Der Faktor Mensch

DBZ-HeftpartnerInnen Julia Behm und Markus Maasberg, Behm.Maasberg Architekten, München

Berührungsängste mit dem Thema BIM begegnen uns immer wieder: Nicht nur BauherrInnen fürchten Kostenfallen, auch viele KollegInnen begreifen die Implementierung einer durchgängig digitalen Arbeitsweise noch immer als heiklen Akt, der bereits durch die Investition in die falsche Hard- oder Software scheitern kann. Daher scheuen sie den zeitlichen und finan­ziellen Aufwand für Schulungen ebenso sehr wie die technische Umsetzung der Prozesse. Und oft blockieren sich alle Aspekte gegenseitig, weil man nicht weiß, womit man beginnen soll.

Keine Frage: Ohne den zusätzlichen Einsatz von Arbeitszeit und finanziellen Mitteln ist eine Implementierung von BIM nicht möglich. Allerdings ist dieser Aufwand in der Regel gut steuer- und umsetzbar. Insbesondere, wenn man sich in strategischen Partnerschaften mit anderen zusammenschließt, die vor den gleichen Herausforderungen stehen, aber ihrerseits auch Unterstützung und Know-how anbieten.

Denn der heikelste Aspekt bei der Einführung einer vollständig digitalen Arbeitsweise in Architektur- und Ingenieurbüros sind die handelnden Personen selbst. Ihre persönlichen Erwartungen und Vorbehalte, ihre Bereitschaft, dazu zu lernen, ihre Lust auf Veränderungen entscheiden über Wohl und Wehe dieses Unterfangens.

Eingespannt zwischen den Ansprüchen der BauherrInnen, den Anforderungen des planenden Büros und aller weiteren Beteiligten scheint oft der Raum zu fehlen, um neue Aufgabenbereiche zu entfalten; gerade wenn es um so komplexe Themen wie BIM geht, die sämtliche Abläufe und Prozesse auf den Kopf zu stellen scheinen. Und so bleibt es oft bei dem guten Vorsatz, die digitale Arbeitsweise ganz bestimmt beim nächsten Projekt einzuführen. Oder bei dem darauf.

Allerdings nähert man sich mit dieser Taktik nicht dem Ziel, BIM zu erlernen. Denn dabei handelt es sich nicht um einen Schalter, der auf Knopfdruck die Welt erhellt. Sondern um einen zeit-intensiven Prozess, dessen Beginn man allerdings selbst festlegen kann – und sollte! Denn wenn man wartet, bis man vertraglich dazu verpflichtet ist, schuldet man vielleicht eine Leistung, die man noch nicht ausreichend beherrscht und in der Kürze eines einzigen Projekts auch nicht mehr erlernen kann.Selbstbestimmt, Schritt für Schritt, wächst die Kompetenz jedoch mit Anforderung und Praxis.

Allerdings bergen nicht nur die technischen Aspekte neue Herausforderungen. Denn der BIM-Prozess ändert auch die Art, wie die am Bau Beteiligten miteinander kommunizieren, grundlegend: Durch den regelmäßigen, modellbasierten Informa­tionsaustausch werden nicht nur Planungsfortschritte offensichtlich, sondern auch eventuelle Fehler und Rückstände. PlanerInnen, BauherrInnen und Gewerke schauen einander permanent in die Karten – da bleibt wenig Platz für Ausreden, Vertröstungen und gegenseitige Schuldzuweisungen.

Manchen ist diese neue Form der Transparenz nicht geheuer. Dennoch bietet sie mehr Chancen als Fallstricke: Die am Prozess Beteiligten können bei konkreten Fehlern oder Versäumnissen dank BIM schneller Rückmeldung geben. Das schützt im Zweifel auch diejenigen, die dafür verantwortlich sind, vor Folgekosten und Nachforderungen. Zudem kann das Team auf dem digitalen Weg neue Impulse und Ideen sehr schnell testen und kommunizieren. Es entsteht ein Workflow, der die Fähigkeiten und Verantwortlichkeiten der Einzelnen nicht nur fordert, sondern auch honoriert.

Einher geht dies mit einer deutlich höheren Flexibilität, die der Realität auf der Baustelle mit ihren Verzögerungen und Überlagerungen viel besser gerecht wird. Prozesse und zeitliche Abfolgen können bei Bedarf jederzeit angepasst und auf ihre Durchführbarkeit geprüft werden. Dabei geht es immer darum, Fehler frühzeitig zu erkennen und Lösungen im Team zu koordinieren – jenseits von einfachen Schuldzuweisungen. Dafür müssen wir jedoch den Umgang mit eigenen und fremden „Fehlern“ neu erlernen. Nicht umsonst wird in der englischen BIM-Sprache eine Problemstellung als „Issue“ bezeichnet. Neben „Problem“ heißt das auch „Thema“ und „Aufgabe“, also eine Aufforderung zur Lösung im Team.

Mit Abschottung und Ellenbogen kommt in der BIM-Welt niemand weit. Es braucht Mut, Optimismus und die Freude am Lernen. Als PlanerInnen und ArchitektInnen, die in ihrem Beruf schon immer gefordert waren, Neues zu lernen, sich weiterzubilden und zu entwickeln, sind wir also von vornherein gut gewappnet. Wenn wir uns jetzt noch gegenseitig unterstützen und motivieren, können wir der digitalen Zukunft ziemlich gelassen entgegensehen. Und uns gemeinsam auf die neuen Herausforderungen freuen!

Julia Behm ist BIM-Enthusiastin und liebt es, die Planung 3-dimensional zu gestalten und zu koordinieren. Vor der Gründung von Behm.Maasberg Architekten 2021 in München war Julia in den  12 Jahren zuvor für Allmann Sattler Wappner Architekten tätig. Als Assoziierte und Projektleiterin, leitete sie zuletzt den Bereich CAD-Systeme und Methodik gemeinsam mit Markus. Ihre Spezialgebiete sind das Projektmanagement und die Umsetzung von digitalen Prozessen von der Planung bis hin zum Betrieb von Gebäuden. Julia ist im Besitz des Titels BIM Professional TUM.

Markus Maasberg ist ein Teamplayer. Auf seinem beruflichen Weg konnte er viel Erfahrungen in verschiedenen Architekturbüros sammeln, mit den Schwerpunkten Ausführungsplanung und BIM. Er leitete zusammen mit Julia den Bereich CAD-Systeme und Methodik bei Allmann Sattler Wappner Architekten. Sein Spezialgebiet ist das Forschen nach der besten Lösung für die jeweilige Aufgabe und die Weitergabe und Vermittlung seines Wissens. Markus ist BIM-zertifiziert nach buildingSMART VDI/BS-MT 2552-8.1.

www.behmmaasberg.de

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