Trocken- und Innenausbau als Beitrag zur Ressourcenschonung

Politisch bekommt Deutschland den Flächenverbrauch mit derzeit immer noch ca. 68 ha pro Tag nicht in den Griff: Vom Ziel der in der Agenda 2030 postulierten Reduktion des Flächenverbrauchs auf 30 ha pro Tag sind wir weiter entfernt denn je. Im Gegenteil, auf dem Land ist derzeit jeder Bürgermeister froh, wenn er noch ein weiteres Baugebiet ausweisen und damit junge Familien zum Bleiben überreden kann. Begünstigt durch die derzeitige Niedrigzinspolitik und getrieben von Inflationsängsten der Anleger fressen sich folglich Einfamilienhäuser und gigantische, fast menschenleere Fabrikanlagen wie Krebsgeschwüre immer weiter in die Landschaft. In den Städten versucht man dem Druck, mehr Wohnraum zu schaffen, durch Aufstockung und Schließen von Baulücken zu begegnen. Rasant steigende Materialkosten, die absehbare Verknappung von Baumaterialien sowie sich abzeichnende Zinserhöhungen werden den derzeitigen Bauboom aber mittelfristig wohl etwas einbremsen – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.

Eigentlich kann man jetzt sagen: Die bewohnbaren Hüllen sind gemacht und einen weiterhin so ungestümen Zuwachs an Neubauten kann und darf es nicht geben. Und hieraus ändern sich die Bauaufgaben: Das Bauen im Bestand mit weniger und leichteren, aber auch intelligenteren und kreislauffähigen Materialien wird zum Normalfall werden.

Jahrhundertelang wurde ein und dasselbe Gebäude über Generationen hinweg bewohnt und von diesen immer wieder repariert und damit relativ resourcenschonend instandgehalten. Vor diesem Hintergrund ist der heute gültige kalkulatorische Ansatz für den Lebenszyklus eines Gebäudes von nur 50 Jahren oder eines Industriegebäudes von nur 25 Jahren in sich schon eine Aufforderung zur Ressourcenverschwendung.

Etliche Kollegen aus der planenden Zunft sind der Meinung, dass sie schon nachhaltig sind, wenn sie einen die Mode überdauernden, „zeitlos guten Entwurf“ mit robusten Materialien und in solider Haustechnik hinstellen, der die kalkulatorische Laufzeit einigermaßen übersteht. Das hinzukriegen ist nicht ganz einfach und die Haltung ehrenwert, die Realität ist jedoch eine andere: Menschen und Familien und damit deren Lebensformen verändern sich immer schneller, Organisationsstrukturen in Verwaltungen und Industrie in immer kürzeren Zyklen. Gastro- und ­Ladenbau als gewerbliche Nutzer in den Gebäudehüllen müssen sich, um zu überleben, gerade jetzt neu erfinden und folglich auch neu darstellen. Der Klimawandel wird dazu führen, dass die in den vergangenen Jahren zu einseitig auf winterlichen Wärmeschutz konzipierten Gebäude auf mehr sommerlichen Wärmeschutz nachgerüstet werden müssen. Schon in der Bauzeit ändern sich oft Anforderungsprofile und man kommt mit den baulichen Anpassungen nicht mehr nach. Wenn wir also teure, starre Monumente für die Ewigkeit erstellen und glauben, damit nachhaltig zu sein, ist das der falsche Denkansatz. Auch würden wir damit einen großen Teil der bauenden Zunft, Planer:innen, Hersteller:innen und Verarbeiter:innen, langfristig arbeitslos machen.

Menschen und Organisationen verändert sich und wollen diese Veränderung am Gebauten innen und außen sichtbar machen. Das wird bleiben. Nur müssen die daraus resultierenden, baulichen Veränderungen viel entmaterialisierter, leichter und mit weniger primären Ressourcenverbrauch bewerkstelligt werden. Der Kreislaufgedanke beim Materialeinsatz verbietet eigentlich die Verwendung von nicht mehr trennbaren Baustoffen nach End of life oder die Verwendung technisch zwar notwendiger, aber umwelttechnisch und baubiologisch eher bedenklicher Inhaltstoffe, wie z. B. bei Klebern und Dichtungsbahnen.

Um den Baubestand schneller, aber auch materialeffizienter den dynamischen Veränderungen der Lebens- und Arbeitsformen anzupassen zu können, ist die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des modernen Trocken- und Innenausbaus unerlässlich. Deren Weiterentwicklung hin zu rezyklierbaren Materialien und am Ende des Lebenszyklus wieder leicht trennbaren Konstruktionen ist das Gebot der Stunde.

Auch die Sanitär- und Gebäudetechnik muss sich fragen, warum z. B. die Umrüstung eines Bads hin zu altersgerechter Barrierefreiheit auch als Trockenbaulösung immer noch fast einer Kernsanierung in diesem Bereich gleichkommt: Anstatt von vornhinein einen jederzeit nachrüstbaren Tragkern zu bauen, der bei Mieterwechsel durch reversible Beplankung rohrleitungstechnisch schnell und materialschonend aktualisiert und dann neu beplankt werden kann, werden immer noch meist konventionell fest verspachtelte und geflieste Vorwandinstallationen gebaut, die im Revisionsfall zerstört werden müssen.

In Rosenheim sind wir nicht nur bei dem jetzt anstehenden Wettbewerb Solar Decathlon auf der Suche nach zukunfts­fähigen Lösungen, wie bei dem durch Studierende realisierten „Silikonfreien Bad“. Für uns steht die Weiterentwicklung konstruktiver Systeme und modularer Lösungen im Sinne nachhaltigen Bauens insbesondere in den Gewerken Trockenbau und Innenausbau ganz oben auf der Agenda.

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