BIM-Modellierungsrichtlinien erleichtern Zusammenarbeit

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist heute in fast jedem Projekt und unabhängig von dessen Größe gefordert. Damit sie funktioniert, sind übergreifende Projektstandards notwendig. Zu den wichtigsten Standards gehören gemeinsame Modellierungsrichtlinien. Sie stellen sicher, dass alle für das Bauvorhaben eingesetzten Softwarelösungen die Planungen und Modellinformationen richtig interpretieren. In BIM-Projekten sind Modellierungsricht­linien damit mindestens genauso wichtig wie das BIM-Pflichtenheft, die Auftraggeber-Informationsanforderungen oder der BIM-Abwicklungsplan, in denen die Inhalte, Qualitäten sowie Lieferzeitpunkte von Planungsleistungen und -zielen benannt und festgelegt sind.

Übergreifend vereinbarte Festlegungen in Modellierungsrichtlinien erleichtern den Planungsprozess immens. Denn sie ermöglichen mit dem Bauherrn und den Planungspartnern gemeinsam fixierte Standards umzusetzen. Das schafft für alle Sicherheit im Projekt und verringert das Risiko aufwendig zu behebender Planungsfehler, da Fehlerquellen leichter erkennbar werden und sich die Modelle im Planungsprozess effizienter prüfen lassen.

Verbesserte Projektabläufe im Büro

Jedes Architektur- und Planungsbüro, das digitale Planungswerkzeuge nutzt und zukunftssicher nach der (hersteller- und softwareneutralen) Open BIM-Methode arbeitet, entwickelt individuelle Modellierungsrichtlinien. Sie sind auf die eigenen internen Prozesse angepasst und für den Informationsaustausch mit den externen Partnern optimiert. Die Modellierungsrichtlinien ergänzen die Abläufe um weitere Prozessschritte und qualifizieren die Datenübergabe und den Datenaustausch über digitale Tools und Datenbanken.

Der Nutzen einer Modellierungsrichtlinie liegt aktuell vor allem in einem verbesserten Projektablauf im eigenen Büro, stellt Architekt Guido Höfert, Partner im Büro HHS Planer+Architekten AG aus Kassel, heraus: „Aus der Modellierungsrichtlinie die, Archicad mitliefert, haben wir eine individuelle Richtlinie entwickelt. Sie ermöglicht uns, strukturiert im BIM-Prozess zu arbeiten sowie individuelle Standards anzuwenden. Darüber hinaus erleichtert sie das Zusammenarbeiten im Büro. Perspektivisch arbeiten wir an einem übergreifenden Standard, auf den wir mit unseren Ko­operationspartnern zugreifen können.“

Standards sind für die Zukunft notwendig

Für die Zusammenarbeit mit externen Planungspartnern existiert keine allgemeingültige Modellierungsrichtlinie, was der noch jungen digitalen Planungsmethode geschuldet ist. Das wird sich jedoch bald ändern, so Oliver Sommer, Geschäftsführer bei stereoraum Architekten: „Seit vielen Jahrzehnten haben wir beispielsweise eine Planzeichenverordnung, mit der jede/r ausgebildete BauzeichnerIn, PlanerIn, ArchitektIn und FachhandwerkerIn bestens vertraut ist. Solche Standards werden mit BIM ebenfalls kommen.“

Dennoch: Modellierungsrichtlinien, die ArchitektInnen und FachplanerInnen nutzen können, gibt es bereits in verschiedenen BIM-Planungsprogrammen. Erfahrene BIM-ArchitektInnen und -PlanerInnen sowie Softwarehersteller setzen inzwischen auf Richtlinien zur Modellierung, die den Open BIM-Prozess, insbesondere das wichtigste Austauschformat IFC, von vornherein verankern. So ist bereits bei der Erstellung erster Gebäude-Entwürfe gewährleistet, dass die Zusammenarbeit aller Partner auch im weiteren Projektablauf möglichst einfach funktioniert.

Individuelle Modellierungsrichtlinie ableiten

Soweit die Theorie. Doch was steht in einer individuellen Richtlinie? Oliver Sommer von stereoraum Architekten: „Wir haben die Archicad-Modellierungsrichtlinie angepasst und ergänzt. Wir schreiben in ihr für jedes dreidimensionale Element fest, wie und mit welchem Werkzeug es zu modellieren und zu benennen ist. Die Modellierungsrichtlinie umfasst außerdem die Geometriequalität des Gebäudemodells und in welchen Leis­tungsphasen und Bearbeitungsstufen – also Entwurf, Ausführungsplanung etc. – welche Genauigkeit und LOI (Red. Anm.: Level of Information) enthalten sein sollen.“ Das sind die Mindestanforderungen, nach denen stereoraum in jedem Projekt modellieren. Doch es kommen ergänzende Parameter hinzu: „Für uns gilt dabei ein Grundsatz aus unseren frühen Tagen in der 3D-Modellierung: Wir modellieren so, wie tatsächlich gebaut wird. Also entsteht in der Planungsphase ein genaues, digitales Gebäudeabbild. Das heißt aber nicht, dass wir aufwendig baubegleitend planen. Es ist eher so, dass das digitale Modell möglichst früh eine große Übereinstimmung mit dem, was wir bauen wollen, bekommen soll.“

Den Gebäudelebenszyklus in der Planung verankern

Der Gebäudelebenszyklus gewinnt in der aktuellen Diskussion um Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz weiter an Bedeutung. Denn Bauen verbraucht Unmengen an Rohstoffen, die nach dem Ende eines Gebäudelebens möglichst zu 100 % wieder in den Wertstoffkreislauf zurückfließen sollen. Eine bauteilorientierte Planung kann dieses Ziel unterstützen. Mit ihr lassen sich die im Gebäude verbauten Materialien erfassen, deren technische Eigenschaften und stoffliche Zusammensetzung hinterlegen und Informationen zur Pflege, Wartungsintervallen oder Austauschzyk­len für technische Komponenten dokumentieren.

Guido Höfert von HHS Planer+Architekten erkennt diese Vorteile, macht aber deutlich: „Den Nutzen sehen wir bisher nur bei uns, vor allem für das interne Qualitätsmanagement. Weiter entwickelte oder gepflegte Modelle, die in Richtung digitaler Zwilling oder die Überführung in das Facility Management gehen, werden von unseren Bauherren derzeit nicht gewünscht. Jedenfalls nicht mehr ab dem Moment, wo klar wird, dass die Einarbeitung weiterer Attribute und die Modellverfeinerung mit zusätzlichen Planungsleistungen verbunden ist, die entsprechend honoriert werden müssen. Unabhängig davon wollen wir in unsere Modellierungssoftware Tools integrieren, die z. B. die CO2-Bilanz des Gebäudeentwurfs ermitteln. Darin sehen wir eine weitere Steuerungsmöglichkeit für die Planung nachhaltiger Gebäude.“

Ein ähnliches Bild zeichnet Oliver Sommer, der in seiner Modellierungsrichtlinie u. a. detaillierte Anforderungen zur Informationstiefe der Bauteile verankert: „Was den Gebäudebetrieb betrifft, sind die Anforderungen durch die Auftraggeber bisher gering. Dennoch ist es für uns wichtig, dass wir in den LOI fixieren, welches Produkt verarbeitet wurde. Z . B. erfassen wir, welches Linoleum von welchem Hersteller verbaut ist oder welche Fliesen mit welchen Dekoren. Ebenso muss klar sein, was an Gebäudetechnik verbaut wurde. Dieses Vorgehen ist sehr nützlich für uns, denn wenn unser Bauherr nach einigen Jahren erneut mit uns etwas umbauen oder erweitern will, sind alle wichtigen Daten im Gebäudemodell bereits vorhanden. Dazu halten wir ebenso unsere Fachplaner an. Denn diese Informationen werden in der Zukunft für den Gebäudebetrieb wichtiger werden.“

In dieser Serie erscheinen noch zwei weitere Artikel. Der nächste in der Ausgabe 10|2020 zeigt, wie Qualitätsprüfung in der BIM-Planung eingehalten werden kann.

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