Der Bauherr als BIM-Innovator

Wenn Architekten und Bauherrn gemeinsam beschließen mit BIM zu arbeiten, wird das
Ergebnis gut, wie das Bauvorhaben SonninPark beweist. Bei diesem Projekt haben KBNK und Aug. Prien zum ersten Mal die BIM-Methode getestet.

Vor allem bisher nicht im Fokus stehende innenstadtnahe Flächen in den deutschen Städten, oft Industriebrachen in fußläufiger Entfernung vom Stadtzentrum, sind für den Wohnungsbau attraktiv und werden verstärkt erschlossen, beplant und bebaut. Digitale Planungsmethoden wie BIM sollen hier zielführend unterstützen. Ihr Einsatz kann schon im Architekturwettbewerb über die Vor- und Entwurfsplanung bis hin zur Ausführungsplanung sinnvoll und effizient sein. Auch im späteren Gebäudebetrieb gibt es Einsatzmöglichkeiten eines digitalen Zwillings.

Ein aktuelles Beispiel, bei dem die BIM-Planungsmethode eingesetzt wird, ist das Projekt SonninPark im Hamburger Stadtteil Hammerbrook. Auf dem ehemaligen Areal eines Elektronikkonzerns entstehen 750 Mietwohnungen.

BIM-Einsatz bei laufender Planung

KBNK Architekten planten gemeinsam mit der Hamburger Bauunternehmung Aug. Prien gut 560 Wohneinheiten in 14 Häusern im SonninPark. Die Planungssituation bei diesem Projekt ist vorteilhaft, denn Aug. Prien ist gleichzeitig Entwickler des Areals. Und hat damit ein besonderes Interesse an optimalen Planungs- und Bauabläufen.

Dennoch wurde der Einsatz von BIM erst im laufenden Projekt relevant, stellt KBNK-Geschäftsführer Frank Birwe heraus. Es war ein Feldtest für das Unternehmen, so Frank Birwe, und weiter: „Aug. Prien ist durchaus ein Vorreiter im Bereich Digitalisierung der Baustellen. Sie meinten, dieses Projekt würde sich dafür eignen, um mit bestimmten Planern ihres Vertrauens ein „BIM“–Pilotprojekt zu starten. Dabei wissend, dass noch vergleichsweise wenig Erfahrung aller Beteiligten in einem BIM-Prozess mit mehreren Partnern vorhanden ist.“ Eduard Lepp, BIM-Experte des Büros, stimmt ihm zu: „Es ging auch darum, zu schauen: Wo stehen wir überhaupt? Was kann unsere Software? Und was können die Anwender leisten und wo muss noch optimiert werden? Die Zieldefinition war vergleichsweise offengehalten. Es gab Zielsetzungen für Minimalanforderung, aber trotzdem war der Prozess offen für Anpassungen auf Grund des Zugewinns an Wissen im laufenden Prozess. Wir mussten uns entscheiden: Entweder wir wagen es und kriegen es zusammen hin oder behalten die bekannte alte Methode bei ohne eine Möglichkeit des Erkenntnisgewinns.“

Den Sprung ins kalte Wasser wagen

Die Architekten sehen in der Positionierung in Richtung digitale Planung und BIM eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Entwicklung, für die kommenden Jahre. Wenngleich der Einsatz der digitalen Planung nicht automatisch und sofort einen wirtschaftlichen Mehrwert erzeugt. Das macht Frank Birwe nochmals deutlich. Im Gegenteil: Der späte Einstieg des Büros in die BIM-Planung, erst in der Ausführungsplanung, erzeugt einen deutlich höheren Aufwand bei der Erstellung und Koordinierung der nur zweidimensional vorzulegenden Papierpläne. Nun muss ein komplexes 3D-Gebäudemodell in sehr großer Detail- und Informationstiefe von Null an erstellt werden und nicht nur eine konventionelle 2D-CAD-Planung. BIM vereinfacht hier auch keine Planungsarbeit und nimmt diese dem Planer keineswegs ab. BIM ist (noch) nicht notwendig für eine gute Planung, hat aber das Potential alle am Bau beteiligten zu Partnern im Prozess werden zu lassen und damit mehr Wissen in der Planung einzubinden. Daher entschlossen sich KBNK Architekten, im SonninPark auf BIM zu setzen. Das Team von KBNK sehen im verstärkten Einsatz der Methode einen echten Vorteil im bestehenden Wettbewerb um Aufträge: „Es ist eine Frage der Marktlage. Das muss man ehrlicherweise sagen. Wenn der Markt nicht mehr so positiv ist, dann werden viele, die sich jetzt nicht auf die neue Methode einstellen, Schwierigkeiten haben neue Projekte zu akquirieren. Wir setzen auf BIM, weil wir glauben: Wir müssen uns jetzt gut aufstellen, damit wir in 5 oder 10 Jahren tatsächlich vorweggehen und nicht hinterherlaufen.“

Der Vorsprung, den Frank Birwe anspricht, muss von jedem Neueinsteiger in das BIM-Thema erst einmal aufgeholt werden. Hierfür sind in den Architekturbüros viele tradierte und lang eingeschliffene Prozesse neu zu denken. Was das an Arbeit bedeutet, wird auch bei KBNK Architekten deutlich, die vor allem auf gezielte Weiterbildung, Schulung und den Einsatz digitaler Planungsmethoden am realen Projekt setzen.

Der Gebäudebetrieb erzeugt die höchsten Kosten

Den größten Schub in Richtung digitale Planungsmethoden und BIM, davon gehen zahlreiche Experten heute aus, wird es in den kommenden Jahren geben. Und zwar dann, wenn der Nutzen des Modells bei der Erstellung eines digitalen Zwillings von den Bauherren und Immobilienbetreibern durch realisierte Pilotprojekte belegt wird. Ein digitaler Zwilling, der dann auch in letzter Stufe den gebauten – nicht nur den geplanten – Status abbilden kann, lässt sich in das CAFM des Betreibers überführen und dort nutzen. Der Mehrwert ist immens, wenn man bedenkt: nur ca. 20 % der Lebenszykluskosten eines Gebäudes entstehen in der Bauphase, jedoch 80 % im anschließenden Gebäudebetrieb.

Für Aug. Prien war diese einfache Verhältnisgleichung von Erstellungs- zu Betriebskosten sicher ein nicht unwesentlicher Aspekt bei der Planung und Realisierung des SonninParks. Auch, wenn das Projekt in vielerlei Hinsicht ein erstes Testprojekt ist. Der Bauherr testete hier zum Beispiel seine Austauschplattform für die modellbasierte Planung. BIM-Verantwortlicher Eduard Lepp: „Bauherrenseitig wurde die Projektplattform zur Verfügung gestellt, über die der komplette BIM-Prozess abgewickelt wurde. Wir legten dann den Rhythmus fest, wie oft ein Modellaustausch zwischen den Planungsbeteiligten stattfinden sollte. Über die Austauschplattform wurden Teilmodelle, die wir direkt aus unserer BIM-Software Vectorworks exportierten und mit projektspezifischen Datensets angereichert hatten, weitergegeben. Die Teilmodelle wurden von den anderen Beteiligten eingeladen. Wir legten für den IFC-Export das gängige IFC 2X3-Format fest, weil es das zum Planungszeitpunkt gebräuchliche Format war. Für die Coordination Views definierten wir als Standard CV2.0. Die Gesamtkoordination der Planungen wurde von Aug. Prien durchgeführt. Sie haben die von allen Planungspartnern hochgeladenen Modelle auf Kollisionen in einem Modelchecker kontrolliert. Die auftretenden Unstimmigkeiten wurden in Koordinierungsrunden besprochen, protokolliert und als BCF-Dateien an die Planer verteilt. Mit Hilfe eines BCF-Viewers konnten alle die fraglichen Punkte grafisch und inhaltlich zuordnen und das gemeinsam festgelegte Vorgehen erneut im Teilmodell einfließen lassen. Wir haben zusätzlich die IFC-Teilmodelle der anderen Planer in Vectorworks importiert und dort für unsere Anwendungsfälle aufbereitet. So konnten wir die Planungsstände der anderen auch in unsere Planung direkt einsehen und abgleichen. In die BIM Planung als Open BIM Prozess flossen auch die Teilmodelle der Technischen Gebäudeausrüstung sowie Teilmodelle für die Bewehrungsplanung ein.“

Bauherren werden ihren BIM-Nutzen erkennen

Diesen für BIM typischen Prozess der Koordination und Korrektur von Planungsunstimmigkeiten in direkter Kollaboration zwischen allen Beteiligten, bereits in der Planung und nicht erst auf der Baustelle, betrachtete der Bauherr aufmerksam. Er war stets, so Eduard Lepp, bei den Planungssitzungen mit dabei und hatte Einblick in die Planungen und Arbeitsstände. Ohnehin ist es wichtig, so stellt KBNK heraus, dass Bauherren zukünftig stärker für die Vorteile von BIM sensibilisiert werden. Aug. Prien ist hier ein Vorreiter, weitere sollten diesem Vorbild folgen. Frank Birwe: „Es gibt viele regionale Bauherren, die noch weiter entfernt sind von der BIM-Planung. Weil sie noch nicht wissen, welche Möglichkeiten BIM für sie, schon während der Planung oder später etwa im Facility-Management, bieten kann. Wenn wir Anfragen für eine BIM-Planung bekommen, sind es in der Regel große Unternehmen. Andere Bauherren, egal ob öffentlich oder privat, fordern das im Augenblick noch nicht. Aug. Prien als Mittelständler bezieht beim Projekt SonninPark dazu eindeutig Stellung und sagt: ‚Ich will das aber bereits heute umsetzen und meine Prozesse weiter optimieren!‘ Doch ist das Unternehmen damit Vorreiter und weniger der klassische Bauherr.“


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