Die neue HOAI 2009Die sechste Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure
Nach langwierigen und intensiven Abstimmungsprozessen ist noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die europäische Dienstleistungsrichtlinie, die am 28. Dezember 2009 endet, die 6. Novelle der HOAI am
18. August 2009 in Kraft getreten. Damit hat eine seit Jahren überfällige Reform ihr vorläufiges, aber nicht abschließendes Ende
gefunden.
Die seit 14 Jahren unveränderten Tafelwerte wurden pauschal um 10 % angehoben. Die Verordnung wurde inhaltlich und systematisch neu geordnet und deutlich verschlankt. An wesentlichen Elementen der alten HOAI wird jedoch festgehalten, insbesondere an den verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen, den Honorartafelendwerten, den vollständigen Leistungsphasen und an den Parametern zur Bestimmung des Honorars (anrechenbare Kosten, Leistungsbilder, Honorarzonen, Honorartafeln, prozentuale Bewertung des Leistungsumfangs).
Mit der neuen HOAI wird den beteiligten Auftraggebern und -nehmern mehr Freiraum für die Leistungshonorierung gelassen. Die Planungsbüros werden konsequenter als bisher zur internen betriebswirtschaftlichen Kalkulation und die Vertragspartner zur rechts-
sicheren Vertragsgestaltung angehalten.
Der neue Aufbau der HOAI
Aus bisher 103 Paragraphen sind 56 geworden. Eine Vielzahl bisheriger Regelungen wurde in neue Anlagen verschoben. Unter anderem betrifft dies die Objektlisten zur Honorarzoneneinordnung (Anlage 3), die unverändert übernommenen Leistungsbilder (Anlagen 4 bis 14), die Besonderen Leistungen (Anlage 2) und die so genannten Beratungsleistungen (Anlage 1).
Die HOAI wurde in verbindliche und unverbindliche Regelungsbereiche gegliedert. Die verbindlichen Regelungen sind in den
Teilen 1-5 der Verordnung sowie in der Anlage 3 (Objektlisten) und den Anlagen 4 bis 14 (Leistungsbilder) erfasst. Der unverbindliche Verordnungsteil besteht aus der Anlage 1, die das Leistungsbild der Umweltverträglichkeitsstudie und die ingenieurtechnischen Leistungsbilder der Teile X-XIII der HOAI (a.F.) enthält, und aus der Anlage 2, die die Besonderen Leistungen enthält.
Im Teil 1 werden allgemeine preis- und vertragsrechtliche Vorschriften zusammen-
gefasst. Sie wurden bisher in den einzelnen Leistungsbereichen jeweils mit geringfügigen Änderungen wiederholt oder durch Verweisungen in Bezug genommen (z. B. Umbau- zuschlag, Beauftragung von Einzelleistungen). Abweichend von dieser Systematik sind § 35 (Leistungen im Bestand) und § 36 (Instandhaltungen und Instandsetzungen) dem Teil 3 Abschnitt 1 (Gebäude und raumbildende Ausbauten) zugeordnet, finden aber ebenso für die übrigen Leistungsbilder in
Teil 3 und 4 Anwendung.
Die Teile 2-4 in Verbindung mit den Anlagen 4-14 enthalten die Vorschriften über die Honorierung der Leistungen der Flächenplanung, der Objektplanung und der Fachplanung sowie die prozentuale Bewertung der Leistungsphasen. Die Leistungsbilder selbst wurden unverändert übernommen, jedoch in Anlagen zusammengefasst. Dabei wurde der bisherige Begriff der „Grundleistungen“ durch den der „Leistungen“ ersetzt. Die neue HOAI kennt bis auf wenige Ausnahmen nur noch zusätzliche Besondere Leistungen, die im Gegensatz zu den preisrechtlich geregelten beauftragten „Leistungen“ der freien Honorarvereinbarung unterliegen.
Wichtige Neuerungen
Die bisherigen Tafelwerte wurden seit 1995 nicht mehr erhöht. Vor diesem Hintergrund war eine Anhebung der Honorare geboten. Sowohl die Honorartafeln der preisrechtlich geregelten als auch der ungeregelten Leistungen sind linear um 10 % erhöht worden. Nach der amtlichen Begründung kann die zu erwartende Kostensteigerung für private Aufraggeber von Planungsleistungen auf Grund der Honoraranhebung nicht exakt angegeben werden. Die jährlichen Mehrbelastungen für die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen werden auf 290 Mio. € beziffert.
Durch die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf im Inland ansässige Auftragnehmer (Stichwort: Inländer-HOAI) wurde auf die europarechtlichen Anforderungen reagiert. Gemäß Art. 16 (Dienstleistungsfreiheit) der europäischen Dienstleistungsrichtlinie ist die Festsetzung von Mindest- und Höchstpreisen nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt. Diese Gründe sind abschließend und beziehen sich auf den Gefahrenschutz der Gesellschaft, auf die nationale Sicherheit und Fragen der Sicherheit der Bevölkerung. Da die HOAI nach allgemeiner Auffassung aus diesen Gründen nicht zu rechtfertigen ist, ist eine Konformität mit der Dienstleistungsrichtlinie nur dann zu erreichen, wenn Leistungen ausländischer Architekten und Ingenieure von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind.
Somit unterliegen dem Anwendungsbereich der neuen HOAI nur Büros mit Sitz im Inland. Darüberhinaus müssen die beauftragten Leistungen vom Inland aus erbracht werden. Diese Regelung zielt insbesondere auf Büros mit Mehrfachsitzen im In- und Ausland. Ob aus der Inlandsbeschränkung der HOAI ein starker Wettbewerbsdruck aus dem Ausland entstehen wird, muss abgewartet werden. Werden bei europaweiten Vergabeverfahren gemäß VOF auch Angebote ausländischer Architekten und Ingenieure eingereicht, so ist das Zuschlagskriterium „Hono-
rar“ auch dann zu werten, wenn die Honorarsätze außerhalb der HOAI liegen. Bei Angebotspreisen, die unterhalb der Mindest-
sätze der HOAI liegen, muss die Auskömm-
lichkeit der Angebote gewährleistet sein.
Sachliche Einschränkung des Anwendungsbereichs der HOAI
Die ingenieurtechnischen Leistungsbilder der früheren Teile X bis XIII der HOAI (Leistungen für Thermische Bauphysik; für Schallschutz und Raumakustik; für Bodenmechanik, Erd- und Grundbau und für vermessungstechnische Leistungen) sowie das Leistungsbild Umweltverträglichkeitsstudie wurden aus dem preisrechtlich geregelten Teil der HOAI herausgenommen und in die unverbindliche Anlage 1 ausgelagert. Die Leistungsbilder wurden unverändert aus der alten HOAI übernommen. Ihre notwendige inhaltliche Anpassung an technische und rechtliche Entwicklungen ist einer nächsten Novellierungsstufe vorbehalten. Gleiches gilt für alle übrigen Leistungsbilder. Die Honorartafeln für die
Leistungsbilder der Anlage 1 haben nur noch Orientierungscharakter. Die Leistungen unterliegen nicht mehr verbindlichem Preisrecht; ihr Honorar ist frei zu vereinbaren.
Kritisch betrachtet werden muss die Dekla-
ration dieser Leistungen zu ausschließlichen „Beratungsleistungen“.
Die Honorare für die in der Anlage 2 aufgeführten Besonderen Leistungen sind ebenfalls nicht mehr von der HOAI erfasst. Es handelt sich bis auf wenige Ausnahmen um zusätzliche Besondere Leistungen, die zu den beauftragten verpreisten Leistungen hinzutreten können. Die Besonderen Leistungen bedürfen mehr denn je einer vertraglichen Vereinbarung über Umfang, Inhalt und Vergütung.
Baukostenberechnungsmodell
Mit dem neuen Baukostenberechnungsmodell sollen die Honorarermittlungsgrund-
lagen vereinfacht und das Honorar von den tatsächlichen Baukosten abgekoppelt werden. Damit ist eine Kernforderung des Bundesrates aus dem Jahre 1995 erfüllt.
In der Objekt- und Fachplanung (Teile 3 und 4 der Verordnung) wird nunmehr das end-
gültige Honorar entgegen der bisherigen sukzessiven Fortschreibung der anrechenbaren Kosten für die Honorarermittlung (von der Kostenschätzung bis zur Kostenfeststellung) einmalig auf der Grundlage der Kostenberechnung ermittelt. Dies führt zu einer deutlichen Vereinfachung der Honorarermittlung, insbesondere der Erstellung einer prüffähigen Honorarschlussrechnung.
Optional zum Baukostenberechnungsmodell kann das Honorar unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem Baukostenvereinbarungsmodell ermittelt werden. Diese Möglichkeit kommt zum Tragen, wenn zu einem sehr frühen Projektzeitpunkt eine Honorarfestlegung vorgenommen werden soll.
Aufnahme einer Bonus-Malus-Regelung
Mit der Aufnahme einer Bonus-Malus-Regelung gemäß § 7 Abs. 7 HOAI wurde die
frühere Möglichkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars erweitert. Nunmehr kann nicht nur ein Erfolgshonorar für Kosten-
unterschreitungen bis zu 20 % des vereinbarten Honorars schriftlich geregelt werden, sondern auch ein Malus-Honorar in Höhe von bis zu 5 % des vereinbarten Honorars. Die Höchstgrenze orientiert sich an der zulässigen Höhe einer Vertragsstrafe in den All-
gemeinen Geschäftsbedingungen. Inwieweit
diese Regelungen praxisrelevant sein werden, muss abgewartet werden.
Erhalt wichtiger vertragsrechtlicher Elemente
In der neuen HOAI sind nach wie vor eine Reihe von schuldrechtlichen Elementen aus guten Gründen erhalten geblieben. So entspricht die Regelung in § 15 Abs. 1 HOAI über die Fälligkeit von Zahlungen im Wesentlichen der Regelung des § 8 Abs. 1 HOAI (a.F.). Die Fälligkeitsregelungen in den §§ 641 und 646 BGB sind für Planungsverträge nicht ausreichend.
Ebenso verhält es sich mit dem Anspruch auf Abschlagszahlungen, der entgegen frü-
herer Absichten uneingeschränkt erhalten worden ist (§ 15 Abs. 2 HOAI). Mit der Alter-
native, Abschlagszahlungen zu den vereinbarten Zeitpunkten fordern zu können, sollen die Vertragsparteien angehalten werden, Höhe und Zeitpunkt von Abschlagszahlungen für nachgewiesene Leistungen in ihren Verträgen zu vereinbaren.
Zeithonorar
Die Vorschriften für die Berechnung des Zeithonorars für Leistungen des Auftragnehmers oder seiner Mitarbeiter sind ersatzlos entfallen. Damit wird den Planungsbüros ermöglicht, auf der Grundlage nachvollziehbarer Kalkulation auskömmliche Stundensätze zu vereinbaren. Es erscheint jedoch zwingend erforderlich, die Stundensätze bei Auftragserteilung vertraglich zu regeln. Die bisheri-
gen Stundensätze können zuzüglich 10 % zur Orientierung bei der Wertung von Honorarangeboten herangezogen werden. Sie stellen jedoch keine Preisvorgaben dar.
Bauen im Bestand
Die äußerst streitanfällige Regelung zur mitverarbeiteten Bausubstanz des § 10 Abs. 3 a HOAI (a.F.) ist entfallen. Der neue § 35 HOAI bündelt die Vorschriften zu Umbauten und Modernisierungen, die bisher an diversen Stellen in der HOAI verstreut waren. Um den erhöhten Planungsanforderungen für das Planen und Bauen im Bestand Rechnung zu tragen, wurden die Möglichkeiten erweitert, Honorarzuschläge zu vereinbaren. So ist bei der Definition des Begriffs der „Umbauten“ in § 2 Nr. 6 HOAI das Kriterium der Wesentlichkeit entfallen, die Zuschlagsregelung für alle Objekte im Sinne des § 2 Nr. 1 HOAI anwendbar, der Umbauzuschlag (in Höhe von 20 %) bei fehlender schriftlicher Vereinbarung bereits ab der Honorarzone II obligatorisch und die Marge erweitert worden, in der ein Zuschlag vereinbart werden kann (früher 20 bis 33 %, nach neuer HOAI 20 bis 80 %). Der Entfall des früheren § 10, 3a HOAI (a.F.) wird damit mindestens kompensiert.
Besondere Leistungen
Mit der Aufnahme der Besonderen Leistungen in die Anlage 2 stehen dem Anwender beispielhaft und nicht abschließend Leistungsbeschreibungen zur Verfügung, die zusätzlich zu den verpreisten Leistungen (früher Grundleistungen) hinzutreten können und deren Honorar frei vereinbart werden muss. Die schwierige Abgrenzung zwischen den frü-heren Grundleistungen, den zusätzlichen
Besonderen Leistungen und den zum Teil
die Grundleistungen ersetzenden Beson-
deren Leistungen ist deutlich vereinfacht
und letztlich hinfällig worden.
Anrechenbare Kosten
Grundlage für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten ist - soweit sie in Bezug genommen wird - die DIN 276 in der Fassung vom Dezember 2008 (DIN 276-1: 2008-12). Die zum Teil veränderten Kostengruppen
der aktuellen DIN 276 wurden in der neuen HOAI berücksichtigt. Für den Bundesbau
wurde festgelegt, dass bei der Kostenermittlung lediglich die Kosten zur Herstellung, zum Umbau, zur Modernisierung, Instand-haltung oder Instandsetzung von Objekten sowie die damit zusammenhängenden
Aufwendungen erfasst und der Ermittlung
der honorarfähigen anrechenbaren Kosten
zu Grunde gelegt werden. Die erschwerten
Aufwendungen für Leistungen im Bestand werden ausschließlich entsprechend der
Regelung des § 35 HOAI berücksichtigt.
Ausblick und Fazit
Die neue Verordnung gilt nicht für Leistungen, die vor Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden (§ 55 HOAI); insoweit bleibt die HOAI (a.F.) anwendbar. Eine Anpassung bestehender Verträge, wie diese für Vertragsabschlüsse vor Inkrafttreten der 5. Novelle vereinbart werden konnte, ist damit nicht mehr möglich.
Nach der Reform ist vor der Reform. Die Bundesregierung wird dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 29. April 2009 und der Entschließung des Bundesrates vom 12. Juni 2009 folgend in der 17. Legislaturperiode die HOAI inhaltlich und systematisch weiterentwickeln. Aus der Sicht des BMVBS erscheint es zwingend erforderlich, die Honorarstruktur sowie die Regelung der vertrags- und preisrechtlichen Bestandteile der HOAI gutachterlich überprüfen zu lassen. Darüber-
hinaus sind die Leistungsbilder an die technische und rechtliche Entwicklung anzu-
passen. Der Bundesrat hält es schließlich für erforderlich, gegebenenfalls zur Verbindlichkeit der Honorare für die sogenannten Beratungsleistungen nach Anlage 1 der Verordnung zurückzukehren. Die neue HOAI enthält eine Reihe von systematischen und inhaltlichen Verbesserungen und Vereinfachungen. Sie schafft einerseits größere Spielräume für freie Honorargestaltungen und erhöht andererseits die Bedeutung möglichst klarer und vollständiger Planungsverträge. Das war die Absicht des Verordnungsgebers.
Inland – Sachliche Einschränkung des Anwendungsbereichs durch Aufnahme der Teile X bis XIII der HOAI (a.F.) in einen unverbindlichen Anhang – Einführung des Baukostenberechnungsmodells – Aufnahme einer Bonus-Malus-Regelung– Wegfall des Zeithonorars– Erhalt wichtiger vertragsrechtlicher Elemente
Der Aufbau der neuen HOAI im Einzelnen:Teil 1:Allgemeine VorschriftenTeil 2:FlächenplanungAbschnitt 1: BauleitplanungAbschnitt 2: LandschaftsplanungTeil 3:ObjektplanungAbschnitt 1: Gebäude und raumbildende AusbautenAbschnitt 2: FreianlagenAbschnitt 3: IngenieurbauwerkeAbschnitt 4: VerkehrsanlagenTeil 4: FachplanungAbschnitt 1: TragwerksplanungAbschnitt 2: Technische AusrüstungTeil 5: Überleitungs- und SchlussvorschriftenAnlage 1:Beratungsleistungen (frühere Teile X bis XIII HOAI)Anlage 2: Besondere LeistungenAnlage 3: ObjektlistenAnlagen 4 bis 14: Leistungsbilder der Flächen-, Objekt- und Fachplanung