Abgehoben
Open School in Anyang/KR

Anyang ist eine gesichtslose Großstadt mit ca. 600 000 Einwohnern, 20 km südlich von Seoul, im Norden Südkoreas gelegen. Die Reiseführerkette Lonely Planet stufte Seoul als der Welt drittunattraktivste Stadt für Besucher ein, was sich auf Anyang übertragen lässt. Unkontrollierter Städtebau hat zu anonymen Stadtvierteln und Vororten geführt, die an triste Mietskasernen des kommunistischen Städtebaus der Sowjetunion erinnern. Da viele Gebäude auf eine Lebensdauer von nur 20 Jahren ausgelegt sind, etabliert sich kaum wertige Bausubstanz, die qualitätsvolle Räume schafft.

Mit APAP 2010 (Anyang Public Art Project) wollte die Stadt mit Aktionen im Stadtraum das Bewusstsein der Bevölkerung für den öffentlichen Raum schärfen. New Community und Open City waren Schlagworte, die als Leitfaden für die vier temporären Projekte im Hakwoon Park und die zahlreichen Kunstaktionen dort und im Stadtraum dienten. LOT-EK aus New York erhielten den Auftrag zur Ausführung eines der vier Ankerprojekte, der Open School, die sie mit ihrem Markenzeichen den Überseecontainern, realisierten. Ada Tolla und Giuseppe Lignano zählen zu den Pionieren und profiliertesten Planern im Umgang mit Schiffscontainern, recycelter Architektur und dem Einsatz von Objèts Trouvés und Ready Mades im Allgemeinen.

LOT-EK kombinierte acht Überseecontainer zu einem horizontalen Volumen, in dem sich ein Ausstellungs- und Multifunktionsraum sowie zwei kleine Künstlerstudios befanden. Die Container waren über Eck im Fischgrätmuster angeordnet, so dass sich eine Pfeilspitze er- gab, die in Richtung des Flusses zeigte, über dessen Böschung die Open School zu schweben schien. Statt ein Plateau für einen ebenen Baugrund zu schaffen, stemmten die Planer das Containerkonstrukt in die Luft und leiteten die Lasten über 5 schräge Stahlstützen in Punktfundamente ab. Dadurch ergaben sich drei eigenständige Bereiche: Den Auftakt machte der unter den Containern durchlaufende Uferweg, der sich dort zu zwei kleinen Amphitheatern aufweitete, von denen eines, hangansteigend, die Öffentlichkeit und den Eingang adressierte, während das andere sich zum Fluss hin öffnete. Die schwe­bende Hauptebene hingegen war zum Fluss hin durch die Längs­seiten der Container verschlossen, wobei eine Vielzahl von Stahlröhren die Wände perforierten und als Ferngläser mit fokussiertem Blick dienten. Die schräg angeschnittenen Stirnseiten waren vollverglast und gaben Blicke auf den Uferweg und die Stadt frei. Den artifiziellen, modularen und temporären Charakter des Pavillons unterstrichen LOT-EK mit einem maisgelben Anstrich und einer plakativen Bedruckung und koreanischen Schriftzeichen in schwarzer Farbe. Wenngleich Überseecontainer ein Urtypus modularer Gedanken sind, gelang es den Planern mit der Open School einen ganzheitlichen Baukörper zu formen, der seine modulare Herkunft nicht auf den ersten Blick preisgibt.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe Hotel/2019

Schlafen im Überseecontainer

In der Kulisse von Hafen und Werft, unweit vom Warnemünder Ortskern, entstand mit dem Dock Inn eines der ersten Upcycling-Hostels in Deutschland. Früher transportierten die 25?m² großen...

mehr
Ausgabe 05/2020

Corona-Container in der Not

Der italienische Architekt, Ingenieur und unermüdliche Denker in Sachen digitaler Zukunft, Carlo Ratti, hat aktuell ein Open Source-Projekt für Behandlungszellen in Schiffscontainern...

mehr
Ausgabe 08/2013

Hoch gestapelt Eine Wohnsiedlung aus Schiffscontainern, Onagawa/JP

Nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami im März 2011 waren rund 71?000 Menschen im Nordosten Japans wohnungslos. Besonders schlimm traf es unter anderem Onagawa in der Präfektur Miyagi: Eine 15?m...

mehr

Brückenköpfe und Stadtraum

Vortrag von Prof. Christa Reicher, Universität Dortmund, am 8. Juni 2009, Köln

Der öffentliche Raum spielt im Gefüge der Stadt eine wichtige Rolle. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Mittel werden vielerorts die öffentlichen Flächen vernachlässigt. Dabei wird die...

mehr
Ausgabe 02/2009

Gegen den Strom LOT-EK, New York

Gentrification ist ein Phänomen, das seit Jahrzehnten durch New York fegt und ein Viertel nach dem anderen zum Haifischbecken für Investoren macht. Dabei ist die Reihenfolge immer die gleiche: Erst...

mehr