Unterirdische Speicher
Kita und Jugendzentrum in Köln-Finkenberg

Mit einem intelligenten Speicherkonzept gelang bei dem Neubau einer Kita mit Jugendzentrum in Köln die erfolgreiche Reduzierung der Betriebskosten auf ein Minimum. Das Projekt wurde von der Stadt Köln als Smart City Cologne Projekt ausgezeichnet.

„Energetik beginnt mit dem Entwurfskonzept“, beschreibt Architekt Werner Wittkowski seine Überlegungen, die der Planung für das Gebäude des Helmut-Grau-Hauses in Köln-Finkenbach zugrunde liegen. Der Neubau beherbergt eine Kita mit sechs Gruppen und ein davon räumlich getrenntes Jugendzentrum. Zum energieeffizienten Bauen gehört für Wittkowski eine wärmebrückenreduzierte Gebäudehülle, die bei diesem Bauprojekt mit einer massiven Konstruktion aus verfüllten Mauerwerksziegeln umgesetzt wurde. Die monolithischen Außenwände mit 42,5 cm Wand- und 46 cm Konstruktionsstärke mussten dank der integrierten Mineralwolledämmung nicht zusätzlich gedämmt werden, denn die Anforderungen der EnEV 2016 werden mit dem U-Wert von 0,22 W/m²K bereits erfüllt. Neben der Robustheit der massiven Außenwandschale und der damit verbundenen Unempfindlichkeit gegen spielerische Attacken durch Kinder oder Jugendliche schätzt Wittkowski vor allem die Speicherfähigkeit des Mauerwerks: Im Sommer werden heiße Außentemperaturen im Innenraum durch die gespeicherte Nachtkühle gemildert, im Winter wird die Heizwärme im Mauerwerk gepuffert und zeitversetzt wieder abgegeben. Das Gebäude wurde nach Nord-Süd ausgerichtet, was bedeutet, dass die Gruppenräume nach Wes-ten orientiert werden konnten und damit sommers wie winters eine optimale Tageslichtausbeute verzeichnen. Weit auskragende Dächer und Fluchtbalkone verschatten die großflächigen Fenster und helfen im Sommer, Kühllasten zu verringern und Blendwirkung zu vermeiden. In den Übergangsmonaten steht die Sonne tiefer und die passive Solareinstrahlung kann genutzt werden.

Das Energiekonzept

Zu einem Leuchturmprojekt für die Stadt Köln wurde das Projekt durch das intelligente Speicherkonzept. Bereits in einem früheren Bauprojekt hatte das Architekturbüro ein Energiekonzept mit Eisspeichertechnik erfolgreich umgesetzt. Zusammen mit den Fachplanern von PBS Energiesysteme wurde nun für das Jugendzentrum in Köln-Finkenberg ein erweitertes Speicherkonzept entwickelt, das auf einer Wärmepumpenanlage in Kombination mit einem Latentwärmespeicher auf Wasser-/Eisbasis und einem Erdspeicher als Wärmequelle basiert. Die Energiegewinnung erfolgt auf dem Dach durch eine absorberunterstützte Photovoltaikanlage und Flachdachabsorber. Die Wärmepumpenanlage greift über eine Temperatur-Differenzregelung immer auf die optimale Wärmequelle zu. So werden die Wärmepumpen mit einer möglichst hohen Wärmeeintrittstemperatur betrieben und eine maximale Jahresarbeitszahl erreicht.

Der Erdspeicher

Der Erdspeicher ist als saisonaler Solarspeicher unter der Bodenplatte des Gebäudes angeordnet. Dafür wurden Soleregister in einem Abstand von 35 cm schichtenweise ins Erdreich eingebracht. In sechs Lagen wurden insgesamt 4 000 m vernetzte PE-Rohre verlegt, die einzelnen Lagen mit Kies aufgefüllt und dann jede einzelne Lage separat abgedrückt und protokolliert. Im Vorfeld waren dafür einige Versuchsfelder angelegt worden, um das Verfahren auszuloten.

Das Einpuffern von Wärmeenergie in den Erdspeicher erfolgt ganzjährig. Die Energie wird auf dem Hauptdach des Gebäudes gewonnen, das als sogenanntes Kraftdach ausgeführt wurde. Wittkowski meint damit eine Photovoltaikanlage mit einer Gesamtleistung von 252 kWp, deren Module 45 000 kWh Strom im Jahr erzeugen und damit 69 % des Energiebedarfs für die Wärmepumpe sicherstellen. Auf der Rückseite der Module sind Absorber angebracht, die die aufstauende Wärme, die sich zwischen PV-Kollektor und Dach-

abdichtung bildet, absorbieren und abführen. Bekanntermaßen kommt es bei Außentemperaturen über 25 °C bei den PV-Modulen leicht zu Leistungsabfällen durch Überhitzung. Dieser Abwärmeüberschuss, für den es bisher keine Verwendung gab, wird im Sommer in den Erdspeicher eingeführt und dort für die spätere Nutzung im Winter gespeichert. Durch diese sinnvolle Ergänzung kommt es zu einem willkommenen Kühleffekt, der sich leistungssteigernd auf die PV-Module auswirkt: Im Monitoring konnte eine Erhöhung der Stromproduktion der PV-Anlage um 10 − 15 % nachgewiesen werden.

Die eingelagerte Energie steht für die Beheizung des Objekts zur Verfügung. Wird in der Übergangszeit Wärme für die Heiz- oder Lüftungsanlage benötigt, kann diese dem Erdspeicher mithilfe der Wärmepumpe entzogen werden. Damit wird der Eisspeicher entlastet, sodass durch die Kombination von Eis- und Erdspeicher das Volumen des Eisspeichers um 40 000 l verkleinert und die Absorbertechnik minimiert werden konnte.

Der Eisspeicher
Für den Eisspeicher wurde ein 172 m³ großer Betonkörper in das Erdreich eingelassen, wasserdicht und ohne Dämmung, damit auch die Wärme vom Erdreich mit aufgenommen werden kann. Der Eisspeicher wird durch Flachdachabsorber unterstützt, die neben der direkten Sonneneinstrahlung auch die Energie der Umgebungsluft aufnehmen. Darüber und über die Kraftdachanlage kann beiden Speichern zur Regeneration Wärme zugeführt werden, um die Quellentemperatur während der Heizperiode hoch zu halten. Um möglichst viel Eis für den nächsten Sommer zu generieren, werden die Regenerationsquellen für den Eisspeicher allerdings zum Ende der Heizperiode abgeschaltet. Beim Heizen wird dem Eisspeicher über die Wärmepumpe Wärme für die Warmwasserbereitung entzogen. Bei dieser Entladung gefriert das eingelagerte Wasser zu 80 % – der Prozess wird ständig überwacht, damit die Ausdehnung nicht den Betonkörper sprengt. Besteht im Sommer Kühlbedarf, steht die im Eisspeicher eingelagerte Kälte zum Kühlen zur Verfügung – damit kann um 3 − 4 °C heruntergekühlt werden, kostenlos und schadstofffrei. Hierfür wird bei deaktivierten Wärmepumpen kaltes Wasser aus dem Eisspeicher über Plattenwärmetauscher geführt und die so gewonnene Kälteenergie dem Kühlsystem zur Verfügung gestellt.

Das Zukunftskonzept rechnet sich

Das Energiekonzept wird einem Monitoring unterzogen. Im ersten Jahr gab es einige Nach-

justierungen, aber die Werte geben keinen Anlass, das Prinzip in Frage zu stellen. Ganz im Gegenteil: Die gesamten Energiekosten für Beheizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasserbereitung, Nebenaggregate und Beleuchtung liegen mehr als 20 % unter den angestellten Prog-nosen und wesentlich unterhalb der gegenwärtigen Richt- und Durchschnittswerte von 1,55
− 2 €/m² im Monat. Der tatsächliche Energieverbrauch für den gemessenen Zeitraum von November 2015 bis Oktober 2016 wurde mit 28 117 kWh ermittelt und die daraus resultierenden Betriebskosten mit 50,41 €/m²a bzw. 0,38 €/m² pro Monat angegeben. Die Herstellungskosten für die Anlage lagen zwar erheblich höher als für eine konventionelle Heizungsanlage, mit größeren Investitionen rechnet Wittkowski jedoch nach Ablauf der Amortisations-

zeit von 15 Jahren nicht. „Die Kopplung Erdspeicher-Eisspeicher ist für uns eine optimale Ergänzung, das gilt nicht nur für dieses Projekt. Beides sind geschlossene Systeme, die keinen Wartungsbedarf haben – ein weiteres Plus,“ so Wittkowski. Das Konzept eignet sich damit auch für andere Nutzungen und wird in einem geplanten Großprojekt in Köln für Mehrfami-lienhäuser bereits erneut Anwendung finden. ISCH

Baudaten
Projekt: Neubau einer Kindertagesstätte mit sechs Gruppen und einem Jugendzentrum
Standort: Theodor-Heuss-Str. 9a/9b, Köln-Finkenberg
Bauherr: Haus der Offenen Tür Porz e.V. Architekt: Wittkowski & Partner, Köln,
Tragwerk: Jeromin + Vester, Köln, www.kuk.de/jeromin-vester/
Bauphysik: Dipl.-Ing. Harald Lengersdorf, Übach,

Haustechnik/Energiekonzept: PBS Energiesysteme, Haan, www.pbs-energie.eu
Monitoring: Ing.-Büro PBS Energiesysteme, Haan, www.pbs-energie.eu und leitec® Gebäudetechnik GmbH, Heiligenstadt, www.leitec.de
PV-Anlage/Kraftdach: Wierig GmbH Dach und Fassade, Siegburg, www.wierig.de
Energiekonzept
Dach: Abdichtung, 200 mm Polystyrol-Hartschaum WLG 035, 1 mm Kunststoffdachbahn, 240 mm Normalbeton
Außenwand: 42,5 cm monolithisches Mauerwerk aus Porenbeton-Plansteinen mit Leicht- und Putzmörtel
gegen Erdreich: 2 cm Kalkgipsmörtel, 300      mm Normalbeton, 110 mm Polyurethan-Hartschaum
Fußboden gegen Erdreich: 7 cm Estrich, Polystyrol-Hartschaum WLG 040, Abdichtung, 240 mm Normalbeton, 300 mm Schaumglas WLG 060
Gebäudehülle:
U-Wert Außenwand = 0,223 W/m²K
U-Wert Bodenplatte = 0,201 W/m²K
U-Wert Dach = 0,167 W/m²K
Uw-Wert Fenster = 0,94 W/m²K
Ug-Wert Verglasung = 0,90 W/m²K
Luftwechselrate n50 = 4/h
Haustechnik:
Wärmepumpe mit Latentwärmespeicher und einem Erdspeicher als Wärmequelle, Regeneration über Flächenabsorber integriert in Kraftdach mit PV-Anlage, Stromertrag aus PV-Anlage zum Betrieb von Wärmepumpe und Hilfsenergie, passive Kühlung aus Latentwärmespeicher über Fußbodenheizung, Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung über Rotationswärmetauscher mit Kühlung aus Latentwärmespeicher
Hersteller
Poroton-Planziegel: Wienerberger GmbH,
Thermostein: H+H Deutschland GmbH, www.hplush.de
Isokorb: Schöck Bauteile GmbH, www.schoeck.de
Eisspeicher: Viessmann Eis-Energiespeicher GmbH, www.viessmann.de
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 01/2011

Das LichtAktivHaus-Konzept Ein innovatives Energiekonzept für ein traditionelles Siedlerhaus

Die Ausgangssituation in Hamburg war die unsanierte Doppelhaushälfte eines Siedlerhauses aus den 1950er Jahren mit einer Grundfläche von 8 x 8?m und einem kleinem Anbau. Die kleinen Räume wurden...

mehr