In Stein gehauen
Ferienhaus in Vals/CH

Im Schweizer Bergort Vals haben Bjarne Mastenbroek vom Amsterdamer Büro SeARCH und Christian Müller vom Rotterdamer Büro Christian Müller Architects ein privates Ferienhaus entwickelt. Um die Aussicht auf die Alpenlandschaft nicht zu verbauen, wurde der Sichtbeton-Bau einfach unter die Erde verlegt.


Der in rund 1 200 m Höhe gelegene Graubündner Bergort Vals ist international vor allem durch die 1996 errichtete Therme von Peter Zumthor bekannt geworden. Inzwischen kann das rund 1 000 Einwohner zählende Dorf mit einem weiteren architektonischen Juwel aufwarten: Nur einen Steinwurf entfernt vom Thermalbad bauten die Architekten Bjarne Mastenbroek vom Amsterdamer Büro SeARCH und Christian Müller vom Rotterdamer Büro CMA ein in den Hang gegrabenes Ferienhaus.

Öffnung im Fels

„Wir wollten etwas entwerfen, das sich einerseits organisch in die felsige Alpenlandschaft einfügt, das andererseits aber radikal mit dem traditionellen alpinen Architekturstil bricht“, beschreibt der aus der Schweiz stammende Christian Müller das architektonische Konzept. „Darüber hinaus sollte der Neubau die Aussicht auf die Berge und die Vals-Therme nicht verstellen.“ Als Ergebnis ihrer experimentellen Suche ließen die beiden Planer einen Einschnitt in den Fels sprengen und schoben anschließend eine doppelgeschossige, elegant in die Topographie des Hanges eingefügte Wohnlandschaft mit weiter Aussicht auf die Berge in die Öffnung. Im Innenbereich wird das Haus aus statischen Gründen von einer durchgehenden Sichtbetonhülle umschlossen, die den Neubau wie ein Kokon gegen die Bewegungen des Berges sichert. Als Außenfront entwickelten die Architekten eine nach innen geschwungene, mit Bruchsteinen aus der Region verkleidete Sichtfassade mit unterschiedlich großen Fensterflächen, direkt davor steht eine ellipsenförmige Außenterrasse zur Verfügung.

Ähnlich ungewöhnlich lösten die Planer auch die Erschließung des rund 160 m² großen, für bis zu zwölf Personen (acht Erwachsene plus vier Kinder) konzipierten Ferienhauses: Um den in sich gekehrten Charakter des Neubaus zu betonen, integrierten sie kurzerhand eine alte, im traditionellen Graubündner Stil errichtete Scheune in ihren Entwurf und ließen anschließend einen 22 m langen, mit Ortbeton verkleideten Tunnel in den Hang treiben, der Alt und Neu als unterirdische Passage miteinander verbindet. Die ursprünglich zum Abriss vorgesehene Scheune dient dabei nicht nur zur Erschließung des Neubaus, sondern auch als Stauraum zum Lagern und Trocknen von Wintersportkleidung.

Wohnlandschaft in Beton

Mit ihren großen Glasflächen nach Süden wirkt die auf unterschiedlichen Halbebenen ausgebreitete Wohnlandschaft trotz ihrer bunkerartigen Lage keineswegs beengt, sondern strahlt in sämtlichen Bereichen eine offene Großzügigkeit aus. Raum bestimmendes Element sind die zwischen 18 und 35 cm dicken Außenwände und Decken des Hauses aus roh belassenem Ortbeton, auf deren Oberflächen die Maserung und die Gusspunkte der Verschalung sichtbar geblieben sind. „In Abgrenzung von der oftmals perfektionistischen Bautradition in der Schweiz haben wir die Größe und Platzierung der unterschiedlichen Betonelemente ganz bewusst nicht als Teil des Entwurfs betrachtet“, so Christian Müller. „Stattdessen erfolgte die Ausbildung der Außenwände ganz pragmatisch mit vorhandenen Normschaltafeln, die sonst überwiegend im landwirtschaftlichen Bereich eingesetzt werden.“ Trotz des avantgardistischen Konzeptes strahlt der Neubau eine ungezwungene Leichtigkeit aus, die sich wie selbstverständlich in die umgebende Bebauung einfügt. Der Raum zwischen Betonhülle und Fels wurde für eine optimierte Wärmedämmung mit Schaumbeton gefüllt.

Zusätzliche Kontraste schafft die in Zusammenarbeit mit zahlreichen niederländischen Designern wie Hella Jongerius, Marcel Wanders, Demakersvan oder Scholten & Baijings entwickelte Innenraumgestaltung. Das verspielte Interieur betont den experimentellen Charakter des Hauses und fungiert gleichzeitig als repräsentative Plattform für zeitgenössisches Niederländisches Design in der Schweiz.

Robert Uhde, Oldenburg

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