Rechtsprechung

Pauschalpreis, Abschlags- und Vorauszahlung

(OLG Koblenz, Beschluss vom 21.09.2020 - 3 U 490/20; BGH, Beschluss vom 05.05.2021 - VII ZR 156/20 - Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

In der vorliegenden Entscheidung musste das Oberlandesgericht Koblenz über die wechselseitigen Ansprüche aus einem Bauwerkvertrag entscheiden.

Wir nehmen diesen Beschluss zum Anlass, in diesem Rahmen einige Grundsätze für Abschlags- und Vorauszahlungen zu verdeutlichen. Der Entscheidung lag der folgende, vereinfacht dargestellte Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger beauftragten im September 2016 den beklagten Bauunternehmer mit der Sanierung ihres Anwesens. Als Vergütung vereinbaren die Parteien einen Pauschalpreis von 110.000,00 Euro. Anfang Oktober 2016 schlug der Beklagte vor, einen Kamin im Wohnzimmer zu verlegen und einen Stahlträger einzuziehen. Dazu wurden statische Berechnungen vorgenommen. Ein erstes Konzept, eine „Stützlösung“, wurde verworfen. Schließlich verständigten sich die Parteien auf ein zweites Konzept, eine „Kranlösung“, das einen Lastenabtrag über einen im 1. OG einzuziehenden Stahlträger vorsah. Diese Lösung setzte der Beklagte in der Folge um. Im Sommer 2017 führten die Parteien Gespräche über die Fortsetzung der Arbeiten und weitere Vergütungsansprüche des Beklagten. Nachdem die Kläger den Beklagten zur Fertigstellung der Arbeiten aufgefordert hatten, knüpfte der Beklagte die Fortsetzung der Arbeiten unter Hinweis auf einen behaupteten Mehraufwand, unter anderem für den Einzug des Stahlträgers, an die Zahlung von 20.000,00 Euro, davon 10.000,00 Euro als Vorauskasse und den Rest nach Durchführung der Arbeiten. Die Kläger wiesen die Forderung unter Berufung auf die vereinbarte Pauschale von 110.000,00 Euro zurück und erklärten die außerordentliche Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund. 

Die Kündigung ging durch! Die Kläger waren berechtigt, den Werkvertrag außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen.

Den Klägern stehe nach berechtigter Kündigung des Werkvertrags ein Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 281 BGB auf Erstattung der Mehrkosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens durch Drittunternehmer in Höhe von 19.779,96 Euro zu. Die außerordentliche Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt, weil der Beklagte die weiteren Ausführungen der Arbeiten von der Zahlung weiterer 20.000,00 Euro, davon 10.000,00 Euro sofort, abgängig gemacht habe, was als ernsthafte und endgültige Verweigerung einer weiteren vertragsgemäßen Erfüllung anzusehen sei. Dies stelle eine grobe Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen des Beklagten dar, so dass den Klägern eine weitere Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zumutbar gewesen sei. Da die Parteien einen BGB-Werkvertrag geschlossen hätten, sei die Vergütung erst mit Abnahme fällig. Eine abweichende vertragliche Vereinbarung auf Vorschusszahlung habe der Beklagte nicht dargelegt. Materialkosten seien nur auf Nachweis zu vergüten gewesen. Für Arbeitslohn habe dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses von 10.000,00 Euro zugestanden.

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass Vorauszahlungen vereinbart werden müssen, vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B. Zwar ist in § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Ausnahmeregelung normiert, nach welcher, wenn das Werk in Teilen abzunehmen und die Vergütung für die einzelnen Teile bestimmt ist, die Vergütung für jeden Teil bei dessen Abnahme zu entrichten ist. Eine solche Vereinbarung haben die Parteien jedoch vorliegend nicht geschlossen. Ungeachtet dessen steht es dem Auftragnehmer frei, Abschlagszahlungen in Höhe des Werts der erbrachten und vertragsgemäßen Leistung zu verlangen. Dies gilt sowohl im BGB- als auch im VOB-Vertrag. Bezahlt der Auftraggeber eine fällige Abschlagszahlung nicht, steht dem Auftragnehmer im Falle eines BGB-Vertrags ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zu. Ein ähnlicher Regelungsgehalt findet sich für den VOB/B-Vertrag in § 16 Abs. 5 Nr. 4 VOB/B. Danach kann der Auftragnehmer unter der Voraussetzung einer zuvor erfolglos verstrichenen angemessenen Frist die Arbeiten bei Zahlungsverzug des Auftraggebers bis zur Zahlung einstellen. Wichtig ist jedoch, in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Einstellung der Arbeiten für den Auftragnehmer mit einem erheblichen Risiko verbunden ist. Denn der Auftragnehmer kann nur für vertragsgemäße, also mangelfrei ausgeführte Leistungen Abschlagszahlungen verlangen. Regelmäßig sind jedoch in der täglichen Baupraxis zahlreiche Leistungen vor der Abnahme nicht frei von Mängeln. Der Auftraggeber kann dann einen Betrag in Höhe der doppelten Kosten der Mängelbeseitigung einbehalten und ihm steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Folge des Leistungsverweigerungsrechts ist die Hinderung der Verzugseintritts. Hierbei kommt es vor allem nicht auf die Kenntnis oder Geltendmachung des Mangels an, entscheidend ist allein, dass die Leistung tatsächlich nicht mangelfrei erbracht worden ist.

Eine Einstellung der Arbeiten (oder die Drohung mit einer solchen) ist also immer mit hohen Risiken verknüpft und jeder Auftragnehmer sollte sich sehr genau überlegen, ob er diese eingehen will.

Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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