Aufgespritztes Mauerwerk

Bei der Planung von Mauerwerkstrockenlegungen gelten Injektionsverfahren als Stand der Technik, bergen jedoch ein erhebliches Versagensrisiko. Deshalb sind vorbereitende Tests ebenso wichtig wie eine sachgemäße Ausführung und eine Prüfung der Ergebnisse

Bei der Sanierung oder Umnutzung von Bestandsbauten sind überwiegend auch Maßnahmen der nachträglichen Bauwerksabdichtung erforderlich. Meistens sind die Horizontalsperren entweder nicht vorhanden oder nicht mehr vollständig funktionstüchtig, sodass sie die aufsteigende Feuchte in höher gelegene Mauerwerksbereiche nicht mehr sicher unterbinden.

Dann kann durch den nachträglichen Einbau einer Horizontalsperre sichergestellt werden, dass keine aufsteigende Feuchte über den Mauerwerksquerschnitt die geplante Raumnutzung einschränkt. Der Einbau einer solchen Sperre erfolgt am sichersten mit Hilfe der mechanischen Verfahren wie dem Schneid- und Sägeverfahren, dem Blecheinschlagverfahren, dem Maueraustauschverfahren oder dem Kernbohrverfahren.

Diese Verfahren sind den allgemein anerkannten Regeln der Technik zuzuordnen und werden in einem WTA-Merkblatt ausreichend beschrieben [1].

Wenn diese sicheren mechanischen Verfahren der nachträglichen Herstellung einer Horizontalsperre aus statischen oder materialspezifischen Gründen nicht möglich sind, bleibt nur ein Injektionsverfahren zur Herstellung einer Abdichtungsebene, welches zum Stand der Technik zu zählen ist.

In DIN-Normen sucht man vergeblich nach Verfahrensbeschreibungen und Hilfen bezüglich der Materialauswahl für nachträgliche Horizontalabdichtungen im Injektionsverfahren. Es wurde zwar über eine neu zu erstellende DIN-Norm über Abdichtungen in Bestandsgebäuden im Rahmen der Neuordnung von Bauwerksabdichtungen in DIN 18531-18535 nachgedacht, aber bis tatsächlich ein solches Regelwerk zur Verfügung steht, werden noch Jahre vergehen. Wenn sie denn überhaupt je kommt. Diese Lücke wird durch das WTA-Merkblatt [2] für die Injektionsverfahren geschlossen. Damit steht das Injektionsverfahren zwar in der Baupraxis zur Verfügung, das heißt aber noch nicht, dass dieses Verfahren universell und unproblematisch einsetzbar ist und man keine dezidierte Planung und fachgerechte Ausführung benötigt.

Bei diesem Verfahren werden über Bohrkanäle Injektionsstoffe mit oder ohne Druck ins Mauerwerk eingebracht. Diese bewirken, dass die Kapillaren in dem Mauerwerk, wie es in den Merkblättern heißt, durch „Verstopfung, Verengung, Hydrophobierung oder Verengung und Hydrophobierung“ so verändert werden, dass ein Wassertransport durch die Kapillaren verhindert wird. Das Resultat ist das Erreichen der Ausgleichsfeuchte des Mauerwerks über die nachträglich hergestellte Sperre im Mauerwerk.

Obwohl die Injektionsverfahren zum Stand der Technik gehören, weisen sie ein höheres Versagensrisiko auf als die mechanischen Verfahren [6,7]. Die Gründe für das relativ hohe Versagensrisiko sind nicht bei den im Handel befindlichen Injektionsstoffen zu suchen. Vielmehr ist eine fehlerhafte und unzureichende Planung sowie eine nicht fachgerechte oder sorglose Ausführung die Ursache dafür, das nicht die gewünschte Abdichtungswirkung erzielt wird.

In der Planungsphase ist vor allem die Nichtbeachtung der Forderungen aus dem WTA-Merkblatt Grund für die ungenügende Funktionstüchtigkeit der Abdichtung. Meistens werden die geforderten Voruntersuchungen gar nicht oder nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt. Daraus resultiert, dass von der PlanerIn oder Ausführenden nicht der auf das Mauerwerk abgestimmte Injektionsstoff festgelegt wird. [6,7]

Ein weiterer Grund ist die fehlerhafte Festlegung der Bohrlochabstände, welche zur Ausbreitung des Injektionsstoffs im Mauerwerk überwiegend anhand von „Bauchgefühl“ ermittelt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Durchdringung des Mauerwerks um den Bohrkanal herum überwiegend nicht den Vorstellungen der Hersteller und Ausführenden entspricht. Die Ausbreitung des Injektionsstoffs ist nicht, wie in der Theorie, kreisförmig um das Bohrloch herum. Außerdem beeinflussen die materialspezifischen Eigenschaften und der Durchfeuchtungsgrad des Mauerwerkes grundsätzlich immer die tatsächliche Ausbreitung des Injek­tionsstoffs [4,5].

Die derzeit noch im WTA-Merkblatt ausgewiesenen bzw. empfohlenen Bohrlochabstände und Bohrlochanordnungen sollten daher mit Skepsis betrachtet werden. Sie wurden anhand früherer baupraktischer Erfahrungen festgelegt und halten im Einzelfall den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der zurückliegenden Jahren nicht mehr stand.

Das Risiko, dass keine ausreichende Abdichtungsebene entsteht, kann durch angemessene Bohrlochanordnungen wesentlich verringert werden. Sinnvoller als starre Festlegungen der Bohrloch-anordnungen ist eine ermittelte Bohrlochanordnung auf Grundlage von Probeinjektionen in dem betreffenden Mauerwerk. Diese eigentlich sinnvolle Vorgehensweise dürfte allerdings nur in den wenigsten Fällen durchsetzbar sein. Aus diesem Grund ist es ratsam, wenn die HerstellerIn der Injektionsmittel die Bohrlochanordnung aktenkundig und auf das jeweilige Objekt bezogen vorgeben.

In der Ausführungsphase ist der häufigste Fehler, dass nicht die erforderliche Menge Injektionsstoff ins Mauerwerk eingebracht und so keine Abdichtungsebene geschaffen wird. Ursache dafür ist die zu kurze Injektionsdauer pro Bohrkanal, die nicht ausreichende Reinigung der Bohrlöcher, ein zu groß gewählter Bohrlochabstand für den Einzelfall und Abweichungen im Anstellwinkel beim Bohren der Kanäle. Aber auch die Nichtbeachtung von Hohlräumigkeit, zu hohe Durchfeuchtungsgrade und fehlende Vor- und Nachtrocknung zur Erreichung der erforderlichen bauphysikalischen Randbedingungen im Mauerwerk führen zu unzureichender Abdichtungsqualität bei der Verwendung flüssiger Injektionsstoffe.

Durch Hohlräume und Risse kann der flüssige Injektionsstoff ungehindert abfließen und es bildet sich keine Abdichtungsebene aus. Durch fehlende Vortrocknung des Mauerwerks wird der Durchfeuchtungsgrad, in dessen Höhe die Wirksamkeitsprüfung des jeweiligen Injektionsstoffes im Labor erfolgte, nicht näherungsweise erreicht, was wiederum die Ausbreitung des Injektionsstoffs wesentlich beeinträchtigen kann. Bei fehlender Nachtrocknung des Mauerwerks entsteht nicht die erforderliche Randbedingung zur Entwicklung des Wirkprinzips (z. B. Ausbildung der Hydrophobie), sodass eine wirksame Abdichtungsebene überhaupt nicht erst entsteht. Weitere Ursachen und Ausführungsmängel, welche zu einer eingeschränkt funktionstüchtigen Abdichtungsebene führen, sind möglich.

Die in den vergangenen zehn Jahren auf dem Markt erhältlichen Abdichtungscremes haben gegenüber den flüssigen Injektionsstoffen den Vorteil, dass sie einfacher ins Mauerwerk eingebracht werden können. Ein unbemerktes Abfließen des cremeartigen Injektionsstoffs bei gerissenem oder hohlräumigem Mauerwerk ist nicht zu befürchten. Da diese Injektionsstoffe bei 95 % Durchfeuchtungsgrad geprüft werden, stufen einige PlanerInnen und Ausführende ­diese Creme als „Allheilmittel“ ein. Und so werden diese Injek­tionsstoffe zum Teil ohne die eigentlich erforderliche Voruntersuchung und Planung eingesetzt. Allerdings gilt: Creme ist nicht gleich Creme und auch diese Injektionsstoffe sind nur unter bestimmten Rahmenbedingungen funktionstüchtig. Daher sollten die Forderungen aus dem WTA-Merkblatt auch bei diesen Produkten eingehalten werden, wenn man als PlanerIn oder HandwerkerIn keinen Haftungsfall in Kauf nehmen will.

Um eine funktionstüchtige nachträgliche Horizontalsperre mittels Injektionsverfahren herzustellen, sollten nachfolgende Hinweise beachtet werden:

Generelle Hinweise:

1) Die gesamte Ausführungsplanung sollte auf Grundlage eines Sanierungskonzepts erfolgen, welche wiederum auf der Basis der Ergebnisse einer ausreichenden Voruntersuchung zu erstellen ist. Es wird angeraten, erfahrenen Fachplaner­Innen mit der Erstellung des Sanierungskonzepts zu beauftragen.

2) Mit der Ausführung der nachträglichen Horizontalsperre sind nur ausgewiesene Fachfirmen zu beauftragen, die ausreichende theoretische und praktische Erfahrungen in der Behandlung von salz- und feuchtebelastetem Mauerwerk und mit WTA-zertifizierten Injektionsstoffen haben.

3) Wird eine nachträgliche Horizontalsperre geplant, so muss der Bemessungswasserstand im Sinne der DIN 18533 bekannt sein [3]. Hierfür sind die BauherrInnen verantwortlich. Sie haben ein Bodengutachten zu beauftragen, um den Bemessungswasserstand auf dem Grundstück festzustellen. Die Berücksichtigung eines bekannten Bemessungswasserstands von einem in der Nähe befindlichen Grundstück ist in der Planungsphase zu vermeiden.

4) Zwischen den Baubeteiligten ist das Abdichtungsziel in der Planungsphase festzulegen und von den BauherrInnen aktenkundig zu bestätigen. Dabei sind u.­ a. die geplanten Raumnutzungsklassen Grundlage des Abdichtungsziels [3].

Hinweise zur Planung:

1) Grundsätzlich ist das Injektionsverfahren nach dem WTA-Merkblatt zu planen und auszuführen. Dieses Merkblatt sollte immer aktenkundig in den Verträgen von den betreffenden Baubeteiligten benannt werden.

2) Die Planung einer Sperre muss auf Grundlage von Ergebnissen einer ausreichend und wirtschaftlich angepassten Voruntersuchung erfolgen. Dabei ist unter anderem der Durchfeuchtungsgrad zu bestimmen, um einen geeigneten Injektionsstoff für den jeweiligen Einzelfall auswählen zu können.

3) Wenn man den Durchfeuchtungsgrad des Mauerwerks kennt, ist ein Injektionsstoff zu wählen, welcher näherungsweise mit dem entsprechen­den Durchfeuchtungsgrad im Labor geprüft wurde. Die Randbedingungen der Prüfungen sind in dem jeweiligen Prüfzertifikat des Injektionsstoffs nachzulesen.

4) Die Anwendungsgrenzen der Injektionsverfahren sind für den jeweiligen Einzelfall in der Planungsphase sorgfältig zu überprüfen. So kann Mauerwerk aus Hochlochziegeln, Gasbetonen oder mehrschaligem Mauerwerk etwa dazu führen, dass zusätzliche Maßnahmen bei der Herstellung der Abdichtungsebene erforderlich werden. Teilweise kann bei dieser Voraussetzung kein Injektionsverfahren erfolgversprechend eingesetzt werden.

5) Die erforderlichen flankierenden Maßnahmen (z. B. Vertikalabdichtung; Vor- und Nachtrocknung) sind festzulegen und ausreichend zu beschreiben.

6) Die PlanerIn hat die BauherrIn darüber ausreichend zu informieren, dass eine Nachinjektion notwendig werden kann und dies bei gegebener Veranlassung mit zu dem Injektionsverfahren gehört und daher keinen Mangel darstellt.

7) Genaue Beschreibung der geplanten Leistung zur Herstellung der Horizontalabdichtung, dazu gehört unter anderem:

a)   Vor- und Nachbereitungsarbeiten (Baustelleneinrichtung, Beheizung, Verdämmmaßnahmen, Riss- und Hohlraumverfüllung, Putz- und Maurerarbeiten)

b)   Art und Umfang einer Vortrocknung

c)   zu verwendender Injektionsstoff

d)   einzuplanende Injektionsmenge

e)   Festlegung der Bohrlochabstände

f)   anzuwendendes Injektionsverfahren 

g)   Art und Umfang von wirksamer Nachtrocknung

h)   Art und Umfang des Nachweises der Wirksamkeit

i) Eine Druckinjektion sollte einer drucklosen  Injektion vorgezogen werden, da bei der­ ­Druck­injektion mehr Injektionsstoff in das Mauerwerk eingebracht werden kann.

Hinweise zur Ausführung:

1) Aus Kostengründen werden bei einigen Projekten keine FachplanerInnen mit der Planung der nachträglichen Horizontalsperre beauftragt. Wenn dann eine Fachfirma ein Angebot für die Abdichtungsarbeiten abgibt und mit der Bauleis-tung beauftragt wird, so ist der ausführende Betrieb für Planungsfehler und Folgeschäden verantwortlich. Es sind mindestens die Hinweise zur Planung mit zu beachten.

2) Ein Planungsfehler kann schon dann attestiert werden, wenn der Durchfeuchtungsgrad des abzudichtenden Mauerwerks nicht ermittelt und dadurch unbekannt ist. Wird ein zertifizierter
Injektionsstoff verwendet, der aber nicht näherungsweise bei der tatsächlich vorhandenen Mauerwerksfeuchte nach der Prüfanordnung im Zertifikat geprüft wurde, so ist das Erreichen des Abdichtungsziels ein Glücksfall. Erhebliche Haftungsansprüche können dann entstehen, da die Anwendungsmöglichkeiten und -grenzen nicht ausreichend beachtet sind.

3) Wird eine Injektionscreme als Injektionsstoff geplant ist zu beachten, dass alle derzeit im Handel befindliche Cremes nur bei einem Durchfeuchtungsgrad von 95 % geprüft sind. Bei erheblich niedrigen Durchfeuchtungsgraden im abzusperrenden Mauerwerk sollten daher die Cremeprodukte nur nach einer Prüfung im Einzelfall eingebracht werden. Dazu ist ein Prüffeld im dem vorhandenen Mauerwerk anzulegen und die Wirkung des vorgesehenen Injektionsstoffs festzustellen.

Das bisher noch nicht grundsätzlich gelöste Hauptproblem besteht in der Zuordnung der jeweiligen Injektionsverfahren und Injektionsstoffe zu den physikalischen, beziehungsweise material­spezifischen Eigenschaften der Bauteile, in denen eine Horizontalabdichtung erfolgen soll. Dieses Problem dürfte sich aber in den kommenden Jahren durch das Sammeln weiterer Erfahrung lösen lassen.

Literatur

[1] WTA-Merkblatt 4-7 „Nachträgliche mechanische Horizontalsperre“, Fraunhofer IRB-Verlag, 2015 (derzeit in Überarbeitung)

[2] WTA-Merkblatt 4-10 „Injektionsverfahren mit zertifizierten Injektionsstoffen gegen kapillaren Feuchtetransport“, Fraunhofer IRB-Verlag, 2015 (derzeit in Überarbeitung)

[3] DIN 18533 „Abdichtung von erdberührten Bauteilen“ Beuth Verlag, 2017

[4] Walter,A.; Venzmer,H. „Bohrlochabstände feuchteabhängig wählen“, Zeitschrift der bauschaden, April/Mai2020- Teil 1 und Juni/Juli 2020- Teil 2

[5] Weber, Jürgen, verschiedene Veröffentlichungen, eBook, Springer Vieweg Verlag 2021

[6] Weber, Jürgen „Wirkmechanismen und Grenzen von Injektionsmitteln und deren Überprüfung, BuFAS e.V Tagungsband von den 23. Sanierungstagen, Dez. 2012

[7] Weber, Jürgen; Hafkesbrink, Volker „Bauwerksabdichtung in der Altbausanierung“, 5. Auflage, Springer Vieweg Verlag, 2018

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