Unsere Zukunft? Materials Data Space

Industrie 4.0, dieser „Zaubercode für alles und jedes“, so unser Heftpate der DBZ-Ausgabe 7|2016, Prof. Christoph M. Achammer, beschreibt letztendlich nur die Verbindung von physischer und digitaler Welt. Damit diese Verbindung aber überhaupt erst möglich wird, ist die Industrie auf die passenden Materialien und Werkstoffe angewiesen. Der Forschungsverbund der Fraunhofer Gesellschaft hat dazu eine Plattform entwickelt: Der Materials Data Space stellt unternehmens­übergreifend digitale Daten zu Materialien und Werkstoffen entlang der gesamten Wertschöpfungskette bereit. Durch die Vernetzung sollen, laut Fraunhofer-Gesellschaft, kürzere Entwicklungszeiten, lernende Fertigungs­verfahren und neue Geschäftsmodelle möglich gemacht werden. Zudem ergeben sich, so die Forscher, Potentiale für Materialeffizienz, Produktionseffizienz und Recycling.

Um für die Weiterentwicklung der Industrie 4.0 die Grundlagen zu schaffen, hat der Fraunhofer-Verbund MATERIALS, der die Kompetenzen von 15 materialwissenschaftlich orientierten Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft bündelt, das Konzept des Materials Data Space entwickelt. „Der Materials Data Space stellt alle relevanten Informationen zu den Werkstoffen und Bauteilen digitalisiert in einer leistungsfähigen und unternehmensübergreifenden Plattform zur Verfügung“, beschreibt Prof. Dr. Peter Elsner, Vorsitzender des Verbunds, die Initiative. „Wir wollen es Entwicklern und Ingenieuren ermöglichen, die eingesetzten Werkstoffe in den jeweiligen Entwicklungsschritten als variable Systeme mit einstellbaren Eigenschaften zu begreifen und zu nutzen“, sagt Elsner. Am Ende der Entwicklung könnte ein virtueller Raum stehen, in dem sich Werkstücke und Produkte autonom bewegen, also in Wechselwirkung mit den Herstellungs- und Bearbeitungsmaschinen und -anlagen stehen und ihren eigenen Gestehungsprozess steuern.

„Die Entwicklung neuer Materialien“, erklärt Prof. Dr. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, „die fit für Industrie 4.0 sind, wäre ein deutlicher Wettbewerbsvorteil für die deutsche Industrie. Denn der Materialkostenanteil liegt im verarbeitenden Gewerbe zwischen 35 und 55 % des Bruttoproduktionswertes und damit deutlich höher als beispielsweise der Energiekostenanteil.“

Daten zu einem Werkstoff beziehungsweise Bauteil stehen im
Materials Data Space durchgängig über den gesamten Lebenszyklus
zur Verfügung, vom Materialentwickler über den Werkstoff-, Halbzeug- und Bauteilhersteller bis hin zum Endnutzer und zum strategischen Recycling. An jedem Schritt des Prozesses werden in Echtzeit die dynamischen Materialeigenschaften erfasst und in den Materials Data Space eingespeist. Durch die Vernetzung können sich selbst
organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke etablieren, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen. Fundament des Materials Data Space sind Datendienste, die derzeit im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts zum Industrial Data Space entwickelt und pilotiert werden.

„Wir bringen die Werkstoffe zum Sprechen“, erläutert Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn, der das Projekt koordiniert, die Idee. „Die Materialien und Werkstoffe sagen uns beispielsweise: Ich bin noch fünf Jahre lang voll belastbar, erst dann treten Ermüdungserscheinungen auf. Wenn man Element A, das in mir steckt, durch Element B ersetzt, kann ich bei viel niedrigeren Temperaturen hergestellt werden. Oder aber: Ich bin hierfür nicht mehr zu gebrauchen, aber meine Eigenschaften qualifizieren mich perfekt zur Weiterverarbeitung als X“, umreißt er die Möglichkeiten.

Viele deutsche Unternehmen, darunter auch Mittelständler, haben deshalb bereits Interesse an Use-Cases zum Aufbau und zur Nutzung des Materials Data Space signalisiert. Gemeinsam mit Industriepartnern sollen zunächst drei Pilotprojekte im Bereich der Automobilindustrie umgesetzt werden. Konkret geht es dort um Metalle, Faserverbundwerkstoffe sowie Funktionsmaterialien und deren Recycling.

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