Das Hotel der Zukunft gestalten
Wie sieht das Hotel der Zukunft aus? Dieser Frage geht das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit Wirtschaftspartnern aus der Hotel- und Architekturbranche nach. Als Plattformen für Dienstleistungen, Mobilität, Bildung und Gemeinschaft können Hotels eine zentrale Rolle im Gefüge der Stadt einnehmen. Diese neue Perspektive steht im Zentrum des „360 ° Hotel Service Ökosystems“, einem Zukunftsmodell, das im Rahmen des FutureHotel Innovation Network am Fraunhofer IAO entwickelt und durch eine groß angelegte empirische Studie wissenschaftlich fundiert wurde.
Das Hotel als Gebäudetypologie und Immobilien-Assetklasse steht derzeit unter erheblichem Transformationsdruck. Für Architekten und Planer bedeutet das: Die etablierten Funktionszuschreibungen und Raumlayouts z. B. für Lobby, Gästezimmer oder Gastronomie reichen nicht mehr aus, um zukunftsfähige Hotelkonzepte zu entwerfen.
Ein besonderes Potenzial für Hotels liegt darin, sich zu multifunktionalen Infrastrukturen im urbanen und ländlichen Raum weiterzuentwickeln. Sie übernehmen neue Aufgaben in Bereichen wie Mobilität, Bildung, Gesundheit, Gemeinschaft und Versorgung. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an räumliche Zugänglichkeit, Nutzungsvielfalt, Nachhaltigkeit und gestalterische Identität. Der Wandel betrifft nicht nur Grundrisse, sondern das Hotel als Typus und Immobilie in seiner gesamten logischen und baulichen Struktur.
Gestiegene Erwartungen
Die Rolle von Hotels verändert sich grundlegend – nicht nur, weil sich ihr Umfeld wandelt, sondern weil sich sowohl die Nachfrageseite als auch die Angebotsseite neu ausrichten. Die Erwartungen steigen: Reisende, Mitarbeitende, Unternehmen und Anwohner fordern zunehmend offene, nachhaltige und sozial integrierte Räume. Gleichzeitig reagiert die Hotellerie mit neuen Services, erweiterten Zielgruppen und strategischen Allianzen im Quartier.
Diese Veränderung hat tiefgreifende Auswirkungen auf die gebaute Umwelt. Neue Services bedeuten neue Infrastrukturen und diese erfordern neue Räume, neue Gestaltungsperspektiven und ein erweitertes architektonisches Verständnis von Hotelgebäuden.
Angebote in „Hotel
Service Ökosystem“ im urbanen, ländlichen und virtuellen Raum
Grafik: Fraunhofer IAO
Hotels sind nicht mehr nur Orte des temporären Aufenthalts, sondern entwickeln sich zunehmend zu sozialen Infrastrukturen inmitten urbaner und ländlicher Quartiere. Als Plattformen für Dienstleistungen, Mobilität, Bildung und Gemeinschaft übernehmen sie eine zentrale Funktion im Gefüge der Stadt. Diese neue Perspektive steht im Zentrum des „360 ° Hotel Service Ökosystems“, einem Zukunftsmodell, das im Rahmen des FutureHotel Innovation Network am Fraunhofer IAO entwickelt und durch eine groß angelegte empirische Studie wissenschaftlich fundiert wurde.
Die zentrale These: Hotels werden in Zukunft nicht mehr isoliert als reine Übernachtungsbetriebe gedacht, sondern als integrierte Service-Hubs, die Mehrwert für unterschiedlichste Nutzergruppen schaffen, für Gäste ebenso wie für Anwohnerinnen und Anwohner, Unternehmen oder mobile Berufstätige. Für Architekten stellt sich damit die Frage, wie diese neue Rolle baulich und räumlich übersetzt werden kann.
Vom Betrieb zum Ökosystem
Die Grundlage der Studie bildet eine methodisch fundierte Kombination aus qualitativen Fachworkshops und einer groß angelegten quantitativen Online-Befragung. Letztere wurde im Frühjahr 2024 mit insgesamt 4 880 Teilnehmenden aus ganz Deutschland durchgeführt. Befragt wurden Hotelgäste, Anwohner sowie potenzielle Nutzer neuer Hotelservices. Im Fokus standen Erwartungen an zukünftige Dienstleistungen, die gesellschaftliche Rolle von Hotels sowie konkrete Interessen an zusätzlichen Nutzungsangeboten. Ergänzend flossen Erkenntnisse aus Stakeholder-Workshops mit Fachvertretern aus Architektur, Stadtentwicklung, Hotellerie und Mobilitätswirtschaft in die Analyse ein.
Die Befunde sind eindeutig: 85 Prozent der Befragten wünschen sich eine Ausweitung des klassischen Dienstleistungsangebots. 69 Prozent sehen Hotels als bedeutende Arbeitgeber in ihrer Region, 66 Prozent als Imageträger für Stadt oder Destination. Besonders deutlich wird die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung und offenen Nutzungsmöglichkeiten, auch für Personen, die nicht im Hotel übernachten. Damit verändern sich nicht nur Geschäftsmodelle, sondern auch architektonische Grundlogiken.
360° Hotel Service Ecosystem Framework (Eigene Darstellung nach Borkmann, Stroh & Tombeil, 2022, p. 95; Philipp, Thees, Olbrich & Pechlaner, 2022, p. 2f; Buhalis et al., 2022)
Grafik: Fraunhofer IAO
10 Themenfelder für neue Raumqualitäten
Das Konzept des „360° Hotel Service Ökosystems“ identifiziert zehn zentrale Dienstleistungsbereiche, die für die zukünftige Rolle von Hotels relevant sind. Diese sind im Einzelnen:
räumliche Dienstleistungen
Lebensmittel/F&B, Landwirtschaft
Concierge Dienste
Freizeitangebote
Pflegeleistungen
geschäftliche Dienstleistungen
Mobilität und Energiediensleistungen
Technologiedienstleistungen
virtuelle Dienstleistungen
sonstige Dienstleistungen
Doch was bedeuten diese Kategorien konkret für Planung und Architektur? Ein Beispiel ist der Bereich raumbezogener Dienstleistungen: Hotels bieten zunehmend Co-Working-Spaces, Workshopräume oder Kulturflächen an. Daraus entstehen Zonen, die sich tagsüber flexibel wandeln; Was morgens ein Arbeitsort ist, wird abends zum Veranstaltungsraum. Klassische Nutzungstrennung wird durch programmierte Mehrfachverwendung ersetzt.
Ein weiterer Fokus liegt auf urbaner Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. In Städten gewinnt die Integration von Gemüsegärten, Vertical und Indoor Farming oder Gewächshäusern in Fassaden und Innenhöfe an Bedeutung. Diese Flächen dienen nicht nur der Selbstversorgung, sondern auch der ökologischen Bildung, Biodiversität und Identitätsstiftung.
Auch Mobilität ist ein zentrales Thema. Hotels fungieren zunehmend als Mikromobilitäts-Hubs mit Carsharing-Stationen, E-Bike-Flotten oder smarten Ladepunkten. Diese Angebote müssen baulich sichtbar, sicher erreichbar und im Idealfall öffentlich zugänglich gestaltet sein.
Weitere Themen wie soziale Dienste, Kinderbetreuung, Pflegeangebote, lokale Shops, Community-Küchen oder Kulturflächen erfordern eine grundlegende Neujustierung des Raumprogramms. Es geht längst nicht mehr nur um Lobby, Restaurant und Zimmer, sondern um dritte Orte, die zwischen Öffentlichkeit und Privatheit vermitteln. Der architektonische Fokus liegt auf adaptiven Grundrissen, durchlässigen Erdgeschossen, Rückzugsqualität und aktivierten Freiräumen.
Mit der wachsenden Bedeutung digitaler und virtueller Angebote entstehen neue Schnittstellen zur virtuellen Welt. Architektur muss künftig auch als Interface gedacht werden – durch immersive Medienräume, hybride Veranstaltungsformate oder virtuelle Concierge-Dienste.
Einstellung der befragten Öffentlichkeit zur Zusammenarbeit mit Hotels in der Nachbarschaft
Grafik: Fraunhofer IAO
Messbarer Mehrwert für neue Nutzergruppen
Die empirischen Daten zeigen, dass insbesondere lokale Gemeinschaften künftig eine zentrale Rolle im Hotelkontext einnehmen. Über 58 Prozent der Befragten sprechen sich für eine gezielte Öffnung von Hotelservices für Anwohner aus. 61 Prozent wünschen sich familienfreundliche Angebote wie Kinderbetreuung oder Freizeitflächen. Über 57 Prozent sehen Hotels als Anbieter von Mobilitätslösungen, auch für die Nachbarschaft.
Diese Zahlen verdeutlichen: Die klassische Zielgruppe „Übernachtungsgast“ wird ergänzt durch Mitarbeitende, Nachbarn, Tagesbesucher oder Unternehmen, die punktuell auf die Infrastruktur des Hotels zugreifen. Damit wächst die Reichweite, aber auch die Verantwortung. Hotels werden zu Infrastruktureinheiten der Daseinsvorsorge, mit neuen Anforderungen an Sichtbarkeit, Zugänglichkeit, Nutzungsvielfalt und räumliche Qualität.
Öffentliche Wahrnehmung der Rolle, die Hotels bei der Unterstützung lokaler Gemeinschaften spielen sollen
Grafik: Fraunhofer IAO
Architektur ermöglicht neue Wertschöpfung
Architektur spielt eine Schlüsselrolle, um diesen Wandel zu ermöglichen. Die Räume des Hotels werden zu strategischen Assets. Sie müssen hybrid nutzbar, barrierearm, technologisch anschlussfähig und identitätsstiftend sein. Begrünte Fassaden, aktivierte Höfe, offene Erdgeschosse, modulare Raumstrukturen und smarte Interfaces sind dabei keine gestalterische Kür, sondern integraler Bestandteil eines neuen Architekturverständnisses.
Planung wird zugleich komplexer. Architekten sind zunehmend gefordert, mit neuen Nutzergruppen, flexiblen Nutzungsszenarien und erweiterten Erfolgskennzahlen zu arbeiten. Der klassische RevPAR (Revenue per Available Room, dt.: Umsatz pro verfügbarem Zimmer) reicht als Bewertungsmaßstab nicht mehr aus. Zukünftig sind auch soziale Wirkung, ökologische Qualität und communitybezogene Nutzungsraten zu berücksichtigen. Architektur muss sich nicht nur wirtschaftlich rechnen, sie muss gesellschaftlich wirken.
Autorin: Prof. Dr. Vanessa Borkmann
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO
Foto: Fraunhofer IAO
Fraunhofer IAO
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO (Fraunhofer IAO) unterstützt Architekturbüros, Planungsteams, Projektentwickler und Hotelbetreiber bei der fundierten Entwicklung innovativer, resilienter und gemeinwohlorientierter Hotelkonzepte. Als wissenschaftlicher Partner bringt das Institut aktuelles Trendwissen, empirische Datengrundlagen, partizipative Entwicklungsprozesse und konkrete Planungsinstrumente in laufende Projekte ein – von der Vorentwurfsphase bis zur Betriebsstrategie.
Aktuell arbeitet das Fraunhofer IAO in der achten Forschungsphase des FutureHotel Innovation Network (2025–2028). In diesem Rahmen werden noch Hotelbetreiber, Ausstatter und Dienstleister, Architekturbüros, Projektentwickler, Investoren und kommunale Partner gesucht, die gemeinsam mit dem Institut neue Lösungen für Hospitality, Stadt und Gesellschaft entwerfen und realisieren möchten.
Sie planen ein Hotelprojekt, in dem Nachhaltigkeit, Community Building, urbane Integration oder digitale Services eine Rolle spielen?
Kontakt: Prof. Dr. Vanessa Borkmann
Forschungsdirektorin, Fraunhofer IAO
Projektleitung FutureHotel Innovation Network
vanessa.borkmann@iao.fraunhofer.de
www.futurehotel.de
