Innsbrucker Ring, München

Nachverdichtung durch Vorfertigung
Innsbrucker Ring, München

Die nachträgliche Aufwertung von durch Lärm oder andere Faktoren stark belasteten Wohngebieten ist durchaus möglich. Dabei muss der Bestand nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Auch kostengünstiges Bauen ist nicht ausgeschlossen. Oftmals ist behutsame Ergänzung durch Aufstockung, Anbau oder Neubau die Lösung. Das beweist die Wohnanlage an einer der meistbefahrenen Hauptverkehrsstraßen in München.

In einem Sanierungsgebiet der Landeshauptstadt München am Mittleren Ring entstand 2012 eine Wohnanlage. Ziel der Maßnahme war die flächenschonende Nachverdichtung des Wohnquartiers. Drei bestehende Wohngebäude aus den 1960er-Jahren wurden energetisch saniert und aufgestockt. Die Modernisierung der 84 Wohnungen erfolgte durch große Balkone und bodentiefe Fenster. Ein Vollwärmeschutz und Fenster mit verbessertem Schallschutz und Dämmwert ergänzen die Aufwertung der Wohnungen. Trotz des deutlich erweiterten Wohnbestands konnte die bestehende Heizzentrale weiterhin verwendet werden, da sie bereits für den Bestand mehr als ausreichend dimensioniert war. In die Lücken zwischen den Zeilen setzten die vom Bauherrn und Grundstückseigentümer, der städtischen Wohnbaugesellschaft GWG, direkt beauftragten Münchner Architekten Felix+Jonas fünfgeschossige Neubauten, die durch ihre Anordnung die Funktion einer „Lärmschutzwand“ übernehmen.

„Lärmschutz und Nachverdichtung der Wohnanlage waren das zentrale Thema des Konzepts“, erläutern die Architekten. „Auf Wunsch konnten die Mieter auch nach Fertigstellung in den Wohnungen verbleiben. Entsprechend blieben die Hausgemeinschaften erhalten. Es gab Leute aus der Zeit des Erst­bezugs, die sehr froh waren, nicht umziehen zu müssen. Gebäude der 1960er-Jahre sind in der Regel nicht barrierefrei. Die Wohnungen der Neubauten und Aufstockungen sind nach heutigen Maßstäben behindertengerecht gestaltet. Die Treppenhäuser wurden so dimensioniert und an den Nahtstellen zwischen Alt- und Neubauten angeordnet, dass auch Wohnungen im Bestand über Aufzüge mit dem Rollstuhl erreichbar sind. Laubengänge binden die Wohnungen der Aufstockung an die Treppenhäuser an.“

Erscheinungsbild und räumliche Anordnung

Grundrisse mit durchgesteckten Wohnungen und die Anordnung von Fluren und Nebenräumen zur verkehrsbelasteten Straße hin kennzeichnen die anspruchsvollen Neubauten. Die Individual- und Wohnräume liegen zu den jetzt beruhigten Innenhöfen. Schlanke Fensteröffnungen prägen das Erscheinungsbild zum Mittleren Ring, um die Fassaden zur Straße trotz Verkehrslärm nicht abweisend, sondern auch zur Straße hin als Wohnbebauung in Erscheinung treten zu lassen. Dies war dem Geschäftsführer der GWG München Hans-Otto Kraus besonders wichtig.

Die alten Sammelgaragen im Hof mussten zugunsten einer neu erstellten Tiefgarage weichen. Das war Auflage der Stadtplanung. Den bekannten Eckkonflikt der Bebauung lösten die Architekten, indem sie auch den Bestand an den Kopfenden in die Planung miteinbezogen und dort weitere 24 größer ausfallende, über Eck ausgerichtete Wohnungen vorsahen.

Die Aufstockung erfolgte in Holzmodulbauweise. Der Vorteil besteht in der Leichtigkeit sowie der schnellen und kostengünstigen Vorfertigung. Zunächst baute man die geneigten Dächer zurück. Danach wurde die oberste Geschossdecke als tragfähige Basis für den Neubau ertüchtigt. Durch die Vorfertigung der Wand- und Deckenelemente ging der Aufbau rasch und reibungslos vonstatten. Das Dachgeschoss wurde gegenüber dem Bestand etwas zurückgesetzt. Somit ergeben sich großzügige Terrassenflächen.

Im Erdgeschoss markieren kleine Plätze die Übergänge zwischen Neu und Alt. Die Haupterschließung erfolgt barrierefrei über die Innenhöfe. Nutzte man sie früher kaum, dienen sie heute den Bewohnern als Spiel- und Aufenthaltsfläche. Den Wohnungen im Erdgeschoss wurden durch Aufschüttung private Freiflächen zugeordnet. Ein öffentlicher Durchgang im nördlichsten Bauteil schafft eine fußläufige Verbindung in Richtung Zornedinger Straße.

Mieterbelange im Zentrum

Von Anfang an wurden die Mieter und ihre Belange berücksichtigt. Man befragte sie mehrfach, um ihre Wünsche auch in die Planung einfließen lassen zu können. Es gab Workshops und Informationsveranstaltungen zu den vorgesehenen Baumaßnahmen. Zwei Drittel der Mieter blieben während der Umbauten in ihren Wohnungen. Dadurch blieben die lange gewachsenen Haus- und Wohngemeinschaften auch nach Sanierung und Neubau erhalten.

Zusammenarbeit und Einflussnahme

„Die Zusammenarbeit zwischen den Architekten und uns war sehr konstruktiv“, sagt Dagmar Englert-Friedrich, Projektleiterin der GWG. Im Zuge der Planung beeinflussten sich Bauherr und Architekt gegenseitig. Das ganze Vorhaben war öffentlich gefördert mit einkommensorientierter Förderung. Auch das Förderprogramm Wohnen am Mittleren Ring kam zum Tragen. In die Planung wurden alle maßgeblichen Referate der Stadt München und auch alle städtischen Stellen vom Amt für Wohnen und Migration bis zum zuständigen Bezirksausschuss miteinbezogen.
„Ursprünglich wollten wir den bestehenden Garagenhof beibehalten und erweitern,
um Kosten zu sparen. Die Stadtplanung und Bewilligungsstelle formulierte jedoch den Wunsch, statt der oberirdischen Stellplätze eine Tiefgarage vorzusehen. Im Gegenzug erhielten wir das Angebot der Fördermittel, um dies zu finanzieren. Umbau, Aufstockung und Neubau sind gefördert. Die energetische Aufwertung erfolgte aus einem zusätzlichen Topf.“

Das oberste Geschoss der Aufstockung ist als Terrassengeschoss ausgebildet, um die Abstandsflächen zu reduzieren. „Bei einer öffentlichen Förderung sind die Mieten festgeschrieben. Es gibt genaue Festsetzungen der Bewilligungsstelle zu Anzahl und Typen der Wohnungen. Unser Vorhaben ist 30 Jahre

lang in der Förderung. Durch den Neubau und die Aufstockung wird das Grundstück erheblich besser ausgenutzt“, erklärt Englert-Friedrich. „Die ausführende Baufirma kümmerte sich wunderbar um die Mieter, so dass es während des Bauablaufs zu keinerlei Komplikationen kam. Alles funktionierte sehr gut.“ Cordula Rau, München

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