Bundesgeschäftsstelle Deutscher Alpenverein, München
Mit der Transformation eines Verwaltungsgebäudes aus den 1970er-Jahren zeigen Element A Architekten, dass es sich lohnt, umzubauen. Eine leichte Holzkonstruktion ermöglichte die Aufstockung um zwei Geschosse und die Fassadenkonstruktion mit Low-Tech-Ansatz beweist, dass eine komfortable Belüftung der Büroetagen auch ohne Klimatisierung gelingen kann.
Text: Katja Reich/ DBZ
Zwischen Stahl und Glas setzt der Umbau mit der markanten Holzfassade ein Zeichen der Nachhaltigkeit
Foto: Schels, Lanz, Pk. Odessa
Die Straßen tragen die Namen bedeutender Architekten und Künstlerinnen der Klassischen Moderne: Mies van der Rohe, Walter Gropius, Lilly Reich. Aber das architektonische Umfeld des Areals am Ende der A9 im Münchener Norden ist geprägt von nüchternen Hochhäusern aus Stahl und Glas. Funktional, vollklimatisiert und renditestark nach amerikanischem Vorbild bestimmen sie das Bild der Parkstadt Schwabing – und ja, es gibt auch einen zentralen Park, der dem Quartier seinen Namen verleiht. Dazwischen liegt, an der Anni-Albers-Straße 7, eine Parzelle, die Kurt Ackermann Architekten in zwei Bauabschnitten (Anfang der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre) mit einem viergeschossigen Verwaltungsgebäude für den Langenscheidt Verlag bebaut hatten und die im Zuge der Umgestaltung des Quartiers ab dem Jahr 2000 lange Zeit zum Verkauf stand. Letztendlich erwarb der Deutsche Alpenverein (DAV) das Grundstück, um mit einem neuen Verwaltungsgebäude dem Bedarf seiner stark gewachsenen Mitgliederschaft gerecht zu werden. Es folgte 2016 ein geladener Wettbewerb, den das Büro hiendl schieneis für sich entscheiden konnte. Ab der LP 3 übernahmen Element A Architekten dann die weitere Planung und Umsetzung des Entwurfs.
Die Anforderungen sahen den Erhalt der viergeschossigen Stahlbetonkonstruktion sowie eine Aufstockung um zwei Geschosse vor
Foto: Schels, Lanz, Pk. Odessa
Gebäude des Langenscheidt-Verlags vor dem Umbau
Foto: Element A
Den Bestand nutzen
Das Entwurfskonzept wurde aus dem Bestand heraus entwickelt. „Es war uns und unserem Bauherrn ein elementares Anliegen, mit dem Vorhandenen zu arbeiten und den Beweis anzutreten, dass sich der Umbau lohnt“, sagt Architekt Christian Taufenbach von Element A. Trotz einer für heutige Bürogebäude etwas zu niedrigen Geschosshöhe erachteten die Architekt:innen das bestehende Betonskelett mit Treppenhaus und Versorgungskernen als zentraler Tragstruktur für geeignet. Die Tragfähigkeit war weitgehend gegeben und erlaubte eine Aufstockung um zwei weitere Geschosse in Holzbauweise. Lediglich im Erd- und im Untergeschoss mussten einige Stützen verstärkt und die Fundamente ertüchtigt werden. Gestalterisch ließ sich die Betonkonstruktion durch Abschleifen der Oberflächen erstaunlich gut mit der neuen Holzkonstruktion kombinieren. Um die Büroetagen den heutigen Anforderungen anzupassen und nutzbar zu machen, waren noch die Böden und die Höhen der bestehenden Treppen anzugleichen sowie ein Übergang zum Nachbargebäude (ehemaliger Neubau des Verlags aus den 2000er-Jahren und heute Parteizentrale der CSU) zu schaffen. Die beiden Gebäude sind durch ein gemeinsames Fluchttreppenhaus miteinander verbunden. Die laut Arbeitsstättenrichtlinie etwas zu niedrige lichte Raumhöhe von 2,70 m konnte durch eine Gefährdungsbeurteilung und eine offene Deckengestaltung problemlos für die Büronutzung vorgesehen werden. Christian Taufenbach meint: „Entscheidend ist die Haltung, die Bereitschaft, sich von den Standards wegzubewegen und nach Kompromissen und praktikablen Lösungen zu suchen. Nur so kann das Arbeiten im und mit dem Bestand funktionieren und zukunftsweisende Architektur entstehen.“ Dabei ließen sich Taufenbach und sein Team stets von der Prämisse „keep it simple“ leiten. So wurden beispielsweise die Installationen sichtbar belassen, Beleuchtung nur in den Wegezonen vorinstalliert und die Arbeitsplätze individuell mit Stehleuchten ausgestattet. Auch der Austausch und die Reparatur einzelner Komponenten und Bauteile, wie z. B. der Fassadenpfosten, sollte jederzeit möglich sein.
Viel Holz auch im Innenraum, doch der roh belassene Beton des Bestands bleibt weiterhin sichtbar und integriert sich bestens
Foto: Schels, Lanz, Pk. Odessa
Fassade mit Mehrwert
Der eigentliche Clou des Gebäudes ist jedoch die doppelschichtige Fassade und das damit zusammenhängende, ausgeklügelte Lüftungskonzept für die Büroetagen. Zunächst wurde die bestehende Aluminiumfassade mit ihren Fensterbändern demontiert und die Brüstungshöhen auf ca. 60 cm Höhe reduziert. Stattdessen erhielt das Gebäude eine neue Pfosten-Riegel-Fassade aus Holz mit großflächiger Verglasung und kleineren Öffnungsflügeln, der auf der Ost- und Westseite eine ca. 1,5 m breite Pergola vorgelagert wurde. Diese besteht aus vertikal stehenden Pfosten, die horizontal durch Stahlrahmen verbunden und ausgesteift sind. Darin liegen Gitterroste, die mit Pflanzkästen ausgestattet und mit diversen einheimischen Gewächsen begrünt sind. Zu Wartungszwecken lassen sie sich auch begehen. Als Absturzsicherung genügen hier feine dünne Stahlseile. Dieser grüne Filter schützt zum einen die dahinter liegende Fassade vor zu großer Sonneneinstrahlung, sodass ein zusätzlicher außenliegender Sonnenschutz nur noch an einigen Stellen erforderlich war, zum anderen bietet er den Angestellten angenehmere Ausblicke in die wenig attraktive Umgebung. Da eine reine Fensterlüftung aufgrund der hohen Lärmbelastung durch die angrenzende Autobahn sowie die hohen Winddruckschwankungen schlecht möglich war, fokussierten die Planer:innen ein natürliches Lüftungskonzept über eine intelligente Low-Tech-Lösung im Brüstungsbereich. Um dem Anspruch, die Kühllast auf Null zu reduzieren, gerecht zu werden, wurden umfangreiche Simulationen mit den Ingenieur:innen von Transsolar durchgeführt. Die Lösung sieht wie folgt aus: In die Brüstung wurde ein spezielles Lüftungselement eingebaut, das die Außenluft unabhängig von der Druckdifferenz schallgedämmt und mit konstantem Volumenstrom in den Innenraum leitet.
Die speziellen Fassadenbrüstungen sind das Kernstück der Lüftungsführung. Element A entwickelten sie gemeinsam mit den Klimaingenieur:innen von Transsolar
Foto: Schels, Lanz, Pk. Odessa
Standardmäßig wird dieses Bauteil über den Fenstern montiert, was hier aber zu erheblichen Zugerscheinungen geführt hätte. Eine Vorerwärmung über den Konvektor wurde als zu störanfällig verworfen. Stattdessen machte man sich die Physik zunutze und installierte die Lüftungselemente nur so nahe am Boden ein, dass im Havariefall die kalte Außenluft am Konvektor vorbeiströmt. Im Regelbetrieb werden durch den thermischen Auftrieb im Konvektorschacht Außenluft und bodennahe Raumluft angesaugt. Die so erwärmte Frischluft sorgt für ein angenehmes Raumklima und verhindert Zugerscheinungen. Die Abluft wird zentral in zwei Schächten an den Stirnseiten der Kernzonen gesammelt und mit Abluftventilatoren über das Dach abgeführt. Bei Bedarf sorgen Deckenventilatoren für eine erhöhte Luftbewegung und Behaglichkeit. Das System hat sich, nun im dritten Sommer, bestens bewährt und funktioniert bis auf wenige Tage mit extremen Temperaturen und tropischen Nächten einwandfrei. „Es muss nicht immer alles 100 Prozent sein“, ist sich Christian Taufenbach sicher, „eine etwas entspanntere Haltung kann viel bewirken. In diesem Fall eine enorme Energieeinsparung durch den Verzicht auf aktive Klimatisierung.“
Das Foyer mit Treppenraum und Aufzugsschacht, ebenfalls in Holzbauweise, ist als eigene Nutzungseinheit konzipiert. Den Brandschutz gewährt eine Kombination aus Sprinklerung und Brandmeldeanlage
Foto: Schels, Lanz, Pk. Odessa
Dem Wunsch des Bauherrn nach Ressourcenschonung und verantwortungsvollem Umgang mit der Umwelt wird das Gebäude in jedem Fall gerecht. Es hat sowohl durch die gestalterische Umsetzung des Themas Natur – der DAV ist nicht nur der größte Bergsportverein weltweit, sondern auch der mitgliederstärkste deutsche Naturschutzverband – als auch durch die Materialwahl und die konstruktive wie technische Bearbeitung ein Zeichen gesetzt, ein weiteres Stück Grün ins Quartier geholt und ist damit ein optimales Aushängeschild für die Arbeit des Deutschen Alpenvereins geworden.
Trotz der angenehmen Arbeitsatmosphäre muss man auch mal Pause machen: in der Cafeteria, im Stüberl oder auf der Dachterrasse
Foto: Schels, Lanz, Pk. Odessa
Wichtig war den Architekten auch eine Demontierbarkeit der Bauelemente. Der Austausch evtl. verwitterter Pfosten beispielsweise ist über eine absenkbare Verschraubung gegeben
Foto: Schels, Lanz, Pk. Odessa
Grundriss EG, M 1:750
1 Atrium
2 Empfang
3 Foyer
4 Besprechungsraum
5 Büro Mietfläche
6 Poststelle
7 Büro
8 Lager
9 Technik
10 Großraumbüro
11 Personalraum
12 Dachterrasse
13 Cafeteria
Detail Fassadenbrüstung, M 1:20
1 Heizleitung, 22 mm
2 Ausschnitt Rohrdurchführung, Langloch 60 x 140 mm
3 3-Schichtplatte Weißtanne, 21 mm
4 Heizkörper
5 Fühler, mittig im Luftschlitz
6 Stahlblech, sendzimirverzinkt
7 Fermacell Power Panel H20, 12,5 mm
8 Kondensatauffang
9 Lüftungselemet, Renson SonoVent
10 Brüstungsabdeckung, revisionierbar, Vollholz Weißtanne, 30 mm
Element A Architekten BDA
Christian Taufenbach
www.element-a.de
Foto: Element A
Projektdaten
Objekt: Bundesgeschäftsstelle DAV
Standort: München
Typologie: Büro- und Verwaltungsgebäude
Bauherr und Nutzer: Deutscher Alpenverein e. V. , München
Architektur: Entwurfsplanung und Ausführung: Element A Architekten BDA, München,
www.element-a.de; Wettbewerb und Entwurf: hiendl_schineis architektenpartnerschaft, Passau/Augsburg, www.hiendlschineis.com
Team: Christian Taufenbach, Andreas Kreft, Romuald Dehio, Tobias Richter, Ludmila Volk, Johanna Öchsner, Saskia Weber, Andreas Riesch, Lisa Detter, Zsofia Varga, Daniela Retze-Stefani
Bauleitung: Andreas Kreft
Bauzeit: 09.2019 – 02.2021 (ohne Entkernung)
Zertifizierungen: Prädikat KlimaKulturKompetenz – Energieeffizienz, Prädikat KlimaKulturKompetenz - Flächensparen, Prädikat KlimaKulturKompetenz - Klimaanpassung, KfW Effizienzhaus 55, KfW Effizienzhaus 70
Grundstücksgröße: 2 230 m²
Grundflächenzahl: 0,52
Geschossflächenzahl: 2,58
Nutzfläche gesamt: 5 320 m² (Bestand und Aufstockung)
Technikfläche: 470 m²
Verkehrsfläche: 2 000 m²
Brutto-Grundfläche: 8 082 m²
Brutto-Rauminhalt: 26 404,7 m³
Baukosten (nach DIN 276):
Gesamt brutto: 22,5 Mio. €
Brutto-Grundfläche: 4 229 €/m²
Brutto-Rauminhalt: 2 784 €/m³
Fachplanung
Tragwerksplanung: merz kley partner, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com
TGA-Planung: Ingenieurbüro Lackenbauer,
Traunstein, www.lackenbauer.de
Landschaftsarchitektur: mk.landschaft, München, www.mk-landschaft.de
Energieberatung und -planung: Transsolar Energietechnik GmbH, München, www.transsolar.com/de
Brandschutz: IBU Brandschutz, München,
www.ibu-brandschutz.de
Energie
Primärenergiebedarf: 53 kWh/m²a nach EnEV 2016
Jahresheizwärmebedarf: 125 kWh/m²a nach PHPP/EnEV 2016
U-Werte Gebäudehülle:
Außenwand = 0,95 W/(m²K)
Bodenplatte = 0,241 W/(m²K), erdberührend
Dach = 0,141 W/(m²K)
Fenster (Uw) = 0,85 W/(m²K)
Haustechnik:
– Low-Tech Gebäude
– Natürliches Lüftungssystem mit integrierter Schalldämmung
– Verzicht auf maschinelle Lüftungs- und Klimaanlagen
Erhalt Bestand aus den 1970er-Jahren: ca. 2 600 m3 Stahlbeton
Weiterverwertung Gebäudesubstanz: Einsparung Transporte für Abbruch und Entsorgung, Antransport und Herstellung neuen Stahlbetons für Bestandgeschosse, Einsparung ca. 5 000 t CO2
Hersteller
Boden: Werkstein: EUVAL, www.euval.com/de; Systemböden: Lindner Group,
www.lindnergroup.com/de; Teppichboden: Interface, www.interface.com
Flachdach: Rygol Dämmstoffe, www.rygol.de
Fassade: Rossmanith, www.rossmanith-hd.de
Dachfenster: Velux, www.velux.de
Trennwände/Trockenbau: Meta, www.meta.de; Alois Scheicher GmbH, www.scheicherwand.com; Günther, www.karlguenther.de
Möbel: Brunner, www.brunnergroup.com
RWA-Anlage: BASE GmbH, www.basegmbh.com
Software: Archicad, www.graphisoft.com
Lüftungselement/Sonnenschutz: Renson,
www.renson.eu/de
Innentüren Holz: Sedlmeyr Spezialtüren GmbH, www.spezialtueren.de
Aufzug: Riedl, www.riedlaufzuege.de
Holzbau: Grossmann, www.grossmann-bau.de; Achter, www.zimmereiachter.de
Boulderwand: T-Wall, www.twall.org/de
Akustik: YDOL, www.ydol.de; Renz, www.renzsolutions.de