Was lange währt … wird es auch gut?

Ab heute, 18. August 2009, gilt die Neufassung der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI)

Die HOAI-Neufassung wurde am 17. August 2009 im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt heute, am 18. August in Kraft. Für alle ab dem Inkrafttreten vertraglich vereinbarten Leistungen der Architekten und Ingenieure gilt ab dem 18. August 2009 die Neufassung der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI). Die bis dahin geltende Fassung der HOAI bleibt weiter auf Leistungen anwendbar, die vor Inkrafttreten der HOAI vereinbart worden sind. Im Nachfolgenden zitieren wir einen Text von den Kollegen der Architektenkammer Niedersachsen, die in einem ersten Resumee die Änderungen bezüglich Verbesserung / Verschlechterung deutlich machen.

„Bereits der Umstand, dass die HOAI weiterhin als verbindliches Preisrecht erhalten bleibt, ist eine gute Nachricht. Der Anwendungsbereich für Architekten wird auch nicht drastisch eingeschränkt, wie es noch vor wenigen Monaten ernsthaft im Gespräch war. Die Leistungsbilder werden nicht zerschlagen, die Honorartabellen nicht auf anrechenbare Kosten von maximal 5 Mio. Euro zusammengestrichen.

Auch eine der größten rechtlichen Gefahren für das Fortbestehen der HOAI scheint beseitigt: Den europäischen Bedenken und der EU-Dienstleistungsrichtlinie wurde durch einen neuen § 1 Rechnung getragen, welcher die Anwendbarkeit der HOAI auf Büros mit Sitz im deutschen Inland beschränkt. Ob daraus tatsächlich ein deutlicher Wettbewerbsdruck aus dem Ausland resultieren wird, erscheint mehr als fraglich. Grenzüberschreitende Dienstleistungen im Bereich der Architektur sind statistisch eher selten und bei den spektakulären Großprojekten der vergangenen Zeit, in denen ausländische Architekturbüros verstärkt zum Zuge kommen, werden die Tabellenhöchstwerte häufig überschritten, so dass ohnehin kein Honorarrecht gilt.

Weitere positive Nachrichten: Das Recht auf Abschlagszahlungen bleibt uneingeschränkt erhalten (§ 15 Abs. 2) und alle Honorartabellen werden linear um 10 % erhöht.

Die HOAI erhält einen neuen Aufbau. Aus bisher 103 Paragraphen werden 55. Der „Haupttext“ wird übersichtlicher und kürzer. Allerdings handelt es sich nur scheinbar um eine Verschlankung, da ein Großteil der bisherigen Regelungen lediglich in die neuen Anlagen – insgesamt 14 – verschoben wurde. In den Anlagen befinden sich insbesondere die Besonderen Leistungen, die Objektlisten zur Honorarzoneneinordnung sowie die Leistungsbilder.

Kritik bleibt im Hinblick auf die Streichung einer Vielzahl von ingenieurtechnischen Leistungsbildern (insbesondere die bisherigen Teile X bis XIII, auch die UVP) aus dem verbindlichen Teil der Honorarordnung und deren Auslagerung in die Anlage 1 (Beratungsleistungen). Die Honorartafeln zu diesen Leistungsbildern besitzen nur noch einen Empfehlungs- bzw. Orientierungscharakter. Die Einhaltung der in der Anlage 1 enthaltenen Tafelwerte ist nicht mehr zwingend.

Der Teil 1 (Allgemeine Vorschriften) hat eine deutliche Ausweitung erfahren; es wurden mehr Bestimmungen (z.B. Honorarzone, Auftrag für mehrere Objekte) „vor die Klammer gezogen“. Der vor allem für Architekten relevante Abschnitt zur Gebäudeplanung befindet sich nunmehr in den §§ 32 ff..

Die neue Ermittlung des Gesamthonorars ausschließlich auf der Basis der Kostenberechnung (§ 6 Abs. 1) oder gar einer Kostenvereinbarung (§ 6 Abs. 2) beinhaltet Risiken für die Honorarhöhe. Schwierigkeiten können insbesondere entstehen, wenn es zu nachträglichen Änderungen des Leistungsumfangs kommt. Hierzu bestimmt § 7 Abs. 5 lediglich, dass eine Anpassung vorzunehmen ist, wenn sich der Leistungsumfang auf Veranlassung des Auftraggebers ändert.

Andererseits kann die Honorarermittlung, insbesondere die Erstellung einer prüffähigen Honorarschlussrechnung (§ 15 Abs. 1), durch die Beschränkung auf einen Kostenansatz deutlich einfacher werden. Zudem sind parallele Kostenermittlungen nach den unterschiedlichen Fassungen der DIN 276 nicht mehr erforderlich; nur noch die aktuelle DIN 276 (12/2008) ist anzuwenden (§ 4 Abs. 1).

Durch die verstärkte Abkopplung der Honorare von den tatsächlichen Baukosten – der Kostenanschlag und die Kostenfeststellung sind für die Honorarberechnung nicht mehr relevant – und  durch die Neueinführung eines Bonus/Malus-Systems (§ 7 Abs. 7) sollen, so die Bundesregierung, Anreize zum kostengünstigen Bauen gegeben werden.

Die weiteren Änderungen des Honorarsystems enthalten eine ganze Reihe von potentiellen Honorarverlusten und Honorarfallen. Das gilt zum einen für die Streichung einiger vorteilhafter Honorarregelungen, welche sich – insbesondere bei unzulänglicher vertraglicher Vereinbarung – zu deutlichen Honorarnachteilen entwickeln können (z.B. §§ 21, 23, 33, 34, 42).

Die Änderungen des Honorarrechts beinhalten aber nicht nur Risiken und Gefahren, sondern teilweise auch Chancen. So ist die Festlegung von Zeithonoraren in § 6 (Mindestsatz eines Stundenhonorars in Höhe von 38 €) insgesamt gestrichen worden. Zukünftig wird die HOAI Stundensätze nicht mehr vorgeben

Die Regelungen zum Bauen im Bestand wurden deutlich verändert. Für Architekten, die gleichzeitig auch den raumbildenden Ausbau eines von ihnen geplanten und realisierten Gebäudes betreuen, wird der Wegfall des § 25 Abs. 1 HOAI (alt) zu einem zweiten Honorar führen, das nach der bisherigen Fassung der HOAI grundsätzlich ausgeschlossen war. Auf der anderen Seite und sehr viel schwerwiegender ist aber möglicherweise der Fortfall des § 10 Abs. 3 a HOAI. Fraglich ist jedoch, ob der Ansatz der mitverarbeiteten Bausubstanz tatsächlich entfällt. Ziff. 3.3.6 der DIN 276 (12/2008) regelt, dass vorhandene Bausubstanz in den betroffenen Kostengruppen auszuweisen ist, wodurch der Wert der verwendeten Bausubstanz wieder in die Kostenberechnung einfließt. Der Verordnungsgeber hat die Möglichkeit vorgesehen, einen Umbauzuschlag zukünftig nicht nur bis zu 50 %, sondern bis 80 % zu vereinbaren – unabhängig von der Honorarzone. Bei Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung verbleibt es bei dem Ansatz von 20 %, jedoch bereits ab Honorarzone II (§ 35).

Fazit

Positiv zu vermerken ist, dass die HOAI in ihren wesentlichen Teilen als verbindliches Honorarrecht beibehalten und die Tafelwerte um 10 % angehoben wurden. Die Abschaffung verbindlicher Stundensätze bietet die Chance, nunmehr marktgerechte Stundensätze zu vereinbaren. Die Ausweitung der Bonusregelung kann sich ebenfalls positiv auswirken.

Die Auskoppelung der sog. Beratungsleistungen aus dem verbindlichen Preisrecht wird sich für die Architekten wohl kaum auswirken. Die Generierung von Zusatzhonorar beim Bauen im Bestand wird jedoch schwieriger und der Wegfall einiger Regelungen kann im Einzelfall zu Honorareinbußen führen. Durch die Abrechnung ausschließlich auf Basis der Kostenberechnung wird die Rechnungsstellung zwar vereinfacht, aber gleichzeitig Streitpotential bei Änderungen im Vorhaben eröffnet.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die neue HOAI in der Praxis bewährt.

Pl/Pa/Kr“

Tatsächlich wird erst die Anwendung der HOAI-Novelle in der Praxis der nächsten Jahre zeigen können, ob mit der längst fälligen Überarbeitung mehr Gerechtigkeit auf allen Seiten hergestellt werden konnte. Hier sind vor allem die Architekten, aber natürlich auch die Kammern und andere Verbände aufgerufen, die Novelle in ihrer Umsetzung kritisch zu begleiten und wenn nötig auf Abänderung zu drängen. Denn auch wenn Gesetze geschrieben sind ist ihre Gültigkeit nur von der Dauer, die eine Mehrheit ihr zugesteht. Be. K.

Alle Informationen zur HOAI-Novelle finden Sie auch auf der Website des Deutschen Architektenblatts , hier wurden auch die häufigsten Fragen umfassend beantwortet. Zudem wird in der kommenden Ausgabe des DAB die Frage der Vertragsgestaltung ausführlich dargestellt. Das Heft erscheint am 1. September 2009.

Bei rechtlichen Fragen, insbesondere zur Vertragsgestaltung der neuen HOAI, sollten Sie sich an die Rechtsberatungen der Kammern wenden.

Den kompletten Text der neuen HOAI können Sie hier als PDF (613 kb) herunterladen

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