90 Jahre lebendige Architekturgeschichte

In Aachen feierten ehemalige Assistenten den Professor für Stadtbereichsplanung und Werklehre, Gottfried Böhm, aus Anlass seines 90sten Geburtstages. Von Robert Mehl, Aachen

Am 23. Januar ist Gottfried Böhm 90 Jahre alt geworden. Wie bei kaum bei einem anderen Architekt erstreckt sich sein Schaffen von der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges bis in unsere heutigen Tage, also über 65 Jahre! Noch kurz vor Kriegsende diplomiert, begann er schon in den vierziger Jahren als Architekt im Büro seines Vaters Dominikus Böhm in Köln zu arbeiten. Sein erstes eigenständiges Projekt war 1947 die Kapelle „Madonna in den Trümmern“, als teilweiser Wiederaufbau der zerstörten Kirche St. Kolumba. Es waren jene Kirchreste, die Peter Zumthor in unserer Zeit zum neuen Kölner Diözesanmuseum „Kolumba“ umformen sollte. Freilich rührte er dabei den Böhm-Bau nicht an. Überhaupt errichtete Böhm bis 1959 im Zuge des Wiederaufbaus allein 39 Kirchen. International bekannt wurde er in den sechziger Jahren mit der Entwicklung seiner „kristallinen Betonfelsen“ und den stilbildenden Bauten, die er unter dieser Maxime errichtete. Vor allem die Wallfahrtskirche von Velbert-Neviges und das Rathaus von Bensberg werden als Inkunabeln der Architektur begriffen. 1986 erhielt er als bisher einziger deutscher Architekt den international renommierten Pritzker-Preis.

Zwischen 1963 und 1985 war er zudem an der RWTH Aachen Professor für Stadtbereichsplanung und Werklehre. Dabei begriff er die entwerferische Arbeit sowie Hochschullehre als Einheit. Daraus entstand insbesondere für seine ehemaligen Mitarbeiter ein nachhaltiges Amalgam, das prägend für deren späteres Wirken werden sollte.

In dankbarer Erinnerung an das Wirken von Böhm richteten diese, allen voran der heutige RWTH-Professor und frühere Böhm-Assistent Jan Pieper, eine Festveranstaltung für den Jubilar aus. Medienpartner dieser Veranstaltung war die ebenfalls im Bauverlag erscheinende Bauwelt. Innerhalb der Feierstunde hielten zehn ehemalige Assistenten des Lehrstuhls kurze Referate über die Forschungs- und Planungsprojekte, die sie damals betreuten. Durchweg waren dies alles städtebauliche Projekte, entsprechend der Ausrichtung der Lehrstuhls: Stadtbereichsplanung. Behandelt wurden illustre, aber von Böhm durchweg nicht realisierte Projekte, wie die IBA in Berlin, die Bundesallee in Bonn, der Bau der Universität Bielefeld oder das Wallraff-Richartz-Museum in Köln.

Die Laudatio auf Gottfried Böhm hielt sein damaliger Lehrstuhl-Nachfolger: Volkwin Marg, mit Meinhard von Gerkan der Kopf von gmp. Launigster Teil seiner Rede war das Verlesen eines historischen Briefes, den Böhm einmal an seine Fakultät geschrieben hatte. In diesem bat er in einem pointiert-ehrlichen Ton von der Teilnahme an den oft langwierigen Gremiensitzungen ausgeschlossen zu werden.

Am Ende der Veranstaltung ergriff Gottfried Böhm selber noch einmal kurz das Mikrofon und bedankte sich eindringlich für die ihm zuteil gewordene Ehre. Besonders beeindruckend war dabei seine Vitalität und Präsens. Dabei fiel vor allem die Festigkeit seiner Stimme auf und die Leichtigkeit, mit der er offenbar den Abend meisterte: So hörte er sich nicht nur aufmerksam den dreistündigen, pausenlosen Vortragsmarathon an. Beim anschließenden Sektempfang parlierte er munter weitere anderthalb Stunden stehend mit den Gästen.

Bedenkt man nun, dass sein aktuelles Projekt der noch lange nicht begonnene Bau der Kölner Großmoschee ist, sollte man keinen Zweifel daran haben, dass er auch bei dessen Einweihung – obwohl in ferner Zukunft gelegen – zugegen sein wird.

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