Das Material ist Farbe
Museum Brandhorst in München eröffnet. Architekten: Sauerbruch Hutton, Berlin

Es soll die Stadt München an die Weltspitze der Kunststädte katapultieren, das jedenfalls schwebt Wolfgang Heubisch, der sich gerne als „Kunstminister“ geriert, deutlich vor Augen. Der eigentlich Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und eben auch Kunst hat damit sicherlich etwas hoch gegriffen, doch das am 21. Mai offiziell eröffnete Museum Brandhorst hätte das Potential, die ehemalige heimliche Hauptstadt in die Nähe der wirklichen und, so weit man sehen kann, einzigen Gegenwartskunstmetropole Deutschlands zu heben: Berlin.

Der Neubau in München also könnte es. Er könnte die Kunststadt, die sich dem Zeitgenössischen aufgeschlossener gibt als sie wirklich ist, an andere in Deutschland heranführen. Zumal er Bestandteil eines schwergewichtigen so genannten „Kunstareals“ ist, für dessen Bestände europäischer Kunst die Direktoren der Tate, des Louvres oder Prados vielleicht nicht ihr Leben, sicherlich aber eine Menge Geld geben würden.

Das Museum soll vor allem Signal sein
Doch um die Substanz, also die einzelnen Arbeiten der Sammlung Brandhorst scheint es gar nicht zu gehen, eher schon um das, was sie nach außen hin beschreibt, also die Künstlernamen wie Twombly oder Polke oder Fischl, West, Richter, Nauman, Beuys und Warhol. Und eben um den Museumsneubau, den die Architekten dezidiert als ein Signal interpretierten, eines, das in das riesige und schön durchgrünte Museumsareal hineinruft: Seht her, hier ist die gegenwärtige Kunst in einem zeitgenössischen Haus untergebracht! Die Berliner Architekten Sauerbruch Hutton beschreiben die Farbigkeit der Hülle als Wirkmechanismus, der auch schon im weniger bunten Wettbewerbsentwurf enthalten war. Die Fassade, die das ganze Volumen wie ein homogener Schleier überzieht, soll jedem deut­lich sagen: Hier gibt es Kunst zu schauen!
Fassade mit vielen Aufgaben
Dass sie dabei selbst Baukunst geschaffen haben, kann man ihnen attestieren, wenn man sich Hülle und Inneres mit eigenen Augen angeschaut hat. Gut 36 000 Keramikhohlstäbe, die in 23 unterschiedlichen Farben und Farbtönen ihre ganz eigene Symphonie anstimmen, hüllen den beinahe fensterlosen Bau komplett ein. Über einer, den Straßenlärmpegel mindernden, gefalteten, farbigen Lochblechhaut mit dahinter liegendem Absorptionsmaterial, wurden die etwa einen Meter langen Stäbe nach einem Zufallsprinzip über das Volumen verteilt. Immerhin aber doch in drei großen Gruppen, die Kopfbau und den anschließenden Langbau optisch trennen/verbinden.

Städtebaulich gesehen waren die Vorgaben komplizierte: Das Grundstück ist für einen Museumsbau, der schließlich 3 200 m² Ausstellungsfläche bietet, extrem schmal. Der Neubau sollte die nach dem Abriss der alten „Türkenkaserne“ entstandene Wunde an Türken- und Theresienstraße schließen, insbesondere auf den an der Theresienstraße vis-à-vis stehenden Wohnbau von Sep Ruf reagieren. Gleichzeitig wurde verlangt, dass nach der Schließung des Straßenraums der Lärmpegel nicht höher sein dürfe als vorher; aus welchem Grund die Architekten ihre ursprüng­lich schallharte Glasaußenfassade revidierten und die offene, den Schall streuende wie schluckende Funktionsfassade hinter dem alterungsbeständigen Keramikkleid wählten. Ergebnis: Der Schallpegel liegt unter dem aus Vor-Museums-Zeiten.

Problematische Eingangssituierung
Den Eingang mit Foyer, Café und Shop legten die Architekten in den nördlichen Kopf­bau. Hier vermuten sie größeres urbanes Potential. Und kehrten fast ostentativ den Pinakotheken den Rücken zu. Absicht oder Fehler? Die Vernetzung der Museumsprotagonisten innerhalb es Kunstareals wird durch diese Lösung nicht einfacher, andererseits kann die Öffnung gen lebendiges Schwabing einen Sog entfachen, von dem die im Grünen dahinterliegenden Bauten profitieren können.
Licht soll immer vom Himmel kommen
In dem den Langbau deutlich überragenden, eher stehenden Volumen mit sich nach Norden öffnendem, trapezoidem Grundriss, liegt auch der einzige Raum des dreigeschossigen Museums, der speziell für nur eine Arbeit entworfen wurde. Der polygonale Raum mit zwölf auf die jeweiligen Bildformate angepassten Wandbreiten zeigt Cy Twom­blys grandiosen „Lepanto-Zyklus“, der hier in einer panoramaartigen Hängung präsentiert wird. Alle weiteren Räume sind als klassische White Cubes angelegt, die meisten mit Tages­licht. Im EG wird Licht über das obenliegende Fensterband mittels Prismen in den Raum gezogen, über eine gebogene Akustikdecke und darunterliegende Reflektoren gleichmäßig diffus verteilt; Kunst­licht ist bei Bedarf zusteuerbar. Im OG spannen sich Textildiffusoren über die Räume, hier glaubt man, die Decke sei auf einem milchig weißen Himmel geöffnet. Die Kabinette, die an dem tageslicht­hellen „Patio“ im Untergeschoss anschließen, sind lediglich künstlich belichtet.

Bauteilaktivierung
Temperiert wird das Museum über Bauteilaktivierung. Die Energie dazu wird über eine Grundwasserwärmepumpe gewonnen, Energieeinsparungen von 50 % (26 % elektrisch) sind errechnet worden. Die Klimatisierung des Baues, die aus konservatorischen Gründen höchst anspruchsvoll vorgenommen werden muss, ermöglicht über die Bauteilaktivierung Luftumsatzraten, die etwa bei der Hälfte konventioneller raumlufttechnischer Anlagen liegt. Luftströmungen und damit Verschmutzungen der Exponate verringern sich, zudem ergibt das auf Außentemperarturschwankungen träge reagierende System größere Sicherheit bei möglichen Ausfällen der Anlage.
Den privaten Charakter erhalten
Die Ausstellungsräume werden über das zentrale Treppenhaus erschlossen, ein eigener Raum hinter dem Foyer, der wie die Säle und Kabinette mit dänischer, lediglich geseifter Eiche belegt ist. Die warme, helle Optik wird bei der mit gleichem Holz furnierten Treppenbrüstung fortgesetzt. Dass sie sich leicht nach außen biegen, das Knarrzen der Tritte sowie der mit hellbraunem Leder bezogene, griffig weiche Handlauf erinnern auf sehr dezente Weise an das ursprünglich einmal Private der Sammlung und thematisieren so den Besuch des Museums zu einem daheim bei einem reichen Kunstsammler.
Raumsammlung statt Raumreihung
Auch die Sammlung der Räume, die im Gegensatz zum klassischen Museumsbau mit enfilierten Räumen hier mit Versprüngen arbeitet, können ein Gefühl von Privatheit erzeugen. Und noch eines erlaubt die Raumsammlung jenseits von Achsen: die unauffällige, weil integrierte Unterbringung eines ziemlich umfangreichen Nebenraumprogramms mit Werkstätten, Verwaltung, Personalräumen, Depots etc.

Dass die Eheleute Brandhorst ihre Sammlung im Tausch gegen einen Museumsbau schenkten, ist allgemein geübte Praxis. Einerseits retten sie damit ihr Lebenswerk vor dem Ausverkauf, andererseits bleibt ihr Name im öffentlichen Bewusstsein wach. Kunstwerke und Stiftungs­kapital werden auf über 200 Mio. € geschätzt, jährlich rechnet die Stiftung mit rund 2 Mio. € Kapitalerträgen, ein Etat, von dem die meisten Sammlungen träumen. 48 Mio. € hat der Bau gekostet und ist damit im ver­anschlagten Rahmen geblieben. Jetzt warten wir noch auf den auf der südlichen Block­ecke geplanten, von Stefan Braunfels vorgesehenen Bau für die grafische Sammlung als harmonisierendes Gegenüber zur Pinakothek der Moderne sowie einen das Museumskonglomerat verknüpfenden Masterplan. Dann erst wird München die Konkurrenz von Museumsinsel, Prado oder Louvre nicht mehr fürchten müssen. Vorausgesetzt, das „stürmische Wachsen“ (Baumstark/Schrenk) der Sammlung Brandhorst orientierte sich deutlicher an der Qualität, die uns ein alter Mann schenkte, der in Rom seine Wahlheimat gefunden hat und dem das Museum neben der riesigen Kapelle über dem Foyer auch noch den ursprünglich für Wechselausstellungen vorgesehenen großen Saal im Obergeschoss zur Verfügung stellte. Ad multos Annos, Cy! Be. K.

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