Rechtsbeitrag

(Noch) Akquise oder (schon) Vertrag?

OLG Hamm, Urteil vom 14.10.2019 - 17 U 78/18; BGH, Beschluss vom 09.06.2021 - VII ZR 256/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

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Im vorliegenden Verfahren musste das Oberlandesgericht Hamm Stellung nehmen zu der Frage, ob und unter welchen Umständen von einem schlüssigen Vertragsschluss zwischen einem Bauherrn und einem Fachingenieur auszugehen ist. Dem Verfahren lag der folgende, vereinfacht dargestellte Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger beauftragte zunächst ein drittes Planungsbüro mit der Errichtung eines Gesundheitszentrums. Die Zusammenarbeit mit diesem Planungsbüro scheiterte. Daraufhin trat der Kläger mit dem Beklagten in Vertragsgespräche ein. Letzterer erstellte im Auftrag des vom Kläger beauftragten Generalunternehmers eine Kostenaufstellung, aus der sich ein Herstellungsaufwand für die technische Gebäudeausrüstung von rund 2 Millionen Euro netto ergab. In der Folgezeit verhandelten der Kläger und der Beklagte über den Planungsvertrag, wobei der Beklagte zwischenzeitlich bereits vereinzelte Fachplanungsleistungen erbrachte. Der Kläger schloss nachfolgend über den Großteil der Flächen langjährige Mietverträge ab. Nach weiteren Verhandlungen beauftragte der Kläger den Beklagten mit schriftlichem Vertrag mit den Leistungsphasen 2, 3, 5 bis 8. Weil anstelle der ursprünglich vorgesehenen Strangentlüftung eine Einzelraumentlüftungsanlage erforderlich war, erwiesen sich die Herstellungskosten für die technische Gebäudeausrüstung am Ende als deutlich teurer. Der Kläger verlangte vom Beklagten Schadensersatz wegen der Mehrkosten. Dabei führte der Kläger auch an, dass der Beklagte bereits für ihn tätig gewesen sei, bevor er, der Kläger seine langfristigen Mietverträge abgeschlossen habe.

Zu Unrecht!

Das OLG Hamm sieht in dem vom Beklagten vor Abschluss des schriftlichen Vertrages erbrachten Leistungen keine vertraglichen Leistungsverpflichtungen des Beklagten und damit auch keine Grundlage für eine Haftung wegen der erhöhten Herstellungskosten. Maßgeblich sei dabei auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Aus Sicht des Gerichts spreche gegen einen Auftrag vor dem schriftlichen Vertragsschluss insbesondere, dass der Kläger und der Beklagte intensiv über den Abschluss und die Konditionen des Vertrags verhandelt und diese noch mehrfach verändert hätten.

Diese Entscheidung des OLG Hamm liegt voll auf der Linie der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Für die Abgrenzung von Akquise zu Auftrag gilt es danach stets alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Das gelte ebenso für Fachplaner. Eine gesetzliche oder tatsächliche Vermutung dahingehend, dass nur im Rahmen eines Vertrags umfangreiche Leistungen erbracht werden, wird verneint. Oft seien die Leistungen eines Planers „Hoffnungsinvestitionen in einer Vertragsanbahnungssituation“. Das Besondere an der vorliegenden Entscheidung ist jedoch der Umstand, dass dem Planer hier der noch nicht erfolgte Vertragsschluss zugutekommt.

Solange es noch die Mindestvergütung der HOAI gab, ging es bei derartigen Sachverhalten zumeist um vom Planer erfolglos geltend gemachte Honoraransprüche. Aber auch heute hat diese Diskussion – wie nicht nur dieser Fall zeigt – immer wieder ihre Bedeutung. Dem Architekten/Ingenieur kann nur zu einer deutlichen und terminierten schriftlichen Beauftragung geraten werden, die vorgehende Akquisetätigkeiten ausdrücklich behandelt bzw. ausschließt. Verhandlungen der Parteien könnten im Einzelfall nämlich vom jeweiligen Gericht auch anders gewertet werden, als dies hier der Fall war.

Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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