„Quo vadis Krankenhausarchitektur“

Architekt Prof.
Hans Nickl zum Thema „Gesundheitsbauten“

Vor ca. 20 Jahren, mit dem Gewinn des offenen Wettbewerbs für das Patienten-Krankenhaus Agatharied, glaubten meine Frau, Prof. Christine Nickl-Weller und ich, eine neue Epoche in der Krankenhausarchitektur aufzuzeigen. Wir waren überzeugt, dass das veränderte Selbstverständnis der modernen Medizin auch in ihrer sichtbaren Hülle gezeigt werden muss.

Für uns war es der Einstieg in „healing architecture“, denn in einem modernen Krankenhaus gibt es z. B. keine Arbeitsplätze ohne Tageslicht mehr. Ich bin fest davon überzeugt, dass gute Architektur heute viel stärker ein Aushängeschild für eine anspruchsvolle Klinik ist. Patienten fühlen sich wohl, gute Ärzte bewerben sich eher dort und ein höherer Qualitätsstandard wird ausgestrahlt. Klinikbetreiber wurden dadurch zu Dienstleistern und müssen sich nach den Gesetzen der freien Marktwirtschaft im Konkurrenzkampf untereinander behaupten.

Durch diesen Paradigmenwechsel wird – davon war ich überzeugt – auch die architektonische Gestaltung zum Marketinginstrument. Leider erweist sich diese Meinung zunehmend als ein großer Irrtum. Ich beobachte mit wachsender Sorge, dass seit geraumer Zeit die gesetzlichen Regeln für Architekturwettbewerbe zum Nachteil der teilnehmenden Büros immer mehr aufgeweicht und bewusst umgangen werden. Dabei ist es gerade der architektonische Vergleich mit der Konkurrenz, der eine optimale Lösung für die jeweilige Aufgabe ermöglicht. Für mich ist es absurd, das Projekte in Millionenhöhe in einem 45-minütigen so genannten Verhandlungsgespräch nach VOF vergeben werden. Bausummen von über 100 Mio. € sind dabei keine Seltenheit. Als Gutachter fungieren Juristen, Projektsteuerer, Betriebswirte und Verwaltungsangestellte. Die Hauptkriterien für die Vergabe sind meist in Bewertungskatalogen festgelegt: Projektteam, Methoden der Termin- und Kostensicherheit, sowie Honorar. Über die architektonische Qualität für die gestellte Aufgabe wird nicht gesprochen, eventuell noch über die Funktion, und wir wissen alle, dass der reine Funktionalismus schon einmal gescheitert ist.

Bei den VOF-Verfahren mit vorgeschalteter Planstudie – das Wort „Entwurf“ wird aus bekannten Gründen verbannt – wird zwar eine Lösung gesucht, aber das Verfahren ist meist undurchsichtig. Oft gibt es kein Wertungsprotokoll zur Studie, die Lösungen werden selten dokumentiert und Ausstellungen finden keine statt.

Ein weiterer Aspekt, der nach meiner Auffassung der architektonischen Qualität abträglich ist, ist das riesige Spannungsfeld divergierender Interessen. Durch unzählige Teilzuständigkeiten, Kontrollen, delegierte Verantwortungen und aufgeteilte Arbeitsprozesse ist das Bauen extrem konfliktträchtig. Der eigentliche gestalterische Entwurf tritt in die zweite Reihe, das DIN A4 rangiert vor dem Plan.

Dabei ist es die Aufgabe des Architekten, Bauten zu entwickeln, die zu Identitätsobjekten und damit zu Pfeilern der Gesellschaft werden. Allein die Qualität der Architektur ermöglicht die Identifikation einer breiten Bevölkerungsschicht mit dem Bauwerk und lässt es zum Teil des Grundgerüstes einer Stadt werden. Auf diese Weise ist die Nachhaltigkeit eines Bauwerks gewährleistet und nicht beschränkt auf ein Wärmeverbundsystem. Die Architektur – auch die eines Krankenhauses – muss wieder einen Möglichkeitsraum für zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen schaffen, damit die Stadt wieder erfahrbar und für künftige Generationen eine wichtige Ressource wird.


Der Architekt

Prof. Hans Nickl konzipiert und realisiert seit über 40 Jahren Bauten für Gesundheit, Forschung und Lehre sowie sozialen Wohnungs- und Städtebau. Nach der Gründung im Jahr 1979 führt er seit 1989 gemeinsam mit seiner Frau, Prof. Christine Nickl-Weller, das Büro Nickl & Partner mit Standorten in München und Berlin.

Die Spanne seiner Arbeiten reicht vom Pionierprojekt des Patienten-Krankenhauses Agatharied bis zu Europas derzeit modernster Klinik, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Fertigstellung 2009). Langjährige Lehrtätigkeit an der TU München und der FH Erfurt, 2004 Gastprofessor an der TU Berlin. Am Lehrstuhl des Fachgebiets für Entwerfen von Krankenhäusern und Bauten des Gesundheitswesens von Frau Prof. Nickl-Weller führt er ihre gemeinsame Leidenschaft „Bauten für den Menschen zu entwickeln“ weiter. www.nickl-architekten.de

rechts: Prof. Hans Nickl
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