Abrissstopp in Berlin: Friedrich-Jahn-Stadion

Mehr als 60 Jahre Fußballgeschichte hat das Leichtatletik- und Fußballstadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin Prenzlauer Berg geschrieben, dann sollte es abgerissen werden. Der hier ansässige Fußballklub zielt auf Aufstieg (aus der Regionalliga) und damit – wie immer in solchen Fällen – auch Zuwachs von Attraktivität. Ein Stadion sollte eben groß genug sein, wetterfeste Steh- und Sitzplätze haben, eine Infrastruktur, die Events aller Art möglich macht etc. Verkauft wurde die Modernisierungsinitiative unter dem Schlagwort „Inklusion“.

Das Gelände hat eine weit bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Geschichte, das, was wir heute hier topografisch vorfinden, ist nichts weniger als die Trümmerlandschaft, die durch Aufräumarbeiten der zerbombten Bezirke entstanden war. Hier hinein nun realisierte man nach dem Weltkrieg 1939–45 das sogenannte „Große Stadion“ (Entwurf Rudolf Ortner) mit etwa 30 000 Sitzplätzen. Weitere Sportflächen in nächster Nachbarschaft entstanden.

Zum Ende der DDR-Zeit 1986–1987 wurde das Stadion mit der Haupttribüne ergänzt – West- und Eingangsfassade mit roten Glaselementen verkleidet (Entwurf: Fisarova/Ondrej) –, die ­Gegengerade überdacht und die fächerförmig geneigten Flutlichtmasten aufgestellt. Mit der Sanierung 1998 erhielt das Stadion seine grellbunten Schalensitze. In den Folgejahren – so auch anlässlich des Finales der UEFA Women’s Cham­pions League 2015 – investierte das Land Berlin immer wieder in Rasen und Umkleiden, Sanitäranlagen und Brandschutz; ein paar Millionen Euro, immerhin.

2014 gab es erste Abriss- und Neubaupläne im Rahmen einer das Gelände insgesamt betrach­tenden Machbarkeitsstudie, vor zwei Jahren dann 2022 ein Werkstattverfahren – mit Bürgerinnenbeteiligung – zur Untersuchung von drei Planungsvarianten: Erhalt, Neubau, Neubau an anderer Stelle. Das Resumee: „Durch einen Neubau des Stadions an gleicher Stelle (Szenario 1) können die Anforderungen erfüllt werden.“ Oder anders gesagt: „Der Erhalt und Umbau des vorhandenen Stadions (Szenario 2), der zu großen Teilen einem Neubau entspricht, ist mit Zielkonflikten behaftet.“ Irgendwann gab es einen Realisierungswettbewerb, den O+M Architekten, Dresden gewannen. Im September 2024 wurde mit dem „konstruktiven Rückbau Tribünen- und Nebengebäude, Gegentribüne und Wallaufbauten“ begonnen, die Bagger arbeiteten bis zum 4. November. Dann entschied das Berliner Verwaltungs-
gericht über eine Klage, die der Umweltverband Naturfreunde Berlin gegen den aktiven Abriss des Jahnstadions eingereicht hatte. Das Verwaltungsgericht untersagte mit sofortiger Wirkung den Abriss mindestens bis Ende Februar 2025. Der Grund: 94 Nistplätze des Haussperlings!

Die Verwaltung hat bereits angekündigt, den Mangel sofort zu beseitigen und damit die Grundlage des Urteils zu entkräften. Deutlich progressiver wäre es aber wohl, weniger politisch motiverten Aktionismus zu bieten, aber dafür kluges, abgewogenes Handeln. Eine Denkpause ist da, jetzt fehlt nur noch das in dieser Pause mögliche Nachdenken. Be. K. (ausführlich auf DBZ.de)

www.berlin.de/sen/sbw

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