In der Kölner Innenstadt wurden rund 10 000 Gebäude gemeinsam analysiert. In diesem Testgebiet wurden mehr als 12 Mio. Tonnen Material mit einem CO₂-Fußabdruck von mehr als 2 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalenten dokumentiert. Die Bauteilbörse Concular geht noch einen Schritt weiter. Sie hat zusammen mit Circular Structure Design bereits vier ­Pilotprojekte in Deutschland, Finnland, Schweden und den Niederlanden gestartet, um Bauteile aus dem Gebäude­bestand wiederzuverwenden. Patrick Teuffel, Geschäftsführer von Circular Structure Design, befasst sich damit, wie der Entwurfsprozess hinsichtlich Re-Design und Re-Assembly mit KI unterstützt werden kann. Denn hier wird nicht ein Entwurf in Material übersetzt, sondern umgekehrt geschaut, welche Bauteile verfügbar sind und wie sich daraus ein neuer Entwurf generieren lässt. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz DFKI wird datenbasiert abgeglichen, welche Eigenschaften gesucht und welche verfügbar sind. Das KI-gestützte Daten-Matching reicht von Materialeigenschaften über die ökologische Bewertung bis zur statischen Belastbarkeit.

Michael Schuster: Das klingt nach einer neuen Dynamik in der KI-Szene. Insellösungen der ersten Entwicklungsphase werden auf diese Weise sinnvoll mit konkreten Anwendungsfeldern verknüpft und erhalten damit eine immer größere Relevanz. Wie sieht es denn im größeren Maßstab aus? Wie lassen sich KI-gestützt Aussagen zu Umweltauswirkungen nicht nur bezogen auf das Haus, sondern auch auf Quartiers­ebene treffen?

Jan R. Krause: Wir müssen Architektur immer im Kontext sehen. Deshalb muss diese Frage ganz am Anfang stehen bei der Entscheidung, an welchem Ort wir planen, wie wir planen, für wen wir planen. Wesentliche Entwurfsentscheidungen wie Ausrichtung, Bauweise, Versiegelung, Dachgestaltung, Farbe, Materialität und Funktionalität der Gebäudehülle beeinflussen das Mikroklima eines Straßenzugs oder eines Quartiers. Die Auswirkung auf die Erhitzung der Städte ist unter dem Titel „Stresstest“ das große Thema des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale in Venedig, die gerade eröffnet wurde. Carlo Ratti, der Biennale Kurator hat der Ausstellung den Titel gegeben: „Intelligens. Natural. Artificial. Collective.“ Ich denke, diese weltgrößte Architekturausstellung wird zahlreiche Hinweise zu dieser Frage liefern, der wir unser nächstes Gespräch widmen sollten.

Michael Schuster: Mit diesem Ausblick auf den nächsten DBZ KI-Dialog könnten wir an dieser Stelle eigentlich abschließen. Ich habe aber noch eine letzte Frage: Ist es nicht ein Widerspruch, über KI und Nachhaltigkeit zu sprechen, wenn wir berücksichtigen, welch enormer Energieverbrauch mit dem Einsatz von KI-Technologie verbunden ist?

Jan R. Krause: Diese Frage sollte bei der KI-Nutzung immer angesprochen werden. Man müsste eigentlich an seinem Laptop oder Smartphone eine Anzeige haben, die über den Energieverbrauch informiert. Eine ChatGPT-Anfrage verbraucht das Zehnfache wie eine Google-Anfrage. Das bezieht sich auf die Textebene. Das Generieren von Bildern oder Filmen verbraucht noch deutlich mehr Energie. Dieser Energieverbrauch muss in einem vertretbaren Verhältnis zu der Energieeinsparung im Planungsprozess und in der Lebenszyklusbetrachtung eines Hauses stehen. KIs müssen so bewusst verwendet werden, wie alles andere, was Energie verbraucht. Es geht beim verantwortungsbewussten Einsatz von KI nicht nur um Urheberschutz und Haftungsfragen, sondern auch um den verantwortungsvollen Umgang mit Energie. Ich denke, dieser Bewusstseinswandel wird kommen.

Das Gespräch wurde in den Räumen von caspar. in Köln geführt. „caspar.“ ist ein 2019 von Caspar Schmitz-Morkramer gegründetes Architekturstudio, das aus dem 2004 gegründeten Büro meyerschmitzmorkramer hervorging. Etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen sich an den Standorten Köln und Hamburg mit allen Bauaufgaben – in allen Leistungsphasen mit ausgewogenen Ansprüchen an nachhaltige Lösungen für den Betrieb und die Konstruktion. „caspar.“ ist Spezialist für das Ganze – auch wenn schwerpunktmäßig im Bürobau und -umbau, in der Arbeit im Bestand, der Quartiersbildung, in der (Re-)Vitalisierung und der Stadtreparatur. „caspar.“ ist interessiert, Künstliche Intelligenz mit Augenmaß in Planungs- und Bauprozesse zu integrieren. Mit der gezielten Einführung modellbasierter und datengetriebener Prozesse konnte „caspar.“ bereits Fortschritte erzielen: So hat Building Information Modeling (BIM) neue Möglichkeiten eröffnet, insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeitsbewertung und KI-gestützten Analyseprozesse. Zudem evaluiert „caspar.“ neue, auch KI-gestützte Softwarelösungen, um die Effizienz und Qualität der Planung weiter zu verbessern. „KI optimiert Entwurfs- und Bauprozesse – die Architektur bleibt bei uns. Je mehr Prozesse automatisiert werden, desto mehr wandelt sich aber unsere Rolle: mehr Prozessmanagement als -durchführung, mehr Dirigent:in als Musiker:in.“ resümiert Caspar Schmitz-Morkramer. www.studiocaspar.com
Ausblick
DBZ 07/08-2025: KI für die Resiliente Stadt
Rückblick
DBZ 05-2025: Künstliche Intelligenz im Engineering
DBZ 04-2025: KI-Einsatz beim Bauen im Bestand
DBZ 03-2025: KI Innovationen
DBZ 01/02-2025: KI International
DBZ 12-2024: KI Einstieg in den Dialog
Sonderteil
DBZ 01/02-2025: Der große KI-Überblick mit Glossar
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2025

KI-Innovationen für Architekten und Ingenieure

Michael Schuster: Eine neue KI aus China hat Ende Januar die KI-Welt durchgewirbelt: R1 von DeepSeek. Anlass für uns, miteinander über Innovationen in Künstlicher Intelligenz zu sprechen. Was ist...

mehr
Ausgabe 12/2024

KI-Dialog. Wir liefern ihn

JAN R. KRAUSE: Mit der Dezember-Ausgabe 2024 startet die DBZ den KI-Dialog, um regelmäßig aktuelle Entwicklungen der künstlichen Intelligenz zu reflektieren. Warum gerade jetzt?   MICHAEL...

mehr
Ausgabe 05/2025

Künstliche Intelligenz im Engineering

Michael Schuster: Bisher hatten wir in unserer Reihe „DBZ KI- Dialog” den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Architektur betrachtet. Heute wollen wir KI-Perspektiven für Ingenieure und...

mehr
Ausgabe 01-02/2025

KI international

MICHAEL SCHUSTER: Heute wollen wir einen Blick über den Tellerrand werfen und über KI im internationalen Kontext sprechen. Wo stehen wir in Deutschland, zwei Jahre nachdem Chat GPT und andere...

mehr
Ausgabe 04/2025

KI-Einsatz beim Bauen im Bestand

Michael Schuster: Ich erinnere mich gut an mein erstes Interview für die DBZ mit der Bundesstiftung Baukultur. Gerade war der Baukulturbericht 2022/23 mit dem Titel „Neue Umbaukultur“...

mehr