Rechtsprechung

Bauoberleitung muss auch die Baumaterialien prüfen!

(Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 26.03.2019; BGH, Beschluss vom 10.02.2021 – VII ZR 98/19)

Wird ein Ingenieur mit der „Bauoberleitung“ beauftragt, muss er nicht nur die Arbeitsergebnisse der Bauunternehmen überwachen. Er hat vielmehr auch die angelieferten Baumaterialien zu überprüfen, insbesondere dann, wenn Mängel an diesen nach dem Einbau nur noch mit großem Aufwand beseitigt werden können. Wird daneben noch jemand anderes mit der örtlichen Bauüberwachung beauftragt, so muss die Bauoberleitung auch die örtliche Bauüberwachung beaufsichtigen. Das sind weitreichende Pflichten der Bauoberleitung, die nicht jedem Auftragnehmer klar sind. Aus diesem Grunde musste sich das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) und nachfolgend der Bundesgerichtshof (BGH) mit folgendem Fall befassen:

Ein Bauherr wollte eine Biogasanlage zusätzlich zu seiner bestehenden Sauenzuchtanlage errichten lassen und beauftragte den Ingenieur u.a. mit der „Bauoberleitung“. Kurz zusammengefasst waren auf den an die Baustelle gelieferten Behälterwänden offensichtliche gravierende Mängel auf der Emaillierung vorhanden. Der Ingenieur aber wies den Bauherrn nicht auf die Mangelhaftigkeit des Materials hin. Darüber hinaus gab der Ingenieur die Rechnung der Firma frei, die das mangelhafte Material verkauft und daraufhin auch eingebaut hatte. Nachdem Bauherr und Ingenieur sich vorzeitig trennten und der Ingenieur restliches Honorar einklagte, wandte der Bauherr Schadensersatzansprüche aus mangelhafter Überprüfung der Baumaterialien und den daraus entstandenen Schaden ein.

Das OLG erkannte, dass zu den Grundleistungen der Bauoberleitung nach § 55 HOAI 2002 eben auch die Kontrolle der angelieferten Baumaterialen gehört, soweit Mängel nach dem Einbau nur mit erheblichem Aufwand beseitigt werden können. Auch wenn im Vertrag ein Einsatz des Ingenieurs auf der Baustelle nur mit einem Tag wöchentlich vereinbart war, so ändert dies nichts an der Pflicht zur Materialprüfung. Der Ingenieur hätte dann an den anderen Tagen die vom Bauherrn selbst eingesetzte Bauleitung entsprechend anweisen müssen (z.B. zu Sicht-/Qualitätskontrollen). Dies hatte der Ingenieur aber unterlassen.

Dem Ingenieur kostete dieser Fehler einen sechsstelligen Eurobetrag. Was folgt aus dem Urteil? Architekten/Ingenieure, die die Bauoberleitung übernommen haben, haben die angelieferten Baumaterialien zu prüfen. Sind die Architekten/Ingenieure nicht jeden Tag auf der Baustelle, müssen sie durch entsprechende Anordnungen an den Bauherrn bzw. an die von dem Bauherrn eingesetzte Bauleitung eine Materialprüfung sicherstellen.

Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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