Auf den zweiten Blick

Ausstellung zur Nachkriegsarchitektur in NRW vom 24. September bis 9. November 2011, Dortmund

Die Architektur der Nachkriegszeit prägt die Städte in Nordrhein-Westfalen, doch die in die Jahre gekommenen Bauten werden kaum mehr geschätzt. Häufig ist der Erhaltungszustand schlecht, viele Bauwerke sind zudem durch Umbauten so entstellt, dass selbst ein geübtes Auge Mühe hat, Qualitäten ausfindig zu machen. Die Architektur der 1950er, 1960er und 1970er Jahre ist vielen Menschen erklärungsbedürftig geworden.

Die Ausstellung erzählt anhand von Fotos, Plänen und anderen historischen Dokumenten die Architekturgeschichte von 20 Bauwerken der Nachkriegszeit. Jeder Bau wird unter einem spezifischen Blickwinkel beleuchtet, woraus sich ein neuer, eben ein „zweiter Blick“ eröffnet. So wird nachvollziehbar wie etwa eine innovative Konstruktionsweise den Entwurf prägte oder soziale Ansprüche in Beton gegossen wurden. Ein Bauwerk hat eine besondere Bedeutung in der Biographie des Architekten, und ein anderes steht heute als Ergebnis einer jahrelangen öffentlichen Debatte um seine Nutzung vor uns.

20 kleine „Architekturgeschichten“ eröffnen so einen neuen Blick auf eine allgemein unterschätzte Architekturepoche. Die Zusammenschau der verschiedenen „Geschichten“ eröffnet zugleich die Bandbreite möglicher Lesarten von Architektur. Unter den portraitierten Bauwerken finden sich Kirchen, öffentliche Bauten, Bürohäuser und Wohnbauten in unterschiedlichem Maßstab und von unterschiedlichem Bekanntheitsgrad. Einige kaum bekannte Projekte aus den Beständen des A:AI Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW an der TU Dortmund werden erstmals präsentiert. Leihgaben aus Architektursammlungen in Frankfurt, Köln und München verdeutlichen die überregionale Bedeutung und künstlerische Qualität ausgewählter Bauten. Dokumente aus privaten Sammlungen und kommunalen Archiven verorten die Bauwerke in einem Kontext, der über den üblichen Rahmen des Faches hinaus reicht.

Für die Visualisierung des alltäglichen Blicks auf die ausgewählten Bauten konnte der Berliner Fotograf Georg Knoll gewonnen werden. Er hat alle Bauwerke in ihrem heutigen Zustand dokumentiert. Entstanden ist ein Kaleidoskop ungeschönter wie faszinierender Alltagsrealität.

Das Projekt ist aus einer Lehrveranstaltung hervorgegangen und hat sich zu einem zweijährigen Forschungsvorhaben erwachsen, in das zahlreiche Wissenschaftler eingebunden waren. In Zusammenarbeit mit Studierenden wurden die Bauten vor Ort begutachtet und archivalisch erforscht. Im Unterschied zur Architektur anderer Epochen konnte noch eine Reihe von Zeitzeugen interviewt werden.

Die Ausstellungsarchitektur wurde von Studierenden in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Grundlagen und Theorie der Baukonstruktion, Prof. Paul Kahlfeldt, unter Betreuung von Charlotte Hopf entworfen und realisiert. Das Projekt ist damit Ausdruck der Vernetzung von Forschung, Lehre und Entwurf an der TU Dortmund.

Veranstaltung: Ausstellung „Auf den zweiten Blick: Architektur der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen“
Ort: Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse, 44137 Dortmund
Zeit: 24. September bis 9. November 2011, Di bis So 14 – 18 Uhr
Weitere Informationen: Bei der Vernissage am Freitag, den 24. September 2010 werden Prof. Dr. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund, Dr. h. c. Fritz Pleitgen, Geschäftsführer von Kulturhauptstadt Ruhr.2010, und Dr. Kathrin Höltge, Referatsleiterin in der LWL-Kulturabteilung, Grußworte sprechen.
Internet: www.bauwesen.tu-dortmund.de/gta/

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