Der Weg zur maßgeschneiderten Arbeitswelt

Das Büro ist eine physische Plattform für die Zusammenarbeit von Menschen. Doch jede Branche, Disziplin und Generation arbeitet unterschiedlich – selbst die individuelle Lebenssituation hat eine große Auswirkung darauf, wie wir arbeiten. Ein gutes Büro muss diesen individuellen Anforderungen gerecht werden und dynamisch an die Veränderungen der Bedarfe angepasst werden. Die Herausforderung ist groß und wird immer komplexer – ein Trend, der durch die Pandemie nur beschleunigt wurde.

Was macht eine Arbeitswelt gut? Die Suche nach einer besseren Arbeitswelt ist nicht neu. Zahlreiche Trends haben Lösungen angeboten und oftmals eine Effizienzsteigerung versprochen. Die „Cubicle Farms“ – eine insbesondere in den USA weit verbreitete und typische Bürofläche – haben eine enorme Flächeneinsparung ermöglicht, die „Bürolandschaft“ eine bessere Kommunikation und somit eine höhere Produktivität in der ­Ausführung von Unternehmensabläufen. Der Zeitgeist neigte den Zeiger stets in die eine oder andere Optimierungsrichtung. Doch die Komplexität einer Organisation und die Anforderungen ihrer Mitarbeitenden kann nicht mit nur einer Bürolösung beantwortet werden. Eine gute Arbeitswelt ist bedarfsorientiert und divers. Das heißt, sie ist für individuelle Bedarfe einzelner Nutzer:innen und Nutzer:innengruppen ausgelegt. Durch eine solche Individualisierung kann eine gute Balance zwischen dem Wohlbefinden der Nutzer:innen, die sich positiv auf die Produktivität auswirkt, und einer kostensparenden und ressourcenschonenden Flächeneffizienz erreicht werden.

Systemisches Vorgehen

Die wichtigste Grundlage für die Entwicklung ­einer bedarfsorientierten Arbeitswelt ist eine ­detaillierte und transparente Analyse der Nutzer:innenbedarfe. Dabei werden unter anderem Daten zur Beschreibung der Tätigkeitsprofile, der Büroanwesenheiten und Sonderbedarfen gesammelt. Diese Informationen lassen sich zum Beispiel mittels Umfragen oder Workshops er­heben. Eines ist offensichtlich, je größer die Nutzer:innenbeteiligung und umso klarer die ­Anforderungen der Organisation, desto besser können Planer:innen die neue Arbeitswelt auf ­die jeweiligen Nutzer:innen zuschneiden.

Über die Analyse der aktuellen Bedarfe hinaus ist auch die Betrachtung möglicher zukünftiger Szenarien von großer Bedeutung. Denn gerade, wenn es um größere Investitionen wie Mietverträge geht, ist die Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit enorm wichtig (Future-proofing). Auch bei der Untersuchung von Zukunftsszenarien können und müssen viele Aspekte betrachtet werden. Die Bandbreite geht von einfachen Wachstumsprognosen bis hin zu hoch differenzierten Veränderungen in der
Büroanwesenheit beziehungsweise der Mobilarbeitsquote.

Abschließend werden Raummodule entwickelt und mit den erfassten und modellierten Nutzer:innenbedarfen verknüpft. Die datenbasierte Berechnung erstellt das maßgeschneiderte Flächenprogramm – die Grundlage für die weiteren Planungsschritte. Bei der Erläuterung wird nicht über eine allgemein definierte und somit emotionale Sharing-Ratio als Zielwert oder als Leitplanke gesprochen. Stattdessen liegt der Fokus auf der objektiven Analyse des Bedarfs, der Simulation möglicher Szenarien und der transparenten Übersetzung in das quantitative Flächenprogramm.

Auf Veränderungen reagieren

Das maßgeschneiderte Flächenprogramm wurde berechnet, die Raummodule wurden von Profis ausgestaltet und die neue Arbeitswelt in einem partizipativen Prozess geplant und umgesetzt. Das erste Feedback ist super, doch Veränderungen können bereits zeitnah notwendig werden. Einzelne Teams wachsen schneller als geplant und werden bald mehr Fläche benötigen. Auch die Mobilarbeitsquote hat sich anders entwickelt als vorhergesagt. Die Organisation ist organisch und das ist gut so. Doch dies stellt eine Herausforderung für die Flächenstrategie dar, die ebenso dynamisch weiterentwickelt werden muss, um an die Veränderungen angepasst zu werden. Die neue Arbeitswelt ist kein Projekt, sondern ein Linienprozess. Diesen Prozess proaktiv zu beherrschen, bedeutet Fehlentscheidungen, Fehlinvestitionen und Leistungsverluste zu vermeiden.

spaciv: das Workplace Strategy OS

Die Entwicklung einer datenbasierten Flächenstrategie kann schnell eine enorme Komplexität erreichen. Vor allem, wenn konti­nuierliche Veränderung berücksichtigt und zahlreiche Szenarien betrachtet werden müssen. Herkömmliche Werkzeuge wie Excel Tabellen sind in den wenigsten Fällen geeignet, um diese Komplexität zu bewältigen.

spaciv wurde 2020 gegründet, um für dieses Problem eine Lösung zu entwickeln. Das Münchner Tech Start-up bietet eine Plattform, mit der Unternehmen dynamisch ihre Flächen­strategie optimieren können. spaciv ist das Workplace Strategy Operations System. Das internationale Team von Ar­chitekt:innen, Unternehmensberater:innen und Software­entwickler:innen hat sämtliche Funktionen in einer Lösung vereint, um die drei Kernphasen des Prozesses in einem System abzubilden – Evaluate, Explore, Plan. Zusätzlich zu direkten Kunden arbeitet spaciv seit 2022 auch intensiv mit Partnern wie Architekt:innen, Möbel­lie­ferant:innen und Immobilien­makler:innen zusammen. Aufbauend auf der Datenplattform können die Partner:innen neue, digitalisierte Leis­tungsbilder am Markt anbieten und sich einen interessanten Wett­bewerbsvorteil verschaffen.

Was sehen wir für Entwicklungen?

Als Spezialist:innen für die Berechnung von Flächenstrategien sehen wir üblicherweise ein Optimierungspotenzial von 20 bis 50 % Flächeneinsparung. Für ein Unternehmen mit 1 000 Mitarbeitenden kann das schnell eine Einsparung von 5 000 m2 Nutzungsfläche bedeuten, was auch unabhängig von den steigenden Mietpreisen­ ­ein riesiges Einsparungspotenzial darstellt. Ganzheitlich betrachtet wird hier einer enormen Verschwendung von natürlichen Ressourcen vorgebeugt. Aus Planer:innensicht kann man hoffen, dass eine Neuverteilung der Investitionen kommen wird – weniger Fläche, aber dafür höherwertige Räume.

Es versteht sich von selbst, dass die Pandemie eine bahnbrechende Auswirkung auf unseren Umgang mit dem Büro ausgelöst hat. Als Gesellschaft definieren wir die Rolle und den Wert des Büros aktuell neu. Dieses Phänomen hat in vielen Unternehmen ausgelöst, dass Personalressorts eine größere Verantwortung in der Entwicklung der Arbeitswelt übernommen haben. In vielen Organisationen wurden sie bereits zum Lead in diesem Themenfeld ernannt. Dies wird zukünftig auch Fokuspunkte innerhalb von Projekten zugunsten dieses Themenfelds verschieben. Der Mensch, sein Wohlbefinden und die Qualität der Räume werden noch stärker im Fokus liegen. Ebenfalls ein Trend, den Planer:innen mit offenen Armen empfangen werden.

Wie kann man die Arbeitswelt optimieren?

Obwohl die Einsparungspotenziale einer optimierten Arbeitswelt erst ab einer gewissen Größe richtig greifen, können Unternehmen in allen Größenordnungen - auch kleinere Architektur- und Ingenieurbüros - von einem systemischen Vorgehen bei der kontinuierlichen Evolution Ihrer ­Arbeitswelt profitieren. Durch die detaillierte ­Analyse von Nutzer:innenbedarfen und die kon­tinuierliche Bewertung der Arbeitswelt kann diese zum Spielfeld für die Entwicklung einer integrativen und partizipativen Unternehmenskultur werden. Implementierte Veränderungen, sei es die Nutzungsänderung eines Raums oder die Ergänzung eines neuen Moduls, sind physisch erlebbar und vermitteln die erforderliche Wertschätzung. Demografische, kulturelle und gesellschaftliche Herausforderungen in der Arbeitswelt brauchen einen direkten Austausch mit spürbaren Resultaten. Nutzen Sie Ihre Arbeitswelt, um Veränderung zu zelebrieren.

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