„7132 Ltd“ – Wie ein Dorf schöner werden will

Zuerst die Staumauer, dann die Quelle, dann die Therme, jetzt der Luftraum: Die Valser verkaufen sich. Stimmen Stück für Stück für eine Zukunft, die mit ihrer Vergangenheit nicht mehr viel zu tun haben wird.

Vals, ein 1 000 Seelenort auf 1 200  m ü. NN im Kanton Graubünden, kannten eigentlich nur die Schweizer. Denn von hier aus kam und kommt immer noch das Valser Silence, Valser Classic, Valser Naturelle oder aktuell das Valser Limelite. Bekannt wurde der Ort im langgestreckten Kerbtal durch den Neubau seines Thermalbades, der 1996 eröffnet wurde. 13 Jahre später erhielt sein Architekt, Peter Zumthor, den Pritzker-Preis. Auch wegen der Therme. Die kannten dann ganz schnell alle in der Welt. Damals zahlte man noch 28 Schweizer Franken Eintritt, heute sind es 80.

Den Kultort (mit anliegendem, dazu gehörigem Hotel, das Peter Zumthor in Teilen renoviert hatte) hatten 2012 die Valser dem Peter Zumthor aus den Händen genommen. Die Dörfler entschieden im Zusammenhang mit bevorstehenden Investitionen in Hotel und Therme mit 287 gegen 219 Stimmen für den aus Vals gebürtigen Churer Immobilienhändler Remo Stoffel. Dessen Stoffelpart AG übernahmen Hotel und Thermalbad Vals AG.

Das Hotel ist zurzeit geschlossen. Wegen Umbauten. Umgebaut wurde auch im Dorf. So aktuell der Landschaftspark mit Gartenhäusern nach Entwürfen von Tadao Ando. Auch ein Pritzker-Preis-Träger. Schleichende Veränderungen.

Aber jetzt ist mit dem Schleichen Schluss. Und die nationale wie internationale Presse regt sich auf. In Vals, direkt neben der Hotelanlage der Therme soll ein Hochhaus hin. 100 in die Höhe gestapelte Wohnungen für Menschen mit ganz viel Geld. 380 m hoch soll die gläserne Nadel werden, Morphosis Architects, Los Angeles, hat sie entworfen. Das Büro wird von Thom Mayne geführt, der – man staune – vier Jahre vor Zumthor den ... richtig: Pritzker-Preis erhalten hat. Morphosis war mit Steven Holl und 6a Architects in die Wettbewerbsendrunde gelangt. Mayne: „We are thrilled about the jury‘s decision and look forward to working with a visionary client to create a unique design that resonates with this incredible destination in the Alps.”

Dabei: „Wettbewerbsendrunde“! Stimmt gar nicht, wie die Jury des ausdrücklich von ihr genannten „Studienauftrags“ nach Bekanntgabe des „Ergebnisses“ über die SIA kommentierte. Es habe weder eine „Bereinigungstufe“ gegeben – noch hätte eine solche „zu einer Klärung der aufgeworfenen Fragen geführt“, die die Arbeiten der „Engeren Wahl“ für die Juroren aufgeworfen hätten.

Dass sich also Tom Mayne über die Jury-Entscheidung, die eben keine war, freut, ist nicht zu verstehen, denn es gab ja keine. Über das forsche Aufttreten von Architekten und Auslober verärgert, hatten sich neben der Jury-Vorsitzenden Louisa Hutton von Sauerbruch Hutton auch der SIA Präsident Stefan Cadosch, der ehemalige SIA Präsident des Kantons Zürich, Sacha Menz, ETH Zürich Professor Vittorio Lampugnani und EM2N Gründer Daniel Niggli ausdrücklich vom Ergebnis distanziert: „Das letztendlich durch die Bauherrschaft gewählte Projekt zur Weiterbearbeitung weist in Bezug auf die architektonische Ausformulierung, die Massstäblichkeit, die Einbindung in die ortsspezifischen Gegebenheiten, die Ankunftssituation und Übergänge zum Bestand sowie die Materialisierung erhebliche Fragezeichen auf. Entsprechend distanzieren sich die unabhängigen Fachexperten des Beurteilungsgremiums von der Wahl des Projektes von Morphosis Architects zur Weiterbearbeitung durch die Ausloberin des Studienauftrags.“

300 Mio. € soll das Projekt kosten, das, so Remo Stoffel, dem Schweizer Tourismus wieder die Gäste bescheren solle, die sein Land verdiene und in der Vergangenheit auch immer gehabt habe (bis vor dem allgemeinen Massentourismus in den Alpen). Noch fehlt dem Projekt, dass der „Absage an den Massentourismus“ das Sprungbrett sein soll, die Zustimmung der Dörfler und des Bundes, der bei Projekten dieser Größenordnung mit im Boot sitzt. Es fehlt auch die Gewissheit, dass der Immobilienmanager und Bauunternehmer Stoffel überhaupt in der Lage ist, das Projekt finanziell zu stemmen. Dass er alle seine Unternehmungen in Vals (Postleitzahl 7132) mittlerweile unter der Firmenbezeichnung „7132 Ltd“ subsummiert, deutet auf Ansprüche auf das Ganze (Tal). Was manchmal einen totalen Nullpunkt erzeugt.

Wer an dieser Stelle dann zur Hilfe gerufen wird, ist klar. Ob der dann aber kommt?! Wir bleiben dran. Be. K.

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