Am Büchel: Ingenhoven mit
Fraunhofer in Aachen

Nachdem im Kern der Universitäts- und Bäderstadt Aachen jahrzehntelang wenig passierte, nun ein städtebauliches Vorhaben, das einerseits einen radikalen Umbau im Zentrum vorsieht, andererseits diesen Umbau ziemlich langfristig angeht und damit – entgegen mancher Bau-Turbo Wünsche – nachhaltig sein könnte.

Die Aufteilung des innerstädtischen Areals „Am Büchel“, das bis vor seinem Abriss 2021 noch ein riesiges Parkhaus besetzte, erfolgt räumlich wie zeitlich in drei Abschnitten: drei Konzeptverfahren sollen Entwickler, Gestalter und Anwohner und potenzielle Nutzerinnen zusammenbringen.

Drei Planungsgebiete, vier Stufen

Die Verfahren – von denen das erste gerade entschieden ist – werden in vier Stufen durchgeführt: In der Vorbereitungsphase wird über eine erste Bedarfsanalyse die Ausschreibung erstellt. Die anschließende Bewerbungsphase endet mit einer Jurierung und Benennung des Gewinnerinnenteams. Hier muss die Jury die „städtebauliche/architektonische Qualität“ (auch inkl. innovativer und nachhaltiger Ansätze) bewerten, den „Mehrwert für’s Quartier“ (insbesondere Betrachtung der Nutzungsvielfalt und Frequenzbringung, aber auch des sozialen Charakters) sowie die „Wirtschaftlichkeit“; nicht nur mit Blick auf die zu erzielenden Erlöse/Verpachtungen, sondern auch auf den Pflege- und Betriebsaufwand. Auf die Bewerbungsphase folgt die hier so genannte „Optionsphase“, in der die Planung im Detail zu konkretisieren ist, bevor die Realisierungsphase ansteht.

Die drei Planungsgebiete sind: „Baustein WISSEN“, für das die Bewerbungsphase bereits Ende 2022 gestartet wurde und für das in einer Jurysitzung im Mai 2023 die Fraunhofer IEG ausgewählt wurde, die in Aachen ein Institutsgebäude plant. Gedacht als „Transferplattform“ will die Fraunhofer IEG die Sichtbarkeit von Wissenschaft und Diskurs im Innenstadtbereich der Wissenschaftsstadt Aachen stärken. Für die Gestaltung dieses Gebäudes gab es einen Architekturwettbewerb mit drei Finalisten.

Das zweite Planungsgebiet ist das Baufeld „RedHouse+“ (u. a. ein Backsteinbau), für das die Bewerbungsphase am 11. April 2025 startete und Mitte Juli 2025 abgelaufen ist. Das dritte Planungsgebiet ist das Baufeld „Ausblick“, das Platz bietet für Neubau mit gemischten Nutzungen. Die Bewerbungsphase hierfür startet im Herbst 2025.

Der aktuelle Wettbewerb, Baustein WISSEN

Die drei Preisträger zum 1. Planungsgebiet sind: 1. Preis: Ingenhoven Associates, Düsseldorf, 2. Preis: LRO, Stuttgart und 3. Preis: Ferdinand Heide Architekten, Frankfurt a. M. Zudem gab es drei Anerkennungen (a+r Architekten, Stuttgart, Barkow Leibinger, Berlin sowie die Projektgemeinschaft Forschungsbau, Zimmern o. Rottweil).

Ende Juli wurde bekannt, dass Fraunhofer mit Ingenhoven Associates zusammenarbeiten wird. Im Idealfall soll ab 2027 gestartet werden, der Bezug des Institutsbaus könnte 2030 starten.

Ingenhovens Entwurf

„Ökologische Bauweise, öffentliche Zugänglichkeit und moderne Arbeitswelten“ verspricht der Gewinner, Offenheit und Flexibilität „erzeugen Räume, die Begegnung und Austausch fördern und traditionelle Grenzen zwischen Forschungsinstitution und Stadtgesellschaft auflösen.“ Als Highlight und technologisches Statement wird die „Feature-Wand“ genannt, deren Glasröhren anschaulich das zur Kühlung und Heizung eingesetzte Thermalwasser visualisiert. Der Dachgarten ist öffentlich nicht zugänglich, desgleichen nicht der „großzügige Innenhof“, der „eine schützende Distanz zur heterogenen Bebauung der Antoniusstraße“ bildet. In der Antoniusstraße gehen lange schon und immer noch Bordellbetreiber ihrem Geschäft nach. Versuche der Stadt, hier durchzugreifen, scheiterten zuletzt u. a. am Bundesverwaltungsgericht in der Gemengelage Nutzungstypisierung/Bebauungsplan.

Mit dem Neubau möchte die Stadt u. a. eine „technische Blaupause“ für weitere Quartiere in Aachen und in NRW schaffen. Der Neubau wird 70 Forscherinnen als Arbeitsplatz dienen und „zudem einen Raum für den Austausch mit der Wissenschaft, der Stadtgesellschaft und der regionalen Wirtschaft bilden“, so die „Städtische Entwicklungsgesellschaft Aachen GmbH & Co. KG“ (SEGA). Die wurde 2019 nach einigen erfolglosen Versuchen, das Areal privatwirtschaftlich nachhaltig entwickeln zu lassen, gegründet und ist federführend in der Entwicklung „Am Büchel“. Was ihr insofern leichter gemacht wurde, als sämtliche relevanten Flächen, die für die Entwicklung des Altstadtquartiers notwendig sind, seitens der Stadt zurückgekauft wurden.

Stadtmacherinnen

Dass die Stadt auf Beteiligung setzt, ist längst Standard. Allerdings will sie über die übliche Bürgerinnenbeteilung hinaus die Arealentwicklung nun „Hand in Hand mit einer Vielzahl Investierender aus der Stadtgesellschaft“ umsetzen. Über ein an die gesamte Stadtgesellschaft adressiertes Sondierungsverfahren „Stadt machen am Büchel“ werden die „Stadtmacher*innen“, also investitions- oder nutzungsbereite Akteure aus der Stadtgesellschaft, an das Projekt gebunden.

Zwischennutzung und Dazwischennutzung

Das mit der Zwischennutzung ist eine schöne Sache, wenn sie am Ende dazu führt, dass Zwischennutzungen nicht nur dem Abfedern von  Ansprüchen der Unwilligen dient. Diese lässt man auf der Spielwiese spielen, bis alle Verträge unterschrieben sind und die Bagger anrollen. Dann ist Schluss mit der Zwischennutzung und die Zwischennutzerinnen müssen sich andere Orte suchen. Hier in Aachen ist die Zwischennutzung – genauer „Zwischenzeit am Büchel, zzab.de – aber integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts und keine Alibi-Veranstaltung, wie wir sie u. a. im Zuge des Abrisses des Palastes der Republik in Berlin erleben mussten.“ Das Projekt, so die SEGA, kann nur gelingen, wenn es mit vielen Partnern in der Stadtgesellschaft kooperiert!

Mit der Zwischennutzung, die fester Projektteil ist, gibt es eine Dazwischennutzung, genauer gesagt: eine freie Fläche mittendrin. Als Zentrum der drei Planungsbausteine ist sie „eine Freifläche für alle Generationen als Symbol für den Wandel der Aachener Innenstadt hin zu mehr Grün, mehr Kreativität und mehr Aufenthaltsqualität“ (SEGA). Der dauerhafte Freiraum wird geplant für vielfältige Nutzungsideen, weshalb die SEGA einen freiraumplanerischen Wettbewerb ausgeschrieben hatte. Das Siegerbüro GM013 aus Berlin wurde 2023 mit der Planung beauftragt, die vertiefte Planung (LPH 3) ist seit Ende Juni 2024 von der Politik beschlossen.

Vor dem Wettbewerb lud im September 2022 die SEGA Bürgerinnen auf das Gelände ein, um hier Vorschläge für eine künftige Platznutzung zu sammeln. Die meisten wollten Platz für: Ausruhen/Verweilen/Durchatmen, Eventfläche/Kultur, Sportangebote, Gastro/Kiosk/Biergarten und Spielmöglichkeiten, auch: kostenlose, öffentliche Toiletten. Punkte, die in jeder Stadtplanung selbstverständlich zu berücksichtigen sind, theo­retisch jedenfalls.

Das Projekt „Am Büchel“ wird seitens des Bundes in dem Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus – Förderprojekte 2021“ mit 5,5 Mio. € gefördert. Wir schauen später einmal wieder vorbei.  Benedikt Kraft/DBZ

www.zzab.de, www.buechel-aachen.de

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