Wir möchten uns zügig überflüssig machen!
Architects for Future (A4F) ist ein gemeinnütziger Verein, der allen in der Baubranche ein Begriff ist. Doch woran arbeiten die engagierten PlanerInnen hinter dem großen Namen? Einige Mitglieder nahmen sich die Zeit für die Beantwortung unserer Fragen.
Was passiert aktuell mit der (Um-)Bauordnung?
Welche Ziele setzt sich A4F für die Zukunft?
A4F: Wir denken, unsere Botschaft, dass die Bauwende JETZT in die Wege geleitet werden muss, ist schon an vielen Stellen angekommen, die Dringlichkeit jedoch nicht. Was jetzt in Politik, Planung, Produktion und Bau ansteht, ist vom Reden ins Handeln zu kommen und der Klimakrise aktiv und angemessen zu begegnen. Nachhaltigkeit muss vom Nice-to-Have zum Grundgedanken und zur Basisausstattung und somit zum neuen Normal werden. Das bedeutet Veränderungen in der Planung, der Projektabwicklung und auch bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. Die große strukturelle Trägheit bei Veränderungen im Bausektor können wir uns angesichts der Klimakrise und Ressourcenknappheit nicht mehr leisten, ohne die kommenden Generationen übermäßig zu belasten. Das Trägheitsmoment überwinden, bedeutet jetzt viele mühsame Fragen zu stellen und konkrete, schnelle Antworten (im Krisenmodus!) darauf zu finden. Wer übernimmt die Verantwortung für die Ausführung von innovativen Ansätzen? Welche Versicherung deckt nicht nur ab, was bereits länger bewährt ist? Wie lösen wir den Sanierungsstau auf, ohne kopflos zukünftige Sanierungsfälle zu schaffen, weil unsere Energieeffizienzstandards in Bezug auf klimagerechtes Bauen jetzt schon veraltet sind?
Wir als A4F werden konkreter in unseren Forderungen und versuchen, auch konkrete Anregungen zu geben: Beispielsweise stellen wir in unseren Web-Seminaren gelungene Ansätze, Experimente und Projekte vor. Wir wollen Lust auf Veränderung machen, sie aber auch konsequent einfordern. Zum Beispiel haben wir in unserem 100-Tage-10-Punkte-Plan für die neue Regierung im November 2021 ein Bauministerium vorgeschlagen und das GEG zu einem Gebäude-Klimaneutralitätsgesetz auszuweiten. Daher hat uns die Entscheidung der neuen Koalition für ein Bauministerium gefreut: Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Wir merken, dass wir da einen Nerv in der Baubranche und auch in der Gesellschaft allgemein treffen. Spätestens seit der Petition BauwendeJETZT! und den Vorschlägen für eine MusterUMbauordnung häufen sich die Anfragen, denen wir im Ehrenamt kaum mehr hinterherkommen. Mit dem Bekanntheitsgrad steigt auch die Erwartungshaltung an uns. Der möchten wir gerecht werden, uns aber gleichzeitig am besten zügig überflüssig machen.
Wo liegen die Risiken generell und für euch?
Angesichts der Herausforderungen durch die Klimakrise sind Gewohnheit, Verzagtheit und Resignation unangebracht, aber allzu verständlich. Wenn wir weiter unzureichend handeln, verpassen wir unsere Chance die Krise selbst zu gestalten, sondern lassen uns von ihr überrennen.
Wie alle Klimabewegungen riskieren wir inzwischen die Überlastung von Ehrenamtlichen. Da müssen wir aufpassen, mit unseren eigenen Ressourcen achtsam umgehen und neue Strukturen schaffen.
Wie wollt Ihr die gesetzten Ziele erreichen?
A4F: Derzeit priorisieren wir die Unterstützung des Ehrenamts durch Hauptamtliche als Teil von A4F. Dazu haben wir uns auf eine EU Förderung beworben und starten eine Crowdfunding Kampagne über den Jahreswechsel 2021/2022. Unser Ziel ist es, dadurch eine Geschäftsstelle und hauptamtliche Unterstützung für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung, in Bildungsprojekten und bei dem Aufbau einer Wissensdatenbank zu schaffen.
Selbstverständlich schauen wir genau hin, was die neue Regierung vorhat. Wie schon zur Mus-terbauordnung werden wir auch zu den aktuellen Themen Positionspapiere und Stellungnahmen verfassen. Ein Gesetz mit enormem Hebel, das 2023 novelliert werden soll und das wir gerade unter die Lupe nehmen, ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Wir werden unsere Positionspapiere öffentlich vorstellen und an der Politik dran bleiben, damit auf Worte Taten folgen.
Neben den vielen lokalen Projekten, unseren regelmäßig stattfinden Web-Seminaren sowie einer Vielzahl von öffentlichen Auftritten in der Presse, bei Veranstaltungen und an Universitäten, planen wir derzeit ein A4F-Vernetzungstreffen im Frühjahr 2022. Die Aufklärung von Planenden, AuftraggeberInnen und PolitikerInnen über wissenschaftliche Erkenntnisse zu Klimaschutz im Bauwesen sehen wir als zentrale Aufgabe an. Im Rahmen einer mehrtägigen Veranstaltung wird es Workshops zur Weiterbildung, aber auch die Möglichkeit zur Vernetzung mit Kooperationspartnern, der Politik und der Öffentlichkeit geben.
Wie soll in Zukunft gebaut werden?
Ob im Neubau oder im Bestand – die Konstruktionsweise und die Wahl der Materialien muss stärker in den Fokus genommen werden. Das Ziel ist es, geschlossene Materialkreisläufe zu etablieren, im gesamten klimapositiv zu bauen und gesunde Umgebungen zu schaffen.
Ob wir in der Planung, Entwicklung, oder Herstellung tätig sind, als HandwerkerInnen oder AuftraggeberInnen – wir alle müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen für das, was wir in die Welt setzen. Wir müssen uns wieder bewusst werden, welchen Einfluss wir haben, für wen wir bauen und wer auch in Zukunft davon profitieren soll. Unsere Gebäude müssen sich verändern, klimaresilient werden und die Biodiversität fördern. Das alles ist keine leichte Aufgabe und deshalb müssen wir zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen.
Was sind realistische Ziele, was sind Träume?
A4F: Ist 1,5 °C noch realistisch? Das wissen wir nicht. Es sieht nicht gut aus. Alles darüber ist aber ökologischer Notstand und über 2 °C eine Katastrophe. Traurigerweise müssen wir uns inzwischen darauf einstellen und gleichzeitig entschlossen alles dafür tun, dass es nicht so weit kommt. Wir können Siedlungsgebiete resilienter machen und z. B. zu Schwammstädten umbauen, wir können den Flächenverbrauch stoppen und klimaneutral sanieren, umbauen und aufstocken.
Was aus unserer Sicht realistisch ist: jetzt auch beim Thema Klima in den Krisenmodus zu wechseln! Wir würden die Frage daher gerne umdrehen: Was sind die notwendigen Etappenziele für eine Krisenstrategie, die unseren Planeten langfristig bewohnbar hält? Was sind zielführende Schritte und welche Träume helfen uns dabei, diese Schritte jetzt zu gehen? Denn die Zukunft müssen wir uns erst entwerfen, bevor wir uns auf sie zu bewegen wollen. Sonst laufen wir ohne Richtung einfach nur davon. Zwei Kolleginnen haben gerade eine kleine Utopie in einer Kolumne im Fachportal ‘Wohnungswirtschaft heute’ veröffentlicht. Da skizzieren sie ein lebenswertes, überraschend alltägliches Umfeld einer Enkelin, die staunend von den Umbrüchen im Leben ihrer Oma erzählt: Bauwende, Energiewende, Verkehrswende, Ressourcenwende, Sharing-Konzepte und Kreislaufwirtschaft… „So sehr man sich anfangs gegen einen Wandel gesträubt hat, umso schneller ging es dann zum Glück auch”, erzählt sie.