Expressive Fassade
Sparkasse Ulm

In der Neuen Mitte der Stadt Ulm haben Lederer Ragnarsdóttir Oei 2015 einen Neubau fertiggestellt, der mit zickzackförmigen Fensterbändern aus Edelstahl auffällt. Sie bilden einen technisch anmutenden Kontrast zu der Mauerwerksfassade aus recyceltem Ziegelstein.

Die Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei (LRO) haben im Fischerviertel in Ulm einen Neubau errichtet, der mit seiner Fassade die Umgebung reflektiert und expressiv für etwas Neues steht. LRO gewannen 2008 den von der Sparkasse Ulm ausgelobten Wettbewerb, ursprünglich noch mit dem zusätzlichen Auftrag, das nebenstehende Gebäude aus den 1950er-Jahren zu erhalten und zu sanieren. Eine Analyse bestätigte, dass aufgrund des Bestands ein Abriss und daraufhin Neubau wirtschaftlich rentabler sei. Jedoch erhielten nach einem weiteren Wettbewerb nicht mehr LRO den Auftrag für den Neubau. Sie konnten letztlich nur den Neubau an der Neuen Straße West realisieren. Diesem Gebäude musste eine bis dahin kleinteilige Parzellierung weichen und das Ganze zu einem Baufeld zusammengefasst werden.

Das neun- bzw. siebengeschossige Gebäude zentralisiert mit drei weiteren Neubauten an der Weststraße in Ulm Filialen und Verwaltungen der Sparkasse. Die Weststraße führt über den Fluss Blau. Der Neubau inszeniert mit dem „Neuen Bau“ aus dem 16. Jahrhundert auf der gegenüberliegenden Seite eine Torsituation für die „Neue Mitte“, ein Stadtentwicklungsprojekt der Stadt Ulm, mit dem Stadtqualität zurückzugewonnen werden soll. Mit ihrer Firsthöhe passt sich die Ulmer Sparkasse an den Neuen Bau an. Auch das Fassadenmaterial, überwiegend Klinker, ist eine Reminiszenz an den Bau gegenüber. 125 000 recycelte Klinker wurden bei der Fassade verwendet. Aus 18 cm Dämmung, 2 cm Luftschicht und 8 bis 11,5 cm breiten Klinkern besteht die Außenwand. Die unterschiedlichen Breiten der Klinker sind aufgrund der Wiederverwendung nicht zu vermeiden, bleiben aber auch dank der guten Arbeit der ausführenden Firma unbemerkt. Luftschlitze im Mauerwerk – über den Fensterstürzen – garantieren die Luftzirkulation hinter der Fassade. „Eine reduzierte Hinterlüftung“, nennt Wolfram Sponer, Projektleiter bei LRO, die Ausführung. Für LRO, die viel mit Mauerwerk bzw. Klinker bauen, ist die Ulmer Sparkasse dennoch kein Standard.

Herausforderung Zick-Zack Fenster

Die Zick-Zack Fenster aus poliertem Edelstahl prägen die Gestalt des Gebäudes. Sie sind die ästhetische Geste, mit der die Architekten „das Gebäude in die Gegenwart holen, indem wir das ‚Alte‘ – den
recycelten Ziegelstein, dem ‚Neuen‘ – den technisch anmutenden Fenstern – gegenüberstellen“, wie Architekt Sponer erklärt. Die 90 cm breiten Fenster kragen über die Fassade hinaus und bilden ein Relief von vor- und zurückspringenden Kanten in den oberen fünf Geschossen. Sie sind vom umlaufenden, auskragenden Vordach abgehängt. Im Grundriss ein Dreieck, kamen die Elemente vormontiert mit einer Passecke auf die Baustelle, d. h. am vorderen Punkt sind sie fest und am hinteren Punkt beweglich gelagert. So können die Fenster in den Dehnfugen die Windlasten abfangen und thermische Verformungen aufnehmen.

„Die größte Herausforderung war der Sonnenschutz“, sagt Herwig Barf, Senior Project Partner und Teamleiter Fassadentechnik von DS-Plan. Der Sonnenschutz liegt im Fensterzwischenraum der 3-fach-Verglasung. Davon war der Bauherr nicht sofort überzeugt. Denn „im Fensterraum liegender Sonnenschutz ist teuer“, bestätigt Fassadentechniker Barf. Um den Bauherrn trotzdem von ihrem Entwurf zu überzeugen, nahmen sich die Architekten DS-Plan, Fassadentechniker aus Stuttgart, als Berater zur Seite. „Um dem Bauherrn über die Unsicherheiten hinweg zu helfen, hat uns DS-Plan wertvolle Unterstützung geleistet, weil Expertenwissen vorgebracht werden konnte“, sagt Architekt Sponer über die Zusammenarbeit. War DS-Plan ab der Lph 5 involviert, stammt der Fassadenentwurf allein von den Architekten. Gemeinsam mit DS-Plan suchten sie jedoch Alternativen zur technischen Umsetzung des Sonnenschutzes: textil, innen- und außenliegend – doch keine Variante überzeugte. „Wir wollen die gestalterischen Vorstellungen des Architekten ohne Einbußen baubar und konstruierbar umsetzen“, sagt Barf. Hilfreich für die Entscheidung des Bauherrn war dabei die von DS-Plan vorgelegte Matrix, die u. a. die Langlebigkeit der verschiedenen Systeme vergleicht und damit eine Empfehlung für das im Fensterzwischenraum liegende Sonnenschutz-System gibt. Eine weitere Herausforderung war, die Fassadenelemente so zu planen, dass eine produktneutrale Planung bzw. Ausschreibung garantiert werden konnte. So war es möglich den Preis für das System auf marktüblichem Niveau zu halten.

Den Bedenken, dass die Bewegung der Lamellen zwischen den Fensterscheiben die Sonnenschutzbeschichtung beschädigt, begegneten die Architekten mit einer simplen Methode: Die Fenster sind lediglich mit einer Drehbewegung zu öffnen. Das Kippen der Fenster ist ausgeschlossen, was zerkratztes Glas vermeidet.

Die Gebäudeleittechnik steuert den Sonnenschutz. Die Lamellen werden vier Mal am Tag nach den gegebenen Lichtverhältnissen in ihrer Stellung optimiert. Dennoch ist es möglich, manuell einzugreifen. Die Vorteile des Systems beschreibt Fassadentechniker Barf: „Der Sonnenschutz muss nicht gereinigt werden und windindiziert fährt er nicht hoch.“

Zick-Zack innen

Im Innenraum bieten die Zick-Zack Elemente eine räumliche Weite, die mit „normalen“ Fenstern nicht möglich gewesen wäre. Die Fensterbänke sind tiefer. Die Blickrichtung wird automatisch gelenkt aufgrund der 45 °-Stellung der Fenster zueinander. Jedes der Fenster ist 90 ° öffenbar. Denn die Fens-ter dienen ebenfalls als zweiter Fluchtweg. Die Stadt Ulm stellt hier eine seltene Ausnahme dar: Ein zweiter Fluchtweg ist nicht notwendig, wenn eine Rettung durch Anleitern der Feuerwehr garantiert werden kann. Die Fenster­rettung wurde hier als zweiter Fluchtweg akzeptiert.

Durch die Zick-Zack Fenster wird die Fassade stark strukturiert. Um das homogene Bild der Edelstahlrahmen nicht zu unterbrechen, haben die Architekten die Rahmen aus einem Stück fertigen lassen – ähnlich einem Passepartout. Verwendet haben LRO die Zick-Zack-Fenster schon bei anderen Projekten, z. B. beim Rathaus in Eppingen. Doch bisher waren es immer Holzfenster. Dieses Mal sind es Aluminiumfenster mit einer Edelstahlverkleidung. Ein weiteres, von LRO entworfenes Fassadenelement sind die Lichtscheiben. Sie sind an der Stirnseite des Gebäudes, die sich zur Blau orientiert, angebracht. Über Reflektoren bringen die 35 cm großen, leicht von der Wand abstehenden Scheiben dezent Tageslicht in die dahinterliegenden, offenen Flure und unterstützen damit die Orientierung. Von außen beleuchten sie das Gebäude nachts mit eingesetzten LEDs.

Selbstbewusst steht das Gebäude gegenüber dem Neuen Bau. Kann es auch. Denn „jedes Projekt ist ein Unikat und ein Prototyp“, sagt Barf − ein Unikat mit Vorbildcharakter. Von vornherein war die Taubenabwehr über Ultraschall in die Fassade einzuplanen. Diese Weitsicht war für die Architekten wichtig, denn so spannt kein nachträglich hinzugefügter Draht oder aufgehängtes Netz über die Fassade oder die Terrasse im fünften Obergeschoss. „Das Gebäude hat sich seit dem Entwurf äußerlich kaum verändert“, sagt Projektleiter Sponer. Das mag an der gemeinsamen Überzeugungskraft gelegen haben, die die Planer aufbrachten, um das Gebäude ohne Kompromisse zu realisieren. S.C.

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