»Das System funktioniert mit jeder Modulgröße und wir können auch jedes Format produzieren«

Andres Smith erzählt die Entstehung der BiPV-Fassade der Copenhagen International School von C. F. Moller Architects.

Andres Smith erzählt die Entstehung der BiPV-Fassade der Copenhagen International School von C. F. Moller Architects.

DBZ: Herr Smith, was steckt hinter der Kromatix™ Technologie?

Anders Smith: Im Gegensatz zu herkömmlicher Solartechnik zeichnet sich die Kromatix™ Technologie dadurch aus, dass sie die Fassadenelemente in Farbe erscheinen lässt und dabei fast keine Energie verliert. Das System nutzt einen Interferenzfilter, ein sehr kleines optisches Gitter, auf der Innenseite des Glases, der nur einen sehr kleinen Prozentanteil von Lichtwellen reflektiert, sodass diese blau-grünen Farbtöne entstehen. Der Großteil des Lichts geht direkt in die Solarpaneele, die hinter dem Glas liegen. Das sind etwa 90–95%, die zur Energiegewinnung genutzt werden können. Ich mag diesen Farbeffekt an der Copenhagen International School sehr, weil sich die Farben auf den unterschiedlich angewinkelten Modulen über den gesamten Tagesverlauf verändern.

Was war für Sie die interessanteste Herausforderung an dem Projekt der Copenhagen International School?

Von Anfang an wollte ich an dem Gebäude keine klassische, sondern eine solare Fassade anbringen. Doch zuerst schien sich die Idee nicht durchzusetzen, weil es vorher noch nicht gemacht worden war. Das Risiko dieses System an einem so großen Gebäude auszuprobieren, schien zu hoch, obwohl alle beteiligten Planer die Idee der Energiegewinnung unterstützen. Also entwarf ich das System, verkleinerte die Paneele und versuchte sie weniger nach Solarpaneelen aussehen zu lassen, was über eine Farbgebung möglich werden sollte. An dieser Stelle zog ich das Unternehmen SolarLab hinzu, mit dem wir die Paneele im Windtunnel und im Feuerraum testeten. Als diese Extremsituationen gemeistert waren, bauten wir Prototypen, um sie den Architekten zu zeigen. Wir testeten das System auch in Spanien, in Deutschland und in Russland unter den jeweiligen klimatischen Bedingungen. Alles in allem war das die große Herausforderung an diesem Projekt, alle für diese Variante der solaren Fassadengestaltung zu überzeugen. Mittlerweile verbauen wir das System an Projekten auf der ganzen Welt.

Lohnt sich dieses System auch für kleinere, private Projekte?

Momentan bauen wir das System hauptsächlich an große Projekte, wie kommerzielle und öffentliche Gebäude. Aber es spricht nichts dagegen das System auch an kleineren Gebäuden anzubringen. Wir bauen auch an Projekten mit, an denen wir zum Vergleich 50–100 m² Fläche zur Energiegewinnung nutzen. Gerade sitzen wir an einem Relaunch des Systems, der es wesentlich erschwinglicher machen wird. Diese Weiterentwicklung soll Ende des Jahres fertiggestellt sein und damit für kleinere private Häuser den Markt öffnen.

Wie flexibel ist die Gestaltung der Solarmodule?

Das System funktioniert mit jeder Modulgröße und wir können auch jedes Format produzieren. Die 12 000 Solarpaneele für die Copenhagen International School wurden bspw. innerhalb von zwei Wochen produziert. Neben der Flexibilität der Formate haben wir auch eine hohe Kapazität.

Wo sehen Sie die nächsten Schritte der Entwicklung?

Ein Aspekt ist der technische: In diesem Bereich wird es immer eine Weiterentwicklung geben. Der andere Punkt ist der gestalterische: Bisher arbeiten wir mit sechs Farben: Grau, Blau, Blau-Grün, Orange, Bronze und Messing. Ich glaube, dass die weitere Entwicklung sehr stark mit der Kreativität der Architekten und deren gestalterischen Wünschen einhergehen wird. Wir arbeiten an neuen Farbtönen und neuen Strukturen. Es geht immer um den höchstmöglichen Grad an Flexibilität, um den Anfragen der Architekten gerecht zu werden. Manche Kunden mögen die Module z. B. glänzend, andere wieder lieber in matter Optik.

Warum stehen die Solarmodule an der Fassade der Copenhagen International School alle in unterschiedlichen Winkeln zueinander?

An der Copenhagen International School waren die Winkel der Paneele eine gestalterische Entscheidung, da wir den riesigen Gebäudekomplex dadurch optisch kleiner wirken lassen. Zudem steht die Schule direkt am Wasser und mit dem Tagesverlauf der Sonne ergibt sich so ein immer neues Spiel an reflektiertem Licht. Aber die Winkel haben keine technische Begründung an diesem Projekt und an diesem Standort. Wir haben schon andere Projekte gehabt, wo die Winkel der Paneele exakt für ihre Position ausgerichtet werden mussten, um die Energiegewinnung zu optimieren. Das „Winkelspiel“ an der Copenhagen International School ist also nur für das Schulgebäude entworfen worden und ist allerdings nicht die Regel.

Gab es Punkte während des Prozesses, die Sie überrascht haben?

Da niemand vorher sich dieser Aufgabe gestellt hat, war alles an diesem Prozess neu. Solarpaneele an der Fassade und auf dem Dach eines so großen Gebäudekomplexes. Für uns war es ein großer Schritt einen Weg zu finden, die Fassade cool und flexibel zu entwickeln und im Kostenrahmen zu bleiben. Wir haben es geschafft, diese außergewöhnliche Fassade nicht viel teurer werden zu lassen, als eine herkömmliche Fassadengestaltung.

Sind die Annahmen zur Energiegewinnung an der Copenhagen International School erfüllt worden?

Das Gebäude ist so komplex mit Licht und Schatten und Winkeln, dass wir ein eigenes Programm zum Festhalten der Daten in Auftrag gegeben haben. Damit können wir seit nun zweieinhalb Jahren die genauen Werte jedes Moduls einsehen und zwar von jeder Tages- und Nachtzeit. Ich glaube alle fünf Minuten wird ein Update durchgeführt. Einen solchen Aufwand macht man natürlich nicht für jedes Gebäude, allerdings kommen an dem Schulgebäude in Kopenhagen einige neue und komplexe Aspekte zusammen. Es ist ein richtiges Experimentierhaus, an dem wir laufend weiter dokumentieren und lernen können. Heute können wir dadurch sagen, dass unsere vagen Vermutungen übertroffen wurden. Wir dachten bspw., dass durch die Winkel mehr Staub und Dreck auf den Modulen haften bleiben und die Energiegewinnung mehr beeinträchtigen würden, als es bis jetzt der Fall war.

Woran arbeiten Sie gerade?

Momentan interessiert uns vor allem die Frage, wann und wie wollen wir die Energieerzeugung am Gebäude über den Tag verteilt im Gebäude nutzen? Ein Beispiel: Am Morgen ist das Gebäude abgekühlt, während es am Nachmittag gekühlt werden muss, weil es sich über den Tag aufgeheizt hat. D. h. wenn wir die Gebäudenutzung verstehen, können wir gleichzeitig auch ein speziell auf das Gebäude zugeschnittenes Energiegewinnungskonzept erstellen, das dem Gebäude in allen energetischen Themen unterstützt. Dieses System wird sich noch sehr stark verbreiten und weiterentwickeln, weil es wirtschaftlich und nachhaltig gedacht ist und für die gestalterische Kreativität ist eine enge Zusammenarbeit mit den Architekten auf jeden Fall sinnvoll.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit Anders Smith unterhielt sich DBZ Redakteurin Mariella Schlüter am 14. August 2019.

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