Seelenpflege inmitten von immergrünen Pflanzen

Maggie‘s Center, Leeds/UK

Die Begrünung überragt das Maggie‘s Center für Krebspatienten, das vom Architekturbüro Heatherwick Studio auf dem Campus der St. James Universitätsklinik in Leeds gebaut wurde. Zwischen den Klinikgebäuden wirkt es fremd, doch wenn man um seine Funktion weiß, erklären sich der biophile Bau und seine Gestaltung wie von selbst.

Maggie‘s ist eine Organisation, die praktische und emotionale Unterstützung für an Krebs erkrankten Menschen, ihren Familien und Freunden gibt. Das 462 m² große Zentrum auf dem Campus des St. James University Hospital in Leeds ist das 26. Zentrum dieser Wohltätigkeitsorganisation in Großbritannien.

„Es war eine enorme Erfahrung und Ehre, das Maggie-Zentrum in Leeds zu entwerfen. Unser Ziel war es, ein Zuhause für krebskranke Menschen zu bauen, das im Gegensatz zu anderen ­typischen klinischen Umgebungen seelenvoll und einladend ist. Indem wir nur natürliche, nachhaltige Materialien verwendeten und das Gebäude in Tausende von Pflanzen tauchten, hatten wir die Möglichkeit, ein außergewöhnliches Umfeld zu schaffen, das die Besucher auf ihren schwierigen Gesundheitsreisen mit Hoffnung und Ausdauer inspirieren kann“, sagt Thomas Heatherwick, Gründer des Architekturbüros Heatherwick Studio, rückblickend über den ersten Gesundheitsbau, den sein Büro realisiert hat.

Ein grüner Hügel

Der für das neue Zentrum ausgewählte Standort war die letzte freie Fläche auf dem 5 000 m² großen Campusgelände der Universitätsklinik. Das Grundstück: ein keilförmiger Grashügel neben dem Parkplatz des Krankenhauses, der von zwei Straßen begrenzt wird und von großen Klinikgebäuden umgeben ist. Die Hanglage, die durch 6 m Niveauunterschied auf dem Grundstück entsteht, nutzte das Studio, um den BesucherInnen einen Blick in die Ferne und auf die naheliegenden Yorkshire Dales zu ermöglichen. „Es war die einzige Grünfläche auf dem Gelände, daher waren wir entschlossen, den Garten nicht wegzunehmen“, erklärt Nick Ling, technischer Leiter bei Heatherwick Studio. „Wir wollten, dass das Gebäude selbst Teil eines Gartens ist und fast die Form eines Gartens hat – eines, das das Gelände einnimmt, voller einheimischer Arten ist und eine Erweiterung der reichen Yorkshire Wälder darstellt, die die Stadt umgeben.“

Um die Straßen für die Fahrten der Krankenwagen nicht länger als notwendig zu blockieren (der Standort liegt an einer Notfallroute), entschied sich das Architektenteam, eine Baustruktur zu entwerfen, die außerhalb des Standorts vorfabriziert und in wenigen Wochen vor Ort montiert werden konnte.

Geschlossene Räume und auf mehreren Ebenen

Das Zentrum besteht aus drei Holzpavillons, die sich jeweils auf verschiedenen Ebenen befinden und radial um einen zentralen und offenen Raum angeordnet sind (siehe auch Isometrien auf folgender Doppelseite). Ihre Konstruktion besteht aus Fichtenholz und wurde aus vorgefertigten Elementen gefügt. Die Pavillons werden jeweils von einem massiven „Stamm“ mit radial ausstrahlenden Massivholzrippen getragen und geben Raum für Einzel- und Gruppengespräche. Um und zwischen den Pavillons sind zusätzliche Gemeinschaftsflächen, darunter eine Küche, eine Bibliothek, eine Lounge und ein Fitnessraum angeordnet. Durch die verglasten Außenwände können die BesucherInnen von jeder Ebene aus direkt auf die umgebenden (Dach-)Gärten sehen.

Für die Tragstruktur nutzten die ArchitektInnen Fichtenholz in unterschiedlichen Variationen: Die Kern- und Außenwände sind, soweit sie nicht erdberührend sind, in Holzrahmenbauweise errichtet; die Rippen bestehen aus Brettschichtholz und die Decken aus Brettsperrholz. Die Kernwände und Decken sind innen mit feuchteabsorbierendem Kalkputz beschichtet.

Philosophie und Umsetzung

Maggie‘s basiert auf der Überzeugung, dass gute Gestaltung Menschen helfen kann, sich besser zu fühlen. Dabei werden verschiedene „gesunde“ Materialien und energiesparende Techniken verwendet. Poröse Materialien wie Kalkputz tragen dazu bei, die innere Luftfeuchtigkeit des natürlich belüfteten Gebäudes aufrechtzuerhalten, was durch sorgfältige Berücksichtigung der Form und Ausrichtung des Gebäudes erreicht wurde.

Der Dachgarten, der von dem Landschaftsarchitekten Balston Agius entworfen wurde, orientiert sich an den Pflanzen der Wälder von Yorkshire und ist bepflanzt sowohl mit einheimischen als auch immergrünen Pflanzenarten. Inspiriert von Gründerin Maggie Keswick Jencks Leidenschaft zur Gartenarbeit werden die BesucherInnen aufgefordert, sich an der Pflege der 17 000 Pflanzen vor Ort zu beteiligen.

Bei der Realisierung des Zentrums legte man auf alles Wert, was in heilenden Umgebungen häufig aus baurechtlichen Gründen nicht realisiert werden kann: natürliche und taktile Materialien, sanftes Licht und eine Vielzahl von Räumen, die soziale Interaktionen sowie ruhige Rückzugsräume ermöglichen sollen. Fensterbänke und Regale beispielsweise, sollen die Besucher­Innen mit ihren eigenen Gegenständen füllen, um ein Gefühl von Zuhause zu schaffen.

Das, was fern liegt, ins Gebäude projizieren

Licht ist entscheidend für das Raumerlebnis, das die Innenräume bieten. Künstliches Licht verleiht den Aussparungen zwischen den lastabtragenden Rippen einen glatten Unterton und verleiht den Holzoberflächen eine warme Ausstrahlung, während natürliches Licht durch die großzügigen Verglasungen in das Gebäude fallen. An den höchsten Punkten des Baus können die BesucherInnen einen Blick über das Campusgelände hinauswerfen. Gleichzeitig können die NutzerInnen des Zentrums die verschiedenen Pflanzen direkt auf dem Grundstück und am Bau betrachten und an ihnen arbeiten. Diese geplante Projektion kann eine erholsame und psychologische Unterstützung sein.

Die Verglasung dient auch einem unmittelbarerem Zweck: Sie soll sicherstellen, dass die Gärten mit ihren Pflanzen, die das Gebäude umgeben und die verschiedenen versetzten Terrassen füllen, auch von innen ständig betrachtet werden können. Nahezu jeder Quadratzentimeter des verbleibenden Grundstücks ist mit Sträuchern, Blumen und Bäumen bepflanzt.

Ausgehend von der Philosophie der Organisation, wollte das Studio die Merkmale einer klinischen Gesundheitsumgebung vermeiden. Neben der Holzkonstruktion und der natürlichen Wirkung der Gärten wurde diese Philosophie auch auf kleinste Details angewendet. Möbelstücke und Oberflächen wurden gleichermaßen berücksichtigt. Die Türbreiten im gesamten Gebäude wurden erweitert, um den Zugang für RollstuhlfahrerInnen zu ermöglichen. Lichtschalter wurden so ausgewählt, dass RollstuhlfahrerInnen und Personen mit eingeschränkter körperlicher Beweglichkeit die Bedienung erleichtert wird. Anstatt Badarmaturen aus rostfreiem Stahl zu verwenden, wie sie in Krankenhäusern üblich sind, konnten sich die Architekt-Innen auch hier für eine organische hölzerne Lösung überzeugend einsetzen. Das Studio entwarf zudem zwei Tische, die den lastabtragenden Holzrippen des Gebäudes nachempfunden sind. Sie sind aus Kork und Buchenholz gebaut und stehen heute in der offenen Ebenenfolge des Zentrums.

„Für uns war es immer wieder wichtig, Maggie‘s Leeds wie ein Zuhause zu gestalten und die Zugänglichkeit für alle Besucher-Innen zu gewährleisten. Krebs ist ein sehr emotionales Thema, und wir wollten Räume schaffen, in denen die Menschen eine Pause einlegen können, um mit der Krankheit fertig zu werden und die ihre Bedürfnisse in jeder Hinsicht erfüllen“, so Mat Cash, Partner und Gruppenleiter bei Heatherwick Studio.

Viel Licht, der Blick nach draußen, ein menschlicher Maßstab – alle Maggie’s Center folgen diesen Vorgaben und doch sind es immer wieder eigenständige, auch überraschende Projekte. Der architektonische Anspruch und die Konsequenz in der Umsetzung, die durch die Organisation im Namen der Gründerin Maggie Keswick Jencks lebendig gehalten werden, sind bewundernswert.«

DBZ HeftpartnerInnen Barbara Schott und Edzard Schultz, Heinle, Wischer und Partner, Berlin

Baudaten

Projektname: Maggies Leeds

Ort: Leeds, Großbritannien

Fertigstellungstermin: Juni 2020

Architektur: Heatherwick Studio, London/UK

www.heatherwick.com

Designdirektor: Thomas Heatherwick

Gruppenleiter: Mat Cash

Projektleiter: Neil Hubbard, Rebeca Ramos und Angel Tenorio

Projektteam: Peter Ayres, Alyaa Azhar, Mark Bagguely, Einar Blixhavn, Charlotte Bovis, Erich Breuer, Mark Burrows, Darragh Casey, Francesco Cavaliere, Michael Chomette, Ben Dudek, Antoine van Erp, Alex Flood, Matthew Gilbert, Andrew Green, Hayley Henry, James Hepper, Etain Ho, Kong Hoang, Catherine Jones, Peter King, Nilufer Kocabas, Gergely Kovacs, Hyein Lee, Nick Ling, Freddie Lomas, John Minford, Sayaka Namba, Charmaine Ng, Juan Oyarbide, Monika Patel, Hannah Parker, Tayra Pinto und Luke Plumbley, Gabriel Piovanetti, Ivan Ucros Polley, Enrique Pujana, Manuel Ramos, Silvia Rueda und Deyan Saev, Luis Samanez, Gabriel Sanchiz, Ahira Sanjeet, Wendy Smith, Skye Sun, Ruth Vatcher, Cliff Tan, Brandon Whitwell-Mak, Meera Yadave, Aysha Zahid, Artur Zakrzewski, Pablo Zamorano, Chen Zhan

Bauherr:  Maggie‘s, London/UK,  www.maggies.org

Bauleiter: Sir Robert McAlpine, Hertfordshire/UK, www.srm.com

Statik: AKT II, London/UK, www.akt-uk.com

Landschaftsarchitektur: Balston Agius, Devizes/UK,

www.balstonagius.co.uk

MdEP-Beratung: Max Fordham Beratung, London/UK, www.maxfordham.com

Kostenberatung: Robert Lombardelli Partnerschaft

Holzkonstruktion: Blumer-Lehmann AG, Gossau/CH, www.lehmann-gruppe.ch

CDM-Koordination: CDM Scotland, Ayr/UK,

www.cdmscotland.co.uk

Brandschutz: Olsson Fire & Risk

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