Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig: Verjährung der Mängelansprüche beginnt!

OLG Rostock, Urteil vom 19.09.2023 – 4 U 141/19

Wie aus dem Urteil vom 19. September 2023 beim Oberlandesgericht Rostock hervorgegangen, sind die Mängelrechte am „Bau“ anwendbar, wenn eine Abnahme vorliegt oder das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Ist die Planungsleistung unmöglich geworden, liegt mit diesem Zeitpunkt das Abrechnungsverhältnis vor, so dass dann die Verjährung der Mängelansprüche analog § 634a Absatz 1 Ziffer 2, § 634a Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beginnt.

Der Sachverhalt:
Der Bauherr beauftragte den Ingenieur mit der Genehmigungsplanung für den Umbau und die Erweiterung seines Hauses. Ein Nachbar legte gegen die im Jahr 2009 erteilte Baugenehmigung erfolgreich Drittwiderspruch ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bauherr bereits mit Bauarbeiten begonnen und unter anderem den Dachstuhl entfernt. Er forderte vom Ingenieur Schadensersatz aufgrund der bereits entstandenen Kosten sowie der Kosten für den notwendigen Rückbau. In einer Teilklage im Jahr 2013 verlangte der Bauherr etwa 5.500 Euro Schadensersatz. Diese Klage wurde Ende 2015 um weitere 35.000 Euro erweitert. Der Ingenieur brachte die Einrede der Verjährung vor. Das Landgericht gab der Klage des Bauherrn größtenteils statt. Dagegen legt der Ingenieur Berufung ein.
 
Die Entscheidung:
Mit teilweisem Erfolg! Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von (nur) rund 5.500 Euro. Das werkvertragliche Gewährleistungsrecht sei aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles anwendbar. Dabei könne dahinstehen, ob bereits eine Abnahme der Planungsleistungen des Beklagten durch den Kläger erfolgt sei, was durchaus zweifelhaft sei, denn jedenfalls bestünde nur noch ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien. Von der Umgestaltung des Vertrages in ein Abwicklungs- bzw. Abrechnungsverhältnis sei unter anderem dann auszugehen, wenn tatsächliche Umstände aus der Sphäre des Bestellers gegeben sind, aufgrund derer eine Erfüllung des Architektenvertrages nicht mehr in Betracht komme, weil sie beispielsweise im Sinne von § 275 Absatz 1 BGB unmöglich geworden sei. Dies sei hier der Fall, soweit es für die Durchführung des von dem Kläger beabsichtigten Bauvorhabens der Zustimmung seiner Nachbarn bedurfte.
 
Ein Architekt oder Ingenieur, der sich zu der Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichte, schulde als Werkerfolg grundsätzlich eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Die vertraglich geschuldete Leistung sei in diesem Sinne erbracht, wenn die aufgrund der zu erstellenden Genehmigungsplanung angestrebte Baugenehmigung rechtmäßig und nicht mehr zurücknehmbar sei. Der Auftragnehmer habe davon ausgehend eine Planung zu liefern, die sich nicht auf die Darstellung der Wünsche des Bestellers beschränke, sondern mit dem öffentlichen Baurecht übereinstimme, sodass sie insbesondere nicht an Widersprüchen von Nachbarn scheitere und genehmigt werden könne.
 
Nach diesen Maßgaben sei eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung einer von dem Kläger in Aussicht genommenen Erweiterung seines Anbaus zumindest ohne eine Zustimmung seiner Nachbarn unstreitig nicht möglich gewesen. Ein Unvermögen des Beklagten bezüglich einer Erbringung der geschuldeten Leistung habe dabei nicht bereits von vornherein deshalb vorgelegen, weil die Erfüllung überhaupt von dem Willen Dritter abhänge, sondern nur und erst dann, als festgestanden habe, dass die Nachbarn ihre notwendige Mitwirkung aller Voraussicht nach verweigern werden. Dies sei aber (spätestens) mit der Einlegung des Drittwiderspruches durch die Nachbarn der Fall gewesen. Der Planer sei nicht verpflichtet, die Zustimmung der Nachbarn einzuholen; er müsse aber das Erfordernis der Zustimmung berücksichtigen und den Besteller entsprechend aufklären. Dies sei nicht erfolgt, so dass die Planung mangelhaft sei. Die Planung eigne sich nicht für die gewöhnliche Verwendung und habe nicht die die Beschaffenheit, die bei Werken der gleichen Art üblich sei und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten könne. Der vertraglich geschuldete Erfolg der Leistung des Architekten oder Ingenieurs sei in der Regel nicht erreicht, wenn die angestrebte Baugenehmigung - wie hier - durch die Behörde zwar zunächst erteilt, jedoch später wegen erfolgreichen Drittwiderspruchs wieder aufgehoben werde.
 
Allerdings sei teilweise Verjährung eingetreten. Die Verjährungsfrist betrage fünf Jahre für Ansprüche bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht, und beginne grundsätzlich mit der Abnahme. Können dem Besteller jedoch auch solche (Gewährleistungs-)Ansprüche zustehen, ohne dass das Werk bereits abgenommen worden sei, wie etwa bei dem Übergang in ein Abrechnungsverhältnis, beginne der Lauf der Verjährung konsequenterweise mit dem dafür relevanten Zeitpunkt. Der Übergang in ein Abrechnungsverhältnis sei wie derjenige der Abnahme objektiv zu bestimmen. Ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien sei im September 2009 eingetreten, als mit einer Verweigerung der Nachbarzustimmung feststand, dass eine Leistungserbringung für den Beklagten unmöglich sei. Die Verjährungsfrist sei damit im September 2014 abgelaufen und könne durch die Klageerweiterung in 2015 nicht mehr gehemmt werden.
 
Praxishinweis:
Wenn der Unternehmer seine Leistung als fertiggestellt zur Abnahme anbietet, kann der Besteller auch ohne Abnahme die Mängelrechte geltend machen, sofern der Erfüllungs- und Nacherfüllungsanspruch erloschen ist und ein Abrechnungsverhältnis besteht. Dies ist der Fall, wenn der Besteller nur noch Schadensersatz oder Minderung verlangt. Es ist folgerichtig, ab diesem Zeitpunkt nicht nur die Mängelrechte anzuwenden, sondern auch die Verjährung der Mängelansprüche in Gang zu setzen. Die Entscheidung des OLG Rostock mag demzufolge als wenig „gerecht“ empfunden werden, sie ist aber folgerichtig und es muss geraten werden, die Verjährungsfristen in derartigen Fällen sehr genau zu beachten.
 
Autoren: Rechtsanwalt Prof. Axel Wunschel, Licencié en droit, Wirtschaftsmediator und Honorarprofessor der TU Darmstadt sowie Rechtsanwalt Tobias Leithold LL.M.

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